16. Sonntag nach Trinitatis

Wort zum Sonntag

Liebe Gemeinde!

Der Hebräerbrief ist wahrscheinlich von einem unbekannten Autor der zweiten oder schon dritten nachchristlichen Generation verfasst worden und ist an die Gemeinden in Kleinasien gerichtet. Dies waren sehr junge Gemeinden, und sie mussten eine Zeit überstehen, in der sie sehr stark bedrängt waren. Der Verfasser des Hebräerbriefes ist nun der Seelsorger für diese Gemeinde. Er schreibt nun diesen Brief und versucht, die Gemeinde zu ermutigen, sie in ihrem Glauben zu stärken. Es heißt hier: „Werft euer Vertrauen nicht weg“. In Zeiten der Bedrängnis oder vor allem bei großen Enttäuschungen fällt es dem Menschen schwer, sein Vertrauen zu behalten. 

Als Konstantinopel 1453 von den Osmanen belagert wurde, ging plötzlich eine Kunde durch die ganze Stadt: „Das Osttor ist gefallen“. Als die Leute und die Streitkräfte diese Nachricht hörten, legten sie die Waffen nieder und gaben den Widerstand auf. Dabei war es eigentlich gar nicht gefallen. Und so wurde die Hauptstadt des byzantinischen Reichs erobert. Ab nun sollte für Jahrhunderte der türkische Sultan das Sagen haben. Eine der Folgen dieses Falls von Konstantinopel waren auch die vielen Türkeneinfälle in Siebenbürgen. Unsere Vorfahren aber konnten sich in ihre Kirchenburgen zurückziehen und sich da mit viel Gottesvertrauen verteidigen. Auch jetzt noch können wir stolz sagen, dass unsere Kirchenburgen standgehalten haben.

Ihr Lieben, die christliche Religion ist eine Religion des Vertrauens. Das Christentum als solches, unser Glaube, unsere Hoffnung, leben nur aus Vertrauen. Und wenn wir einmal um uns sehen, was sehen wir? Es ist nicht immer etwas, was uns gefallen wird.

„Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.“ Es gibt eine Belohnung für unser Vertrauen. Aber wir leben in einer Wegwerfgesellschaft. Gilt das nun auch für das Vertrauen? Werfen wir unser Vertrauen wirklich einfach weg? Ja, leider kommt auch so was in ganz extremer Weise auch in der Gesellschaft vor. Denken wir an die Selbstmorde vor allem von jungen Menschen. 
Mein Vater erzählte mir von einem Ereignis, dass sich zugetragen hatte, als ich noch ganz jung war. Im Jahr 1985 versammelte sich plötzlich die ganze Jugend auf dem Pfarrhof. Was war geschehen? Hermann T. hatte sich an seinem 18. Geburtstag erhängt. Ein großer Schock für die Gemeinde. Irgendwie fühlte sich jeder daran schuldig. Hermann wurde immer von allen gehänselt. Er hat sein Vertrauen aufgegeben. Die Zweifel und Anfechtungen waren größer als das Vertrauen.

Ihr Lieben: „werft euer Vertrauen nicht weg“. Wer durchhält, wird das Ziel erreichen. Nachher lässt sich das bestätigen, nicht vorher, nicht jetzt. Erst dann, wenn die Worte wahr geworden sind. Uns steht dies noch bevor, so, wie es den Hebräern bevorstand. Und so sieht der Hebräerbrief die christliche Gemeinde als wandelndes Gottesvolk, das noch auf dem Weg durch die Wüste ist hin zu seiner Heimat. Und er erinnert immer wieder an das Heil, das mit Jesus Christus bereits in die Welt gekommen ist. Er versucht, bei den Seinen die Hoffnung auf jenes Gottesreich wach zu halten, von dem Jesus sprach. Jene Zeit, in der die Menschen in der Gemeinschaft mit ihrem Schöpfer leben und ganz im Einklang mit seinem guten Willen sind.

Und er führt sogar noch ein Stück weiter, wenn er sagt: Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes tut. Von uns wird verlangt, dass wir eine tätige Hoffnung leben, diese wirkt sich positiv aus – auf mich selbst und auch auf andere. 

Werft Euer Vertrauen nicht weg! Wir wollen nicht die Geschichte achtlos beenden, die Gott mit uns angefangen hat! Wir wollen vielmehr am Vertrauen festhalten, wollen uns einlassen auf diesen Glauben. Wir wollen am Vertrauen festhalten, um dann zu spüren und zu erfahren, dass das Vertrauen uns selbst festhält; dass Gott uns in Händen hält und trägt. – Amen.