Annäherung zwischen Ost und West

Theater und Eingemachtes als Hauptgericht

Podiumsdiskussion, v.l.n.r. Hunor Horvath, Medana Weident, Joachim Umlauf und Octavian Saiu

Szenische Lesung des Stücks „Acid“/„Mur²turi“ im Rahmen des FITS. Fotos: die Verfasserin

Zum Thema „Brückenbauen in unsicheren Zeiten. Die Rolle des deutschen Theaters in einer multikulturellen Region“ fand im Rahmen des Internationalen Theaterfestivals in Hermannstadt/Festival International de Teatru de la Sibiu (FITS) eine Podiumsdiskussion im Thalia-Theater statt.

An der Diskussion nahmen der Direktor des Goethe-Instituts Bukarest, Joachim Umlauf, die Journalistin der Deutschen Welle, Medana Weident, und der Direktor der deutschen Abteilung des Radu-Stanca-Theaters, Hunor Horvath, teil. Octavian Saiu, Professor für Theaterwissenschaften, leitete die Diskussion.

Im Mittelpunkt stand die Wichtigkeit des Dialogs, der über Kunst und Theater transportiert werden kann – wenn man immerwährend neue Formen von Theater entstehen lässt. Auch die Rolle, die die beiden deutschen Bühnen in Hermannstadt und Temeswar spielen, und die Rolle der in Rumänien zusammenlebenden Ethnien waren Themen.

Die anschließende Präsentation des Theaterprojekts „New Stages South-East“, ein Projekt des Goethe-Instituts Bukarest, griff das Thema der vorangegangenen Diskussion auf. Denn um das gegenseitige Kennenlernen und das Voneinander-Lernen geht es auch hier: Im Rahmen des dreijährigen internationalen Projekts kamen junge Dramaturginnen und Dramaturgen aus Südosteuropa zusammen, um sich im kulturellen Dialog auszutauschen und ihre Theaterstücke weiterzuentwickeln. Insgesamt entstanden so 33 Stücke; die Teilnehme-rinnen und Teilnehmer kamen aus Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Griechenland, Kroatien, Rumänien, der Republik Moldau, Serbien und Zypern. 

Die Stücke greifen aktuelle Themen der dortigen Gesellschaften auf: Beispielsweise die Rolle von Familie, die Aufarbeitung von Vergangenheit, Gleichheit der Geschlechter, Kriege und die Zerrissenheit vieler Familien aufgrund von Umbrüchen bis ins Heute.

Ziel sei nicht nur das „Bilaterale“ gewesen, sondern das europäische Haus so zu bauen, dass man zusammenarbeite, sich kennenlerne und somit auch Verständnis für die Belange, Probleme und Diskussionen der anderen entwickle, so Joachim Umlauf. Deswegen sei es vor allem um die Förderung der Vernetzung und der Zusammenarbeit unter den Autorinnen und Autoren gegangen. 

Bereits im Frühjahr dieses Jahres sind elf der Stücke in Form von szenischen Lesungen in Oberhausen präsentiert worden; 2023 und 2024 sollen Uraufführungen in Mannheim, Oberhausen, Essen und Dresden gezeigt werden. In Kürze wird ein E-Book mit allen 33 Stücken durch das Goethe-Institut herausgegeben.

Katerina Georgieva, eine der jungen Autorinnen, die am Programm teilgenommen hat und bei der Veranstaltung anwesend war, hob hervor, wie wichtig es sei, mehr Kontakt und Verknüpfungen zwischen den jungen Autoren und den Regisseuren herzustellen, damit auch in Zukunft neue Stücke ihren Weg auf die Bühne fänden.

Im Rahmen des FITS wurden die Stücke von Teona Galgoțiu (Rumänien), Katerina Georgieva (Bulgarien), Dario Bevanda (Bosnien-Herzegowina) und Asja Krsmanovic (Bosnien-Herzegowina) in Form von szenischen Lesungen auf Rumänisch mit englischen Untertiteln gezeigt.

In einem der Stücke, „Acid“/„Murături“ der 1988 geborenen Asja Krsmanovic, geht es um eine Familie in Bosnien und Herzegowina: Anhand verschiedener Szenen wird durchgespielt, welche Dynamik zwischen den Familienmitgliedern entstehen würde, wenn eine der Personen nicht mehr am Leben wäre. Das wiederkehrende Motiv aber ist das gemeinsame Einmachen von Gemüse, zu dem sich die Familienmitglieder immer wieder zusammenfinden. Zusammenleben, Konflikte und Mentalitäten treten hervor und zeichnen ein Bild der Länder im heutigen Osten Europas.

Wenn alle Stücke so sind wie „Acid“, dann transportieren sie gekonnt Lebenswelten der entsprechenden Regionen. Sie transportieren Geschichte, Alltag und Gewohnheiten aus den jeweiligen Ländern und können helfen – so sie denn auch in Deutschland oder andernorts aufgeführt werden – einzutauchen in eben diese Gesellschaften. So kann Verständnis entstehen und Bereitschaft, politische und gesellschaftlich gewachsene Strukturen Osteuropas auch in Westeuropa zu verstehen. 

Nicht alles muss toleriert oder ganz begriffen werden. Aber die Stücke sind ein Mosaiksteinchen dahin, näher aneinander heranzurücken.