Berufsschulen sind da – nur die Schüler fehlen

ADZ-Gespräch mit Peter Hochmuth, Vorsitzender des Deutschsprachigen Wirtschaftsclubs Banat (DWC)

Peter Hochmuth, der Vorsitzende des Deutschsprachigen Wirtschaftsclubs Banat
Foto: Zoltán Pázmány

Kurz vor Schulbeginn bietet das duale Bildungssystem in Temeswar/Timişoara rund 80 Plätze für Schüler an, die eine Ausbildung in den Top-Unternehmen der Stadt machen können. Zahlreiche Plätze, wenig Interessenten – denn das größte Problem der Initiatoren ist, das Interesse von Jugendlichen diesbezüglich zu wecken. Peter Hochmuth, Vorsitzender des Deutschsprachigen Wirtschaftsclubs (DWC) in Temeswar/Timişoara, sprach mit der ADZ-Redakteurin Andreea Oance über die Voraussetzungen dieses Systems.

Ein Pakt wurde vor Kurzem zwischen dem Deutschen Wirtschaftsclub, dem Temescher Schulamt und dem Temeswarer Bürgermeisteramt geschlossen. Warum war ein solcher Pakt notwendig?

Der Deutsche Wirtschaftsclub im Banat versucht schon seit zwei Jahren, dieses Berufsschulenprojekt in Temeswar umzusetzen. Wir sind eigentlich keine öffentliche Einrichtung, wir sind ja ein privater Verein und haben so natürlich kaum Möglichkeiten, etwas durchzusetzen. Wir können anschieben, Lobbyarbeit machen, aber wir haben keine formale Autorität. Wir arbeiten aber seit dem Beginn des Projekts gut mit dem Schulamt sowie mit dem Rathaus zusammen. Ein wichtiger Grund war also, diesen Pakt zu machen. Ein weiterer wichtiger Grund war auch, diesen Pakt als PR-Maßnahme zu nutzen und unser Projekt zu fördern.

Wir haben nämlich nach zwei Jahren vieles erreicht: Wir haben mittlerweile zwei Schulen und eine Reihe anderer, die ihre Bereitschaft mitzumachen, angesagt haben. Wir haben genügend Firmen, die Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, wir haben die Unterstützung seitens der Behörden, vom Schulamt bis zum Ministerium, jedoch haben wir nicht genügend Schüler. Wir müssen nun die Leute erreichen und die Vorteile dieses Systems zeigen. Wir könnten zu Schulbeginn etwa 80 Plätze zur Verfügung stellen – ungefähr 50 im Bereich der Elektrik und Elektromechanik und fast 30 Berufskaufleute, doch wir können diese Plätze nicht füllen.

Wie kann man aber Schüler und Eltern von diesem Angebot überzeugen?

Es fanden verschiedene Veranstaltungen statt und wir haben Schüler angesprochen. Wir wussten, dass es nicht einfach ist, weil hier im Land anscheinend die Mentalität ist, jeder muss Abitur machen und studieren. Fakt ist, dass alle das Abitur sowieso nicht schaffen und auch die, die es schaffen und studieren, die kommen teilweise mit Abschlüssen zu Firmen, die keiner brauchen kann. Das ist zwar auf der einen Seite den Leuten bewusst, andererseits wird unser Angebot nicht angenommen. Berufsschule hat einen schlechten Ruf hier. Wir wollen das duale System nach deutschem Modell machen, deshalb soll es auch etwas anderes sein, als bis jetzt angeboten wurde, und gleichzeitig auch eine Alternative zum Studium.

Jeder kann sich nach seiner eigenen Vorstellung eine Firma aussuchen. Es wird keiner gezwungen, eine Ausbildung zu machen, die er nicht möchte. Die verschiedenartigsten Firmen bieten Ausbildungsplätze an: Wenn einer Elektriker werden möchte, der kann zum Beispiel zu Hella oder zu Dräxlmaier gehen. Deshalb haben wir das Projekt mit Firmen aus Deutschland angefangen, sie kennen eben das System von Zuhause. Sie wissen, dass sie diese Leute brauchen, und haben auch kein Problem, Leute zu fördern.

Wie verhalten sich die Schulen bezüglich des Projektes? Möchten sie mitmachen oder weigern sie sich, Teil eines solchen Systems zu sein, um sicher zu gehen, dass keiner der Lehrer an der Schule um seine Stelle fürchten muss?

Es ist auch ein Problem, dass die Schulen versuchen, dieses Projekt teilweise zu blockieren. Die befürchten, wenn ihre Schüler weggehen, dann werden sie auch ein geringeres Budget bekommen – denn dieses wird anscheinend pro Kopf vergeben. Aber das ist ein kurzfristiges Denken. Das Projekt wird sich durchsetzten. Was sollen denn die Jugendlichen machen, die kein Abitur oder ein schlechtes Abi haben? Es ist eine Frage der Zeit, bis dieses System erfolgreich startet. Viele gehen heute direkt nach dem Abschluss zum Arbeitsamt und melden sich arbeitslos. Eigentlich ist das Niveau der Arbeitslosigkeit hier in Temeswar sehr niedrig. Meine Kollegen sagen immer, dass es ihnen schwer fällt, Leute zu finden: Sie brauchen qualifizierte Leute. Auch wenn sie als Unqualifizierte eine Stelle kriegen, dann bekommen sie nur etwas mehr als den geregelten Mindestlohn.

Als wir die Veranstaltung im Barockpalais für die Vorstellung unseres Projektes machten, haben wir Schulen gebeten, uns mindestens zehn Schüler zu schicken. Die haben uns Schüler geschickt, die alle studieren wollen. Sie haben uns nicht die geschickt, für die dieses Programm in Frage kommt. Ich habe manchmal das Gefühl, unsere Initiative wird boykottiert.

Anfang der 90er Jahre wurde bereits ein ähnliches System in Westrumänien ins Leben gerufen. Welches ist eigentlich der Unterschied zur dualen Bildung, die die Deutsch-Rumänische Stiftung anbietet?

Dieses System funktioniert immer noch. Herr Cernei (Anm. d. Red.: Stiftungsdirektor Nicolae Cernei) ist Mitglied bei uns im Wirtschaftsclub. Er hat es damals auch versucht und ist an der Mentalität gescheitert. Nun hat er sich auf Erwachsenenbildung fokussiert. Er macht im Prinzip das Gleiche wie ein duales System, aber für Erwachsene. Wir wenden uns an Jugendliche. In Rumänien ist es mit der Gesetzgebung nicht so einfach. In Deutschland oder Österreich wird nicht aufs Alter geschaut. Man kann immer eine Lehre machen. Hier, wenn sie über 18 sind, dürfen sie sich an einer normalen Schule nicht mehr einschreiben. Für besondere Ausbildungen müssen sie extra bezahlen.

Die Schüler der dualen Bildung bekommen auch ein Stipendium seitens des Programms. Schon ab dem ersten Monat bekommen sie 200 Lei von den jeweiligen Unternehmen und 200 Lei vom Staat. So kann ein 16-Jähriger 400 Lei im Monat verdienen. Dabei gibt es auch die Möglichkeit, dass er nach der Ausbildung in der Firma angestellt wird. Unser System soll auch die Gesetze in dieser Hinsicht ändern. Erstens versuchen wir, durch diesen ersten Schritt die duale Bildung zu fördern, weiter werden wir Lobbying bei der Regierung machen, dass die Gesetze flexibler gestaltet werden.

Haben die Erwartungen der Unternehmer bezüglich der Regierung einen finanziellen oder einen legislativen Hintergrund?

Wir sind zufrieden, wenn monatlich 200 Lei Förderung pro Kandidat vom Staat kommt. Natürlich müssen auch die Schulen ausgestattet werden, aber dafür gibt es die Zusammenarbeit mit der Kommunalverwaltung. Der Bürgermeister kümmert sich auch darum, dass die Schulen, die Teil des Projektes sind, mit entsprechendem Budget versorgt werden. Wir möchten nur, dass die Regierung die Gesetze anpasst. Es gibt eine ganze Reihe von Gesetzeshindernissen. Ein 16-Jähriger in Rumänien darf nur sechs Stunden am Tag in die Schule oder in einen Betrieb gehen – doch in der Disco darf er bis zum Morgenlicht bleiben. Auch der Lehrplan ist sehr straff. Die Schulen versuchen, die Lehrpläne, wo es geht, an die Berufsausbildung anzupassen, aber sie müssen sich an die Gesetze halten.

Ein Auszubildender ist in Deutschland viel mehr in der Firma integriert. Das Duale bedeutet, dass die Schulen mit den Firmen sehr eng zusammenarbeiten – Theorie und Praxis sollen in dieselbe Richtung gehen. Die Ausbildung soll Hand in Hand mit den Veränderungen und der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt gehen. Es gibt auch nämlich einen Grund, wieso die Schweiz, Deutschland und Österreich so einen wirtschaftlichen Status haben. Weil die Unternehmen dort immer die richtigen Fachleute haben. Wenn sich die Technologie oder die Arbeitsprozesse ändern, gehen die Schulen sofort mit. Hier ist eine solche Vorgehensweise leider verloren gegangen.

Es gibt ein ähnliches duales Bildungssystem in Kronstadt/Braşov. Dieses wurde auch vom Deutschen Wirtschaftsclub vor Ort eingeführt. Wie funktioniert dort das System?

Im Prinzip machen sie das Gleiche. Sie versuchen im Rahmen der Gesetze hier, die noch unflexibel sind, in Richtung deutsches System zu gehen. Die haben eine Schule bekommen, wo diese Ausbildung gemacht wird. Drei große Firmen sind Teil dieses Systems. Jede Firma nimmt ein bis zwei Klassen. Wir versuchen es mit zehn, elf Firmen. Sie haben in Kronstadt auch ein Jahr früher als wir begonnen. Ich bin neugierig, wie sie es geschafft haben. Wir werden von ihnen noch ein Paar Tricks lernen. Bei uns war anfangs das Problem mit den Schulen, doch nun ist es kompliziert, an die Jugendlichen heranzukommen. Wir stehen aber den Eltern und Jugendlichen zur Verfügung und können auf Fragen antworten. Es gibt auch eine Webseite www.scoaladualatm.com, wo Infos abgerufen werden können.