„Arbeiten wie an einem Dom“

Die evangelische Kirche in Bukarest scheint eine Dauerbaustelle zu sein – dabei macht sie sich fit für die nächsten 100 Jahre

Die evangelische Kirche ist in ein Gerüst gehüllt. An der Fassade wird jedoch nicht gebaut, sondern im Inneren der Kirche wird das Gebäude konsolidiert.

Über der Decke des Kirchenschiffes und unter dem Dach wurden feste Stahlbalken eingebaut – dadurch soll die Kirche noch eine sehr lange Zeit vor Erdbeben geschützt sein. Fotos: der Verfasser

Pfarrer Dr. Daniel Zikeli

„Die Leute wundern sich manchmal: Die evangelische Kirche in Bukarest ist ja nicht besonders groß, aber es wird an ihr gearbeitet wie an einem Dom“, erklärt Pfarrer Dr. Daniel Zikeli. Doch das hat natürlich einen Grund: Das Kirchenschiff wäre bei einem Erdbeben aller Wahrscheinlichkeit nach eingestürzt, weshalb von der evangelischen Kirchengemeinde A. B. Vorkehrungen getroffen wurden. Seit Frühjahr 2022 ist die historische Kirche im Herzen von Bukarest daher eine Dauerbaustelle.

Das Problem hängt mit dem sogenannten Flaggenprinzip zusammen, wie Zikeli erklärt. „Schon ungefähr – ich kann mich nicht mehr genau erinnern – von 2007 bis 2010 haben wir die Kirche renoviert und den Kirchturm konsolidiert. Mit Hilfe des Bürgermeisteramtes vom Sektor 1 und der Kirchengemeinde.“ Wichtig dabei zu beachten ist, dass Konsolidierung nicht gleich Renovierung ist. 

Bei einer Konsolidierung – wie beim Kirchturm – wird ein extra Gerüst eingefügt, aus Stahl oder starkem Beton, das das Gebäude sozusagen festschweißt und gegen Erdbeben sicher macht. So schön, so gut. Jedoch, nachdem der Turm fertig war, kam ein Kollege im Presbyterium auf Dr. Zikeli zu und berichtete von einem Problem, welches nicht bedacht wurde: Gerade eben jenes Flaggenprinzip: „Wenn der Turm fest ist, dann kann bei einem starken Erdbeben das Kirchenschiff wackeln, wie bei einer Flagge“, erklärt Zikeli. 

Der Turm ist also der Flaggenmast und der Rest der Kirche die wackelnde Fahne. Schlimmstenfalls reißt sich das Kirchenschiff vom Turm und bricht komplett zusammen. Dies kann gerade in Bukarest jederzeit passieren – nur ist völlig unklar wann. „Laut einer Probe geht bei einem Erdbeben eine seismische Welle genau durch die Kirche“, berichtet der Pfarrer.

Der lange „rumänische Weg“ zur Finanzierung

Schnell wurde also in der Kirchengemeinde klar: Wir müssen weiter konsolidieren und renovieren. Das Problem: Die Kassen waren nach der ersten Renovierung leer, also wurde Hilfe benötigt. Doch auch das sollte sich als um einiges schwerer herausstellen als gedacht, und als ein langer „rumänischer Weg durch die Bürokratie“ erwartete Zikeli.

 Aus verschiedenen Gründen zerschlug sich zuerst die Option auf EU-Hilfen, also wendeten sich Zikeli und die Gemeinde an das Bürgermeisteramt im Sektor. „Der damalige Bürgermeister des Sektors hat seine Bereitschaft symbolisiert“, erklärt Zikeli. Nächster Schritt: Einen Sicherheitsplan bei der Feuerwehr besorgen. Nach einem Jahr des zähen Wartens kam der Bescheid. 

„Zwar haben sie stupide Forderungen gestellt, etwa, dass die Kirchentüren sich nach außen öffnen sollen – was unmöglich ist, weil man die historischen Portale nicht verändern darf! Trotzdem war es ein erster Erfolg, auch wenn die außerdem geforderten vier Lüftungsschächte in der historischen Decke und vier Feuerlöscher im Kirchenschiff unsere Kirche verschandeln.“ Dennoch: „jede Münze hat zwei Seiten“, erklärt Zikeli, man müsse sich eben an die Veränderungen gewöhnen. Nun konnte man das Projekt Konsolidierung und Renovierung beim Bürgermeisteramt endgültig einreichen. 

Eigentlich sollte nun alles seine geordneten Bahnen gehen, jedoch gab es in der Zwischenzeit wegen der Kommunalwalen einen politischen Wechsel, und es setzte Stillstand ein. 
Die Gemeinde konnte niemanden erreichen. Keine Antwort und kein Mucks kam von den Behörden für mehrere Monate. „Das ist ein Problem! Insbesondere weil unsere Baugenehmigung, wie jede, natürlich befristet war.“ Irgendwann entschied sich die Gemeinde dazu, die schweren Geschütze aufzufahren. Sie wandten sich an alle möglichen Stellen, vom Vizebürgermeister bis zu den Botschaften von Deutschland, Österreich und der Schweiz, um für die Gemeinde Druck auf die Behörden auszuüben. „So unerwartet wie die Funkstille begann, hörte sie dann wieder auf“, freut sich Zikeli. Ein neuer Deal mit der aktuellen Bürgermeisterin vom Sektor 1 kam zustande und die Arbeiten konnten im Frühjahr 2022 endlich beginnen.

Eine neue Fassade, eine feste Konsolidierung und viele Grünflächen

Doch was genau wird eigentlich  alles verändert? Zum einen werden auf Wunsch der Bürgermeisterin alle Betonplatten, welchen den kompletten Kirchenhof bedecken, herausgerissen werden. Stattdessen sollen Grünflächen die Kirche umgeben, sowie ein Brunnen das Ambiente schmücken. 

Daneben steht natürlich die Konsolidierung im Kirchenschiff an, welche mittlerweile so gut wie abgeschlossen ist. In den kommenden Wochen kann unter die Arbeiten ein Haken gemacht werden. „Man musste das Dach anheben und mit dem Kirchturm verbinden“, erklärt Zikeli. 

Über dem Historischen Kirchenschiff und unter dem Dach sind bereits große Stahlträger eingebaut, die durchaus den Anschein erwecken, dass das Gebäude so noch einige hundert Jahre gesichert ist. In der Kirche selbst wurden Betonverstärkungen, unter anderem an der Sakristei oder der Königlichen Loge, von 50 bis 60 Zentimetern eingefügt, welche jedoch laut Zikeli nicht besonders auffallen.

Er ist froh, dass die Konsolidierung so gut wie fertig ist und die Gefahr eines plötzlichen Erdbebens nicht mehr das historische Gebäude bedroht.

Abgesehen davon „werden noch weitere Arbeiten gemacht: Die Stromleitung, die Beleuchtung und die Heizzentrale wurden modernisiert“, erklärt der Siebenbürger Sachse. 

Nun steht die Renovierung der historischen Walcker-Orgel und der äußeren Fassade der Kirche an, welche in neuem, altem Glanz erstrahlen sollen. Im übrigen läuft der Gottesdienst wie gewohnt jeden Sonntag weiter, auch während der noch laufenden Konsolidierung – die Gemeinde richtete mit großem Aufwand vor dem Gottesdienst die Kirche immer wieder her.

Abschluss der Arbeiten an Ostern 2025?

Eigentlich sollten die Arbeiten im Herbst 2024 bereits fertiggestellt werden, aber wie es bei Renovierungen läuft „ist es mittlerweile unrealistisch. Wir hoffen – so Gott will – das wir die fertige Renovierung am Palmsonntag 2025 feiern können, schließlich fällt Ostern in diesem Jahr bei Ost und West auf das gleiche Wochenende“, wünscht sich der engagierte Pfarrer.