Banater auf ungarndeutschen Lehrpfaden

Kontakte zu den Schwaben in Baja und Feked wurden geknüpft

Auf dem Hof des Ungarndeutschen Bildungszentrums Baja empfing Alfred Manz die Banater, um mit ihnen die Ulmer Schachtel und den Landeslehrpfad zu besichtigen.

Nach einem Gruppenbild im Hof des Fekeder Heimatmuseums ging es auf zum örtlichen ungarndeutschen Lehrpfad.(v.l.n.r.: Zoltán Schmidt, Ana Kremm, Mihai Farca, Andreas Kappel, Sigrid Kuhn, Corina Malatcov, Erna Toth, Ramona Roosz-Suba, Dietlinde Huhn, Monica Ernst, Peter Tillmann) Fotos: die Verfasserin

Margit Becker zeigte nicht nur das Fekeder Heimatmuseum, sondern führte beispielsweise auch vor, wie Babys in Tragetücher gewickelt wurden.

Es gibt Haltepunkte an den Lehrpfaden für alle Sinne: In Feked kann man beispielsweise die im Ort gedeihenden Obstsorten an dieser Station erschnuppern.

Ein Merkmal für die Badesecker ist ihr Sodawasser, wie es an der 6. Station des Lehrpfades zu erkennen ist.

In Baja war abseits der Stadtführung und des ungarndeutschen Lehrpfades die Besichtigung der Schiffsmühle an dem Sugovica-Donaunebenarm ein Erlebnis an sich, das Hans Glasenhardt ermöglichte.

Das Demokratische Forum der Deutschen aus Großsanktnikolaus/Sânnicolau Mare organisierte in enger Zusammenarbeit mit der Reiseleiterin Ramona Lambing aus Temeswar Mitte April eine Erkundungs- und Kennenlernreise in Südungarn. Ziel war es, das Projekt der ungarndeutschen Lehrpfade kennenzulernen und neue Kontakte zu Vertretern der Ungarndeutschen in der Region zu knüpfen. Trotz vorangegangener Onlinerecherche und guter Vorkenntnisse entpuppte sich die Reise als äußerst bereichernd. 

Der erste Halt wurde beim Ungarndeutschen Bildungszentrum in Baja gemacht, wo die Gruppe aus Lehrern und Forumsmitgliedern von Alfred Manz empfangen wurde. Der 62-jährige Gymnasiallehrer stammt aus Almasch/Bácsalmás, aus einer aus der Südbatschka vertriebenen Bauernfamilie. Er studierte Deutsch und Mathematik in Fünfkirchen/Pécs und Szegedin. Zurzeit ist er am ungarndeutschen Bildungszentrum in Baja Lehrer für deutsche Sprache und Literatur und ungarndeutsche Landeskunde. Seit 2019 leitet er den Bildungsausschuss der ungarndeutschen Landesselbstverwaltung (LdU), ist als Autor und seit 2005 als Schriftleiter der deutschsprachigen Regionalzeitung „Batschkaer Spuren“ tätig.

Alfred Manz ist im Jahr 2022 für seine Verdienste für die Ungarndeutschen mit dem Jakob-Bleyer-Preis der Jakob-Bleyer-Gemeinschaft ausgezeichnet worden, er ist Träger der Ehrennadel in Gold für das Ungarndeutschtum und bekam im Dezember 2022 vom Stadtrat der Selbstverwaltung Baja die Auszeichnung „Für die Nationalitäten der Stadt Baja“. Seine Muttersprache ist die Hodschager deutsche Mundart, die bis zum heutigen Tag als Verkehrssprache in der Familie gilt. Als Projektleiter beim Bau der Ulmer Schachtel beim Bajaer Bildungszentrum, die als Landesdenkmal der Ansiedlung der Ungarndeutschen gilt, und als Mitglied der Arbeitsgruppe für die Errichtung des Landeslehrpfades der Ungarndeutschen in Baja ist er wohl eine der qualifiziertesten Personen, um die Führung zu übernehmen. Die Besichtigung des Landeslehrpfades führte die Banater Gruppe in die Vergangenheit und Gegenwart der Ungarndeutschen, deren Schicksal sich mit jenem der Banater und Sathmarer Schwaben in manchen Punkten überschneidet. In knapp zwei Stunden wurde die Ulmer Schachtel besichtigt, mit allen damit verbundenen technischen und historischen Details, sowie die acht Stationen des Lehrpfades, der die Gemeinschaftsbildung als Leitmotiv führt.
Die Reise nach Baja brachte auch das Treffen mit dem Vorsitzendes der deutschen Selbstverwaltung des Komitats Bács-Kiskun Hans Glasenhardt mit sich, dessen Mutter aus dem Banat (Detta) stammt. Er führte die Banater Landsleute durch die Innenstadt und erklärte die Ortsgeschichte. Als besondere Sehenswürdigkeiten galt es, die jüdische Synagoge zu besuchen, dann eine nachgebaute Schiffsmühle auf dem Sugovica-Nebenarm der Donau sowie die Promenade hin zur Donau, wo das Türr-István-Denkmal steht und von wo aus man einen herrlichen Blick auf das Landschaftsschutzgebiet Gemenc hat. Auf dem Hauptplatz von Baja endete die rund fünf Stunden lange, erkenntnisreiche Besichtigungstour.  Am nächsten Tag des zweitägigen Ausflugs gelangte die Banater Gruppe unter der Leitung von Dietlinde Huhn in Badeseck/Bátaszék an, zur Besichtigung des dortigen Lehrpfades. Schon von Weitem war die imposante, hohe neugotische Liebfrauenkirche zu sehen, um die herum die sieben Stationen über die ungarndeutsche Gemeinschaft der Badesecker in der Schwäbischen Türkei stehen. Jede Station hatte – wie in Baja – eine Installation, die zur Interaktion und zum Erkunden beitrug: Anhand von Fußspuren Tanzschritte üben, mittels eines Schiebepuzzles die alte Kapelle aus dem entvölkerten Außenbezirk Dolinge herstellen oder Bilder aus Würfeln bilden. Wenn in Baja die nachgebaute Ulmer Schachtel unübersehbar ist, so ist das Herzlich-Willkommen-Herz in Badeseck ein solcher Attraktionspunkt, um sich damit fotografieren zu lassen – und im Inneren eine tragische Liebesgeschichte aus dem Ort zu entdecken. 

Noch am selben Vormittag suchte man das 200-Seelendorf Feked in der Mitte zwischen Baja und Fünfkirchen auf. Bei herrlichem Sonnenschein fielen den Besuchern gleich die schöne Architektur und die gut erhaltenen Häuser auf, die die Hauptstraße säumen. Und dass die Fekeder viel darauf halten, dass Feked ein ungarndeutsches Dorf ist, ist bereits am Ortsschild zu erkennen, das zunächst auf Deutsch und dann erst auf Ungarisch grüßt. Ein Kleinod der ungarndeutschen Baukultur – so nennen die Fekeder ihr Heimatmuseum, das direkt gegenüber von Kirche und Bürgermeisteramt steht. Es zeigt die Lebensform der ungarndeutschen Vorfahren, die dörfliche Lebensweise der Schwaben, ihre Gebrauchsgegenstände, ihre Alltags- und Festtagstrachten, sowie ihre Koch-, Ess- und sonstige Gewohnheiten. 

Die Banater Gruppe wurde in einem ihr gar nicht mal so fremd klingenden Dialekt von Margit Becker empfangen und durch die Stuben geführt, deren Einrichtung ihnen ebenso bekannt vorkam wie die Mundart. Bei Kleidung und manchen Gegenständen wurden dann bald die Unterschiede zum Bekannten aus dem Banat unterstrichen, keine Frage blieb unbeantwortet. Im hinteren Teil des Hauses, in einer Werkstatt, ging es zur nächsten Besichtigung: Ein weiterer als Museum eingerichteter Raum ist der Klumpenherstellung gewidmet. Die Besucher können sowohl an Informationstafeln ablesen und an Bilder sehen, wie sich das Holzschuhwerk entwickelt hat, Kinder können aus Holzteilen einen Schuh als 3D-Puzzle zusammenstellen und einige Paare stehen sogar zum Anprobieren bereit, währen ein Videofilm den letzten Handwerker zeigt, wie er die Holzklumpen herstellte. Mit Réka Peck hatte man hier eine freundliche, wenn auch etwas schüchterne orts- und fachkundige Führung.

Es folgte die Begrüßung durch den Bürgermeister Peter Tillmann und den Leiter des LdU-Regionalbüros aus Fünfkirchen, Zoltán Schmidt, der selbst aus Feked stammt. Letzter übernahm nebst Réka Peck auch größtenteils die Führung entlang des Lehrpfades. Das Leitmotiv des thematischen Weges, der 2018 in Feked fertiggestellt wurde, ist das Holz. Rund zwei Stunden wanderte die Gruppe durch den Ort und entdeckte ihn Station um Station, hauptsächlich im 1985 in freiwilliger gemeinschaftlicher Arbeit angelegten Park zum 260. Jahrestag der Gemeinde – von den Wurzeln zum Hausbau, vom Räuchern der Stifolder Wurst bis hin zu einer 300 Jahre alten Holzdeckelbibel in der Kirche und der alten Dorflinde dahinter, die noch älter als die Ansiedlung der Ungarndeutschen ist. 

Dabei konnte immer wieder gesehen werden, wie das Alte durch Denkmäler lebendig gehalten wird, sei es das Standbild Otto von Habsburgs, das Russlanddeportiertendenkmal oder die offensichtlich schön in Stand gehaltenen Fassaden der alten, schmucken, teils sehr groß angelegten Häuser, aber auch Neues zur Attraktion wird: Spielplatz, das Fekeder Stifolder-Fest, die 2022 fertiggestellte Wandmalerei in der Kirche, die im ehemaligen Pfarrhaus eingerichtete Touristenherberge, die Wanderwege um den Ort oder die zum Bürgermeisteramt umgestaltete Schule.

 Zu Mittag gab es hausgemachtes Pörkölt, ein Lammgulasch von einer ortseigenen Schafsrasse, die noch von den einstigen Siedlern aus der Region um Fulda mitgebracht worden sei. Gastgeber war der Bürgermeister Peter Tillmann, der versprach, womöglich schon zum Erntedankfest einen Gegenbesuch in Großsanktnikolaus mit der Fekeder Tanzgruppe zu unternehmen. Am Ende der Reise zeigte sich Dietlinde Huhn als Initiatorin der Reise zufrieden und hoffnungsvoll sowohl in Hinsicht auf die neuen Kontakte, als auch diesbezüglich, dass das Nachahmenswerte an den ungarndeutschen Lehrpfaden im Banat einen Niederschlag fände.

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