Als Minderheit wahrgenommen werden

Wort des Ehrenvorsitzenden des DFDR, Prof. Dr. Paul Philippi, auf der Vertreterversammlung am 18. April 2015 in Hermannstadt

Wir haben es sicher alle als einen Erfolg erlebt, dass am 25-Jahr-Jubiläum des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien zwei Außenminister teilgenommen haben – der unseres Landes und der der Bundesrepublik Deutschland – und dass weitere prominente Gäste aus beiden Ländern bei der Eröffnung der Ausstellung zugegen waren, die uns, der deutschen Minderheit, gewidmet ist. Allen voran natürlich unser Staatspräsident. Diese Teilnahme prominenter Gäste sollte, so ist zu hoffen, ein Signal sein dafür, dass diese Ausstellung dort, wo sie noch hinkommt im Inland und im Ausland, dass die dort besser besucht wird, als das in Hermannstadt der Fall war. Die Ausstellung verdient es.

Das Material der Ausstellung ist in einem aufwändigen Auswahlverfahren zusammengestellt worden. Dadurch sind Unterstreichungen zustande gekommen, die uns nicht immer nur so darstellen, wie wir uns selber sehen, sondern so, wie wir im Rahmen des Vertrags über Freundschaft und Zusammenarbeit in Europa erscheinen. Das muss für unsere politische Präsentation wohl auch so sein. Daraus haben wir zu lernen. Wir werden freilich auch aufpassen müssen, dass wir dadurch nicht zu Abziehbildern wohlgefälliger Fremdwahrnehmung werden.

Der deutsche Außenminister Dr. Steinmeier hat in seiner programmatischen Rede gesagt, dass wir als DFDR für die Festigung unserer deutschen Identität gutstehen – innerhalb der rumänischen Nationalität. Das ist so aus seinem Munde auch richtig, weil er „Nationalität“ ausdrücklich als „Staatsbürgerschaft“ definiert, so wie das fast alle Welt tut, soweit sie französisch oder englisch denkt. Bei uns in Rumänien aber ist unsere deutsche Identität gerade unter dem Begriff „Nationalität“ geschützt und wir legen weiter Wert auf diese Unterscheidung von einer-seits „na]ionalitate“, die unsere deutsche Identität meint, und andererseits „cetăţenie“, die unsere rumänische Staatsangehörigkeit bezeichnet. Wir müssen freilich zur Kenntnis nehmen, dass diese Differenzierung dem Berliner Ministerium so wichtig nicht ist, dass es also unsere politische Aufgabe bleibt, die Redeweise anderer einerseits zu beachten, sie aber andererseits mit unserer Wirklichkeit angemessen abzugleichen.

Die Rede unseres rumänischen Herrn Außenministers liegt schriftlich nicht vor. Mir ist beim Zuhören aufgefallen, dass Herr Aurescu es tunlichst vermieden hat, die deutsche Minderheit als solche zu nennen. Er verwendete stattdessen sehr oft die Formel von den „persoane apar]inând mi-norit²]ilor na]ionale“. Das ist eine bekannte, allgemein gerne verwendete Formel. Sie tendiert traditionell dahin, die Minderheitenfrage zu einem Problem von Individualrechten zu ermäßigen. Das darf uns nicht irritieren. Denn wir wissen, dass Rumänien eine in mancher Hinsicht mustergültige Minderheitengesetzgebung hat. Das ist ein Gewinn für uns, für den wir dankbar sind – nicht zuletzt auch unseren Parlamentsabgeordneten dankbar sind: Brandsch, Wittstock und Ganţ. Aber es erinnert uns auch daran, dass der Seismograf, mit dem wir die weitere Entwicklung der Gesetzgebung abtasten, gut instand gehalten werden muss, damit er etwaige unterirdische politische Verwerfungen ggf. rechtzeitig anzeigt.

Und das ist schließlich ein Anlass für uns – eventuell auch ein Anlass für andere – daran zu erinnern, dass wir eine andere Art Minderheit sind als etwa die Deutschen in Polen oder die in Brasilien. Weder haben wir jemals als Kollektiv territorial zu Deutschland gehört, noch sind wir jemals in Rumänien eingewandert. Wir sind weder eine Grenzlandminderheit noch eine Zuwanderungs-Minderheit. Unsere deutsche Identität ist nicht vom Staate Deutschland her abgeleitet, sie ruht, weil sie kultureller Art ist, sozusagen in sich selbst, ist also quasi eigenständig.

Wir sind Deutsche durch unsere eigene gemeinschaftliche deutsche Existenz, nicht, weil wir aus Deutschland stammen. Auch waren wir als soziale bzw. als politisch geformte Gemeinschaften schon da, als der Staat Rumänien erst im Entstehen war. Wir sind älter als der Staat Rumänien. Wir gehören zu den Bauelementen dieses Staates Rumänien. Wir sind autochthon. Das ist eine der besonderen Grundlagen für unsere Ansprüche, ist aber auch eine Basis für unsere Pflichten gegenüber diesem Land, zu dem wir von Anfang an gehören. Wir sind froh, wenn das überall so anerkannt ist, dass wir es gar nicht mehr betonen müssen. Dass wir dabei zahlenmäßig in der Minderheit sind, ist dann eigentlich sekundär. Aber diese Minderheitensituation ist einer der Gründe dafür, dass die Erhaltung unserer deutschen Identität absolut nicht mehr eigenständig ist, sodass wir darauf angewiesen sind, dass sie von außen gestützt wird. Auf diese Stützung von außen haben wir, meine ich, seit den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs auch einen Anspruch. Aber dafür, dass wir auch wirklich gestützt werden, sind wir allen unseren Partnern auch sehr dankbar.

Wir brauchen auf unsere Stellung als autochthone Minderheits-Gemeinschaften, wie gesagt, nicht lautstark zu pochen. Aber aus meiner Erfahrung der 1990er Jahre darf ich sagen, dass es wichtig und wirksam ist, diese unsere besondere Stellung immer bescheiden und klar im Hinterkopf zu haben. Das verschafft Respekt und Gehör bei anderen – und es sichert auch den Respekt, den wir vor uns selbst haben müssen. Ich denke, dass die 25-Jahrfeier zu beidem ein Beitrag war: Zum Finden von Gehör und zum Erwerben von Respekt. Ich wünsche unserm Forum, dass es auch in den nächsten 25 Jahren Respekt erwirbt und Gehör findet.