Arme Hunde

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Es gibt Schoßhunde, Hofhunde, Familienhunde, Blindenhunde, Wachhunde, Polizeihunde, Drogenschnüffelhunde, Termitenspürhunde, Lawinen- und Wasserrettungshunde, Trüffelsuchhunde, deren Vorteil gegenüber dem Schwein darin besteht, dass man sie nicht sofort nach dem Fund daran hindern muss, ihn blitzschnell und genussvoll zu verspeisen; ferner Jagdhunde, Ausstellungshunde, Kampfhunde, Seehunde, Flughunde, in asiatischen Ländern sogar gebackene, gesottene und gebratene Hunde in scharfer und süßsaurer Soße. Nicht zu vergessen: den inneren Schweinehund, den blöden, armen oder gemeinen Hund, oder den Hundesohn – „son of a bitch“, wie die Amerikaner gerne schimpfen. 

Das erstaunlichste, was mir an Hunden je begegnete, war der Insulinhund Linda. Das speziell ausgebildete Tier erschnüffelt den Insulingehalt im Blut seines diabetischen Herrchens, einem Abt in der Bukowina. Immer wenn sein Blutzuckerspiegel gefährlich ansteigt, ermahnt ihn Linda durch nervtötendes Kläffen zur fälligen Injektion. Daher darf sie als einziges weibliches Wesen in einem Männerkloster sogar im Bettchen des frommen Gottesmannes schlafen. Ansonsten ist sie eher ein Rüpel, der Besucher gerne mal frech in die Wade zwickt.

Nichts ist so vielseitig – beliebt, bemitleidet, gefürchtet und verhasst – in Rumänien sogar politisiert –, wie der Hund.
Hier kennt man außerdem noch Kettenhunde, die eher arme Schweine sind, Hirtenhunde, Parkplatzhunde, Baustellenhunde, Kiosk- und Restaurantumfeldhunde, Campingplatzhunde, teure Mode-Rassehunde neureicher Städter, Borreliose-Zeckenträger-Hunde als Thema für hysterische Journalisten, Bukarester Straßen-Wahlkampfhunde und Menschen, die vor die Hunde gehen...

Letzere sind echt, interessieren aber kein Schwein, während die Bukarester Straßenhunde in aller Munde sind, obwohl es sich bei diesen um einen gigantischen Mythos handelt. Denn auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht, als wären die Straßen von herrenlosen, halbverhungerten „Flohtaxis“ überschwemmt, um die sich kein Mensch liebevoll kümmert, überzeugen abgeschnittene Plastikflaschen an Hausecken und Kellereingängen schnell vom Gegenteil. Nicht selten quellen die improvisierten Wasser- und Futternäpfe über vor ungefressenen „boabe“, den im Überfluss hingeworfenen Trockenfutterbröckchen, die da vor sich hin schimmeln. Im Hauseingang der Blocks stolpert man über hingeworfene Essensreste, ausgebreitete Matten und so manchen Hundefloh, der in momentaner Abwesenheit seines Wirtes auch menschliche Haut nicht verschmäht. Die vorübergehende Gastfreundschaft dankt er mit ganz vielen juckenden Bissen, obwohl Hundeflöhe Menschenblut gar nicht vertragen, was der Floh aber erst merkt, wenn es zu spät ist. Der Mensch auch.

Die vielzitierten Straßenhunde sind also eher Wohnblock-Gemeinschaftshunde, um die sich nicht niemand, sondern alle gleichzeitig kümmern, auch wenn keiner konkret die Verantwortung übernehmen will. Wer immer noch nicht überzeugt ist, beobachte: die meisten Straßenhunde sind nicht zu mager, sondern zu dick! Am besten aber geht es Hunden, die vor Schulen und öffentlichen Gebäuden wohnen. Sie profitieren von verschmähten Pausenbroten, wobei sich da einiges zusammenläppern kann. Nicht selten beschnuppert das im Eingang wirkungsvoll mitleidheischend zusammengerollte Fellbällchen das hingehaltene Schnitzel nur gelangweilt, weil vorher schon Passanten mit attraktiverem Menüangebot vorbeikamen.

Wichtig aber sind Straßenhunde vor allem für Medien und Politiker. Erstere füllen mit dem Thema gerne mal ihr Sommerloch, wenn gerade keine toten ungarischen Dichter für Zündstoff sorgen, während letztere sich mit der Ankündigung von Maßnahmen gegen die ach so gefährlichen Hunde profilieren, wenn sie mal wieder ihre wirklichen Probleme nicht lösen können. Dann werden verzerrte Statistiken bedient und vollmundig beschlossen, dass die armen Hunde vor die Hunde gehen müssen. Zugegeben, gebissene Bürger ergeben sensationellere Schlagzeilen als umgefahrene. Umgefahren wird schließlich ständig. Außerdem kann man Autos nicht medienwirksam einsammeln und einschläfern lassen...