Auch der Himmel hat geweint

Kirchenkurator Hans Schaas hat das Zeitliche gesegnet

Foto: George Dumitriu

Fotos: privat


Auch der Himmel hat geweint, als am 16. Juni der beliebte und wohlbekannte Kurator Johann Schaas in Reichesdorf/Richi{ zu Grabe getragen wurde. Es waren nur vier Monate vergangen, seit einer der bedeutendsten Vertreter der sächsischen Gemeinschaft seinen 90. Geburtstag im Kreise seiner Familie und nahestehender Freunde aus aller Welt – sogar aus Deutschland, Österreich und England waren sie angereist – gefeiert hatte. 

Es war ein großer Feiertag gewesen: In der Winterkirche im Pfarrhaus gab es einen ihm gewidmeten Gottesdienst mit beeindruckender Predigt, Gesang und Blasmusik sowie einem Anerkennungspreis seitens der Landeskirche. Der gefeierte „Hansonkel“ war tief beeindruckt und verbarg seine angeborene Bescheidenheit unter einem feinen Lächeln. Er hatte, seiner Meinung nach, nichts anders getan als seine Christenpflicht an seiner Gemeinde und seiner geliebten Kirche. Er ist der vorletzte Überlebende der sächsischen Gemeinde Reichesdorf, aber er hinterlässt ein Erbe, das im Siebenbürgerland einmalig ist: Er hat es geschafft, seine Kirche und Orgel mit englischer Hilfe zu renovieren. Im Dorf ist die englische Stiftung Mihai Eminescu Trust tätig, hier findet alle zwei Jahre ein englisches Literatur-Festival mit internationaler Beteiligung statt. Den Rahmen dazu bietet ein vorzüglich eingerichtetes Gästehaus, das im Pfarr- und Predigerhaus von einer Holländerin betrieben wird, die auch das renovierte Kulturheim betreut. 

 Wer denkt, das sei Hans Schaas alles vom Himmel gefallen, täuscht sich gewaltig. Er hat nach der Wende vor allem lernen müssen umzudenken, und dass in einem ehemals sächsischen Dorf nicht mehr die Sachsen allein das Sagen haben. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er im Dorf vor allem die Landwirtschaft und die Weingärten gerettet, so wie er es selbst auf eigenem Boden vorzeigte. Gemeinsam mit seiner Frau Hanni und seinem selbstgebastelten Traktor galt er als Vorzeigebauer, der alles allein bewältigte. Doch wer hatte sein Können, seine Ausdauer und die Geschicklichkeit eines sächsischen Handwerkers? Es fehlte ihm nicht an Nachahmern. Ständig kamen Menschen vorbei, die von ihm lernen wollten und oft auch längere Zeit blieben, um mit ihm abends ein Schnäpschen zu kippen und seinen „Geschichten“ zu lauschen. Er entpuppte sich als wahrer Dorfchronist. Er hatte viel erlebt und alles im Sinn behalten. Sein Charme und sein Humor brachten ihm zahlreiche Gäste ins Haus, viele wurden zu wahren Freunden; erwähnen wir nur die Österreicher vom Birthälmer Gästehaus „Dornröschen“, die jedes Jahr vorbeikamen, selbst als sie ihre Tätigkeit hier aufgegeben hatten. 

Dass er sogar weltbekannt wurde, hatte er jedoch seiner verehrten Kirche zu verdanken. Nachdem seine Reichesdorfer ausgewandert waren, wurde er unerwartet als letzter Kirchenkurator eingesetzt. Das war eine Herausforderung, die ihm anfangs viel Kopfzerbrechen bereitete. Kein Pfarrer im Ort? Das konnte er nur schwer hinnehmen. Das Pfarrhaus in eine Touristenherberge umwandeln, das ging nicht in seinen sächsischen Dickschädel. Doch bis zuletzt schaffte er auch das.

Es gibt nicht viele Sachsen, die den Umschwung so verstanden und sich darauf eingestellt haben, wie er das getan hat. Sein Glück war diese besondere Kirche im abgelegenen Reichesdorf, die ihn bekannt machen sollte. Schuld daran waren die eigenartigen steinernen Skulpturen an den Innenpfeilern. Es hatte sie schon immer gegeben, diese mit Laub verzierten Masken, aber sie waren übermalt gewesen. Bis sie 1936 bei Renovierungsarbeiten freigelegt wurden, ohne weiter beachtet zu werden. Dann kam die Wende, Schaasenhans wurde Kurator und Kirchenführer und entdeckte seine „grünen Männchen“. Es wunderte ihn nicht wenig, als er bei Besuchern ein immer größeres Interesse an diesen Steinskulpturen entdeckte. Eine Schweizer Studentin erklärte ihm begeistert, dass es sich bei den „grünen Männchen“ um keltische Götter handele. Das war die Bombe! Immer mehr Touristen strömten herbei, ein Rummel ging los, selbst wenn die Kirchenoberen nicht begeistert darüber waren. 

Aber der neue Kurator war nicht aufzuhalten. Er bildete sich weiter und erfuhr immer mehr Neues. Endlich konnte er sich aus dem Schatten der benachbarten Birthälmer Kirchenburg herauswagen und seine Kirche zu einem Anziehungspunkt machen. Er wurde zu einem der beliebtesten Kirchenführer in der siebenbürgische Kirchenburgenlandschaft. Aus aller Welt, sogar aus Amerika, kamen Gäste speziell zu ihm nach Reichesdorf. Über Hans Schaas wurde oft geschrieben, ein Buch und ein Film machten ihn bekannt. Ein überaus reicher Lebens-abend war ihm beschieden. Eine Chance war auch die Holländerin gewesen, die das Pfarrhaus in ein beliebtes Gästehaus umgewandelt hatte, einen Infopunkt einrichtete und dafür sorgte, dass die Glocken geläutet wurden und die Turmuhr auch weiterhin die Zeit bestimmte. Was alles in seinem Sinn geschah!

Die nächsten Touristen werden ver-gebens nach dem beliebten Kirchenführer fragen. Aber vergessen wird er nie, der einmalige Dorfchronist von Reichesdorf. Er wird in der Reichesdorfer Geschichte einen Ehrenplatz einnehmen, denn Hans und Hanni Schaas werden in der Erinnerung als Familie weiterleben!