Amalia Schröder und das Kleinod im Zentrum Hermannstadts

„The Loft Collective“ ist Laden, Café und Künstlertreff in einem

Amalia Schröder, zufrieden mit ihrem besonderen Laden in Hermannstadt

„The Loft Collective“ in der Reispergasse 6/Avram Iancu Nr. 6

„The Loft Collective“ verkauft Objekte von jungen Designerinnen und Designern aus Hermannstadt. | Fotos: die Verfasserin

Im Hintergrund läuft Musik, und Amalia Schröder sitzt an einem der kleinen Tische im ihrem Laden. Ihre grünen Augen blitzen, wenn sie erzählt, sie lacht viel, ein kunstvoller Ohrring wippt an ihrem Ohr hin und her. Wenn sie spricht, erwachen Geschichten zum Leben. Und davon hat sie viele zu erzählen, denn die Unternehmerin hat einiges erlebt: Ein Leben zwischen Deutschland und Rumänien, drei Cafés, die sie in Deutschland eröffnet hat, eine neue Eröffnung in Hermannstadt – der Stadt, in der sie aufgewachsen ist.

In den neunziger Jahren hat sie hier das Kunstgymnasium besucht. An der Schule lernte sie Struktur, Grafik und Malerei und profitiert davon, wie sie sagt, bis heute. Selbstständig habe sie sich damals angemeldet; ihre Eltern hätten es lieber gesehen, wenn sie Medizin studiert hätte. Im damaligen Rumänien stand „Kunst“ oder künstlerisches Schaffen stellvertretend für Armut. In den neunziger Jahren sei ja jeder irgendwie Lebenskünstler gewesen.

Als sie siebzehn ist, folgt sie ihrer Mutter nach Deutschland, die dorthin ausgewandert ist und schließlich neu geheiratet hat. So kommt sie über die Familienzusammenführung nach Deutschland. Unfreiwillig – denn ihre Freundinnen und Freunde habe sie in Hermannstadt zurücklassen müssen. Die Ankunft im neuen Land ist nicht einfach. Ein entscheidender Unterschied sei gewesen, dass sich das Leben in Deutschland in einer Kleinstadt nahe Köln eher zu Hause abgespielt habe, nicht draußen auf den Straßen und Plätzen. Um besser anzukommen und die Sprache schneller zu lernen, bricht sie den Kontakt zu ihrem alten Umfeld in Rumänien ab. Sie beginnt für den spanischen Modekonzern Mango zu arbeiten, zunächst im Verkauf, dann im Bereich Interieurdesign: Sechzehn Jahre lang arbeitet sie dort und lernt viel über Dekoration, Koordination und Planung.

Der Weg zum eigenen Laden in Rumänien

Nach fünfundzwanzig Jahren in Deutschland dann die Rückkehr: Über Umwege – denn durch einen Zufall erhält sie den Auftrag einer Bekannten, die Innenausstattung eines Brautmodengeschäfts in Klausenburg/Cluj zu entwerfen. Der Kurzaufenthalt ist entscheidend. Mitten in der Coronazeit, im Jahr 2021, habe sie hier eine Freiheit erlebt, die sie lange vermisst habe. Bei diesem Kurzaufenthalt fällt die Entscheidung, in Hermannstadt zu bleiben, denn sie stellt schnell fest, dass es hier eine lebendige Künstlerszene gibt: „Als ich durch die Straßen gelaufen bin, habe ich so viele Künstler und Designer kennengelernt. Ich habe gesagt: Warum sehe ich Euch nirgends? Wo seid ihr? Wo habt Ihr eure Ateliers? Man atmet in dieser Stadt wirklich Kunst.“

In Hermannstadt begann dann alles mit einer Pop-Art-Gallery, die sie während des Internationalen Theaterfestivals (FITS) im Jahr 2022 organisiert. Elf Tage lang präsentiert sie in einem leerstehenden Laden in der Heltauergasse/Strada Bălcescu ihr Konzept: Arbeiten der Designerin Anamaria Șut, die Kleidung designt, oder des Künstlers Andrei Pandea, der in Hermannstadt für seine Skulpturen bekannt ist. Handgemachte Keramik der Manufaktur „Poemi“. Die Präsentation, gedacht als eine Art Testlauf, wird ein Erfolg, das Publikum reagiert enthusiastisch. Mit ihrem Konzept möchte sie die moderne Kunst in den Mittelpunkt stellen und rumänische Künstlerinnen und Künstler, die schon im Ausland bekannt sind, auch in Rumänien bekannter machen. Beharrlich sucht sie nach einer geeigneten Ladenfläche im Stadtzentrum und eröffnet im Oktober 2022 schließlich ihren kleinen Laden in der Reispergasse 6/Avram Iancu Nr. 6.

Bei dieser Eröffnung sei sie ähnlich vorgegangen wie schon bei den Eröffnungen ihrer Läden in Deutschland: Nach und nach habe sie die Möbel zusammengestellt und auch erst Schritt für Schritt erworben. Am Anfang sei der Verkaufstisch ein einfacher und provisorischer Tisch gewesen. Der Teppich stammt vom Dachboden eines Cousins, den großen Spiegel neben der Tür schenkt ihr eine Freundin. Die Lampen hat sie selbst angefertigt: „Ich bin der Meinung, dass ein Geschäft so laufen muss. Wenn man schon viel investiert von Anfang an, dann ist der Druck viel zu stark, dass man etwas verändert. Dann fängt es an, dass man sagt, das verkauft sich nicht. Oder die Leute wollen dieses oder jenes nicht. Und wenn man sich anpasst, wird es schwierig, weil man dann nicht mehr originell ist. Ich mache das für mich.“

Das Konzept: Second Hand, Kaffee und Schmuck

Der kleine Laden im Seitenarm des Großen Rings erinnert an ein sehr gepflegtes Wohnzimmer. Eines, das mit viel Liebe eingerichtet wurde, das jeden Tag bewohnt und immer wieder verändert und entwickelt wird. In der Mitte des gewölbeartigen Ladens steht ein großer Tisch: Allerlei Sorten Schmuck, Postkarten, Sonnenbrillen, Schuhe und Gürtel sind kunstvoll angeordnet. An der Seite des Raumes säumen mehrere Tische den Ladenraum: Hier kann man einen Kaffee oder Chai Latte genießen, mit der Inhaberin plaudern und Menschen aus der Künstlerszene treffen.

Dass der Laden auch ein Treffpunkt ist und Kommunikation hier groß geschrieben wird, wird deutlich, als ein Ehepaar den Laden betritt: „Wir hätten gerne ein Brot!“ Amalia Schröder lacht, holt ein Stoffbrot aus einer Ecke hervor. Es stammt aus einer Kollektion, die Freunde aus der Ukraine angefertigt haben. Der Fisch „Vasile“, die Ente und das Brot aus Stoff seien ein Renner bei der Kundschaft gewesen. Die Kundin verlässt den Laden. Das Stoffbrot lugt triumphierend aus ihrer Handtasche.

Mit Geschichte gegen Verschwendung und Fast Fashion

Ihre Ware sucht Amalia Schröder sorgsam aus. Sie fährt in andere Großstädte und sucht bestimmte Stoffe, bestimmte Marken aus. Auf den Kleiderständern hängen fast ausschließlich Einzelstücke. Gerade weil sie über ein Jahrzehnt im Bereich „Fast-Fashion“ gearbeitet hat und die Produktionsweise kennt, setzt sie sich mit ihrem Konzept für Nachhaltigkeit im Bereich Mode ein: „Wir haben zu viel Kleidung auf dieser Welt – Neuproduktion ist ein No-Go“, sagt sie. 

Aber auch die Tatsache, dass Kleidung bereits ein Vorleben gehabt habe, fasziniert sie: „Alles hat so ein bisschen Geschichte. Ich liebe die Geschichte dahinter. Man weiß nie, wer das gekauft hat, wer das angezogen hat. Und manche Sachen, die aus Kaschmir oder Seide sind, hatten vorher ganz andere Preise. Die haben dann eine Geschichte, und dann schreibt man die Geschichte weiter.“

 In Rumänien gebe es allerdings eine Art „Negativ-Stempel“ auf dem Begriff „Second Hand“. Das habe auch mit dem Kommunismus zu tun; es sei normal gewesen, dass man oft gebrauchte Kleidung getragen habe. Als es dann endlich möglich wurde, habe man das „Neue“ stark favorisiert. Sie aber möchte versuchen, diese Denkweise vor dem Hintergrund der heutigen Situation langsam zu ändern.

„Die Entscheidung bereue ich keine Sekunde“

Aus beiden Welten, der in Deutschland und der in Rumänien, habe sie bisher viel mitgenommen und gelernt. Planung und Business lerne man am besten in Deutschland, sagt Schröder, aber Spontaneität und Freiheit gebe es eher in Rumänien. Sie schätzt das Ungezwungene, das nun ihren Alltag bereichert, und sieht besonders in Hermannstadt ein ungeheures Potenzial.

Sie beobachtet, dass sich in den letzten Jahren die Einstellung der jungen Generation in Rumänien geändert hat: Viele blieben im Land, versuchten hier ihr Leben aufzubauen. Das, sagt sie, sei ein großer Unterschied zu der Zeit in den Neunzigern, in denen es in Rumänien kaum Perspektiven gegeben habe. Auch kämen immer mehr junge Menschen nach Rumänien zurück; international orientiert, hätten sie eine andere Perspektive und würden vieles auch nicht mehr hinnehmen: „Das sind nicht die Leute, die leise sind. Sondern die sagen – Nein, so läuft das nicht, wir müssen das verändern. Was in Rumänien nicht üblich war. Man hat immer gesagt: Sei leise! Nicht zu laut. Sag nichts, der Chef hat Recht! 

Aber jetzt merke ich, die Leute sind nicht mehr leise, sondern sie sagen – Nein, ich habe Recht, es wird so und so gemacht. Wir haben auch unsere Rechte laut Vertrag. Das wird sich, glaube ich, langsam ein bisschen anpassen, dass nicht alles mehr in Hierarchien läuft oder jemand bezahlt wird oder es um den Profit geht. Da bin ich mir absolut sicher. Die Menschen verändern das Ganze.“ So sieht es Amalia Schröder, die Weltensammlerin aus der Reispergasse.