Aus anderer Position mitreden können

ADZ-Interview mit Bürgermeister Klaus Johannis über seinen Beitritt zur PNL (Teil I)

Crin Antonescu und Klaus Johannis auf der gemeinsamen Pressekonferenz, bei der vorigen Mittwoch der Beitritt von Johannis zur PNL bekannt gegeben wurde. Foto: Agerpres

In Rumänien bekleidet erstmals ein „ethnischer Deutscher” eine hohe politische Führungsposition, war in den Medien in Deutschland zu lesen. Mitgeteilt wurde, dass die mitregierende Nationalliberale Partei (PNL) den Siebenbürger Sachsen Klaus Johannis zu ihrem Ersten Stellvertretenden Vorsitzenden gewählt hat. „Er ist Bürgermeister der Stadt Sibiu/Hermannstadt und gilt als einer der erfolgreichsten Rathauschefs des Landes”, so die dpa-Meldung weiter. Eine Sensation war die Beitrittserklärung des Vorsitzenden des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR) zur PNL am vergangenen Mittwoch in der rumänischen Politszene, die verstärkt wurde durch die Wahl von Johannis im außerordentlichen PNL-Kongress zur Nummer Zwei in der Partei. Über den „Übertritt“ von Hermannstadts Bürgermeister in die „große“ Politik und die in diesem Zusammenhang geäußerten Kommentare sprach mit Klaus Johannis ADZ-Redakteurin Hannelore Baier. Das Interview wird in zwei Folgen abgedruckt.   

Das Liebäugeln mit der Landespolitik ist in Ihrem Fall nichts Neues, warum aber erfolgte jetzt der Schritt in ein Spitzenamt einer politischen Partei?

Es ist sicher gut, den ADZ-Lesern mitzuteilen, warum ich diesen Schritt jetzt und warum ich den Schritt dorthin getan habe, also in die Nationalliberale Partei. Mit der Nationalliberalen Partei habe ich schon früher zusammengearbeitet. In den letzten Legislaturen kamen die Vizebürgermeister immer aus der PNL, obzwar diese Partei so viele Stadträte gar nicht hatte.

Andererseits können wir uns – einige mit Stolz – an das Jahr 2007 erinnern: Damals war ebenfalls eine PNL-Regierung im Amt, mit der wir sehr gut im Rahmen des Projektes Hermannstadt – Europäische Kulturhauptstadt zusammengearbeitet haben. Das Projekt war evident ein Erfolg und dazu hat sicher in wesentlichen Teilen die gute Kooperation mit der damaligen Regierung von Premier Tăriceanu beigetragen.

Ein anderer wichtiger Moment, in dem diese Zusammenarbeit mehr als evident war, war Herbst 2009, als Crin Antonescu, auch damals in seiner Position als Vorsitzender der PNL, mich als Premierminister vorgeschlagen hatte, was dann nicht zustande gekommen ist aus Gründen, auf die wir jetzt nicht eingehen. Ich hatte ihn dann im Wahlkampf für die Präsidentschaft Rumäniens unterstützt und unsere Beziehungen sind über die Jahre nicht schlechter, sondern besser geworden.

All dies beantwortet die Frage noch nicht, wieso der Schritt in die PNL-Mitgliedschaft und wieso jetzt. Der konkrete Anlass zu diesem Schritt ist eine Einladung gewesen, ausgesprochen vom PNL-Vorsitzenden Crin Antonescu. Das erste Gespräch, in dem er mich eingeladen hat, seiner Mannschaft beizutreten und eine Führungsposition in der Liberalen Partei anzustreben, erfolgte vor einigen Wochen.

Es war von Anfang an nicht die Rede davon, dass ich erst Mitglied werde und dann sehen wir weiter, sondern meine Mitgliedschaft war mit einem Amt verbunden, aus dem heraus ich ihn konkret unterstütze. Das habe ich als Einladung zur Kenntnis genommen, mir eine Bedenkzeit ausgebeten, mir alles reiflich überlegt und mit Vorstandsmitgliedern des Deutschen Forums in Einzelgesprächen auch besprochen. Wir haben es so lange besprochen, bis wir jeder des anderen Standpunkt kannten und dann habe ich zugesagt. Das Resultat: Ich wurde am Mittwoch effektiv Mitglied der PNL und am Samstag zum Ersten Stellvertretenden Vorsitzenden gewählt.

Dieser Schritt in die Landespolitik hat aber auch andere Ursachen. Es stehen Veränderungen bevor, die die Politik und auch die Verwaltung in Rumänien für wahrscheinlich mehrere Jahrzehnte prägen werden, und ich habe mich nicht wohlgefühlt in der Position, die ich hatte, und aus der heraus ich in diesen Sachen nicht wirklich mitreden konnte. Von daher hat es mir durchaus gepasst, diesen Schritt zu tun.

Ich denke es ist gut und auch wichtig, für Hermannstadt und für das Forum, dass jetzt jemand von dort eine Position innehat, aus der heraus man doch eine ganz andere Lobby-Arbeit leisten kann, als aus der Position des „nur“ Hermannstädter Bürgermeisters. Das waren die wesentlichen Beweggründe. Es waren auch andere Gedanken, die mir durch den Kopf gegangen sind, aber das war die Essenz von dem, was zu überlegen war und zu diesem Schritt geführt hat.   

Warum haben Sie ein Amt in einer Partei angenommen und die bisherigen Ministerposten ausgeschlagen?

Ich möchte aus Hermannstadt nicht weggehen. Sinn der Sache war nicht, nach Bukarest zu gehen, sondern einen Schritt in eine Richtung zu tun, die es mir ermöglicht, in Hermannstadt zu bleiben. Ich möchte durch diesen politischen Schritt weder Hermannstadt noch das Rathaus aufgeben. Das politische Amt, das ich jetzt angenommen habe, erlaubt es mir in Hermannstadt zu bleiben, was mit einem Ministeramt nicht kompatibel gewesen wäre.

Hat die Tatsache, dass Martin Bottesch nicht mehr Kreisratsvorsitzender ist, zur Überlegung und dem Entschluss, der PNL beizutreten, beigetragen?

Solange Martin Bottesch Kreisratsvorsitzender war, hatten wir gemeinsam eine sehr starke Position auch in der rumänischen Landespolitik. Dadurch, dass er dann nicht wiedergewählt wurde, ist unsere Position als Deutsches Forum natürlich schwächer geworden, da müssen wir uns nichts vormachen. Diese Tatsache hat zu meinen Überlegungen sicher auch etwas beigetragen.  

Welches sind nun die Aufgaben des Ersten Stellvertretenden Vorsitzenden der PNL beziehungsweise kann man deren Erfüllung von Hermannstadt aus gewährleisten?

Was ich in der Führung der Nationalliberalen Partei tun soll, kann man nicht unmittelbar aus Hermannstadt leisten. Meine Bitte war von Anfang an, an dieses Amt des Ersten Stellvertreters nicht administrative oder Koordinierungsaufgaben zu binden, die viel Zeit in Bukarest erfordern. Das hat man akzeptiert, dennoch werde ich ganz sicher ein- oder mehrmals pro Woche in Bukarest sein, um dieses Amt wahrnehmen zu können.

Im Prinzip ist der Erste Stellvertreter des Vorsitzenden jemand, der interimistisch den Vorsitzenden vertritt, wenn dieser aus ganz diversen Gründen nicht anwesend sein kann. Er kann vom Vorsitzenden aber auch jede beliebige Aufgabe delegiert bekommen. Von daher werden wir mit Crin Antonescu sehr eng zusammenarbeiten, damit das, was ich tun werde, für die Liberale Partei Sinn macht und der Mannschaft weiter hilft.

Wir müssen uns dessen bewusst sein, dass der Wahlkampf für die Präsidentschaft Rumäniens de facto in Politikerkreisen läuft und bis 2014 ist es nicht mehr sehr lang. Es werden also wahrscheinlich viele Gelegenheiten da sein, in denen Antonescu sich als zukünftiger Präsidentschaftskandidat bekannt machen muss und ich dann wahrscheinlich auf der anderen Seite einige Aufgaben des Vorsitzenden übernehmen werde.  

War es nicht verfrüht, die Bereitschaft zu erklären, 2014 für das höchste Amt in der PNL kandidieren zu wollen, sollte Antonescu zum Staatspräsidenten gewählt werden?

Ich habe nicht gesagt, dass ich kandidieren möchte, sondern gesagt, wenn es denn gewünscht wird, bin ich bereit, darüber zu sprechen. Ob es dann so weit kommt, dass ich als Erster Stellvertreter des Vorsitzenden der PNL einen Anspruch auf den Vorsitz der Nationalliberalen Partei anmelde, das wird sich alles noch zeigen.

Die Ereignisse sind einige Tage alt, wir müssen abwarten und sehen, wie ich überhaupt mit der Mannschaft zusammenarbeiten werde, wie mich die PNL annimmt, wie die Sachen laufen werden, auch mit der Kandidatur für die Präsidentschaft. Es sind noch so viele Unbekannte, dass man jetzt schlecht sagen kann: Ich möchte dann den Vorsitz. Ich denke aber, es ist korrekt zu sagen, ja, wenn die Sprache darauf kommt, möchte ich mitreden. Das heißt aber nicht, dass ich das unbedingt auch sein werde.

Sie wurden mit offenen Armen empfangen und begrüßt – aber wie viel Ehrlichkeit steckt dahinter, beziehungsweise wie lange wird die Begeisterung der Kollegen bestehen bleiben angesichts der Tatsache, dass jetzt noch ein Konkurrent für den Parteivorsitz da ist?

Ich denke, da muss man die Sachen auseinanderhalten. Ich bin extrem gut aufgenommen worden, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich habe während der zwei Tage des Kongresses mit Hunderten Leuten auf den Gängen des Parlamentes gesprochen. Ausnahmslos alle haben mich beglückwünscht und gesagt, dass sie meinen Schritt sehr gut finden. Ich habe mit unzähligen Leuten Fotos und Gruppenfotos gemacht und das sind Leute, die keinen Grund haben, mir etwas vorzuspielen.

Ich denke, dass ich auch bei den Kollegen, die in der Parteispitze sind und unter Umständen ein Konkurrenzgefühl entwickeln könnten, sehr gut angekommen bin. Ich habe von Anfang an gesagt, ich komme nicht in die Liberale Partei, um jemandem sein Amt wegzunehmen, sondern ich komme in die PNL, um die Führung zu stärken. Ich denke, das haben die weitaus meisten so auch verstanden. Ich kann natürlich nicht ausschließen, dass einige unzufrieden waren, aber sie haben es mir nicht gesagt, und wenn sie unzufrieden sind, ist das letztendlich auch ihr gutes Recht.

Sind Sie nun Bürgermeister vonseiten des Deutschen Forums oder der PNL in Hermannstadt?

Ich bin als Forumsvertreter gewählt worden und sehe mich weiter als Bürgermeister vonseiten des Deutschen Forums von Hermannstadt. Ich werde den Vorsitz des DFDR aufgeben, aber keinesfalls meine Mitgliedschaft im Deutschen Forum. Ich werde keinesfalls eine andere Beziehung zu den Forums-Stadträten haben als bisher. Ich werde keinesfalls meine Einstellung zu der Stadt ändern und auch nicht zu den Mitarbeitern im Rathaus. Ich sehe keinen Grund, warum jetzt etwas anders laufen sollte und von daher bleibe ich – solange ich da bleibe – Forums-Bürgermeister der Stadt Hermannstadt.

Werden Sie 2016 für die PNL oder für das Deutsche Forum für ein weiteres Mandat als Bürgermeister kandidieren?

Ich denke, da sind noch so viele Unbekannte auf dem Weg bis 2016, dass wir es lieber abwarten sollten.

Wieso übt die PNL solche Anziehungskraft auf die ansonsten konservativen Sachsen aus? Eines der Gründungsmitglieder des Deutschen Forums, Dr. Hermann Fabini, war bekanntlich eine Legislaturperiode lang Senator der PNL?

So schwierig ist das gar nicht zu verstehen: Es ist so, dass die Grundwerte der Liberalen Partei stark den Werten ähneln, die wir als Grundwerte des demokratischen Systems betrachten. Die Grundsätze des Deutschen Forums und die der Liberalen sind nicht identisch, aber es gibt gemeinsame Punkte, speziell in Fragen des allgemeinen Menschenrechts, des Eigentums, der Dezentralisierung, die sowohl uns, als auch die Liberale Partei beschäftigen und wo die Antworten und die Herangehensweise sehr ähnlich sind.