Brücken schlagen über ethnische und Ritusgrenzen hinweg

ADZ-Gespräch mit Eduard Dobre, Geschäftsführer und Zentralsekretär vom Kolpingverband Rumänien

Eduard Dobre, Geschäftsführer und Zentralsekretär des Verbands Kolping Rumänien.

Die Geschichte der katholischen Gesellenvereine auf dem heutigen Gebiet Rumäniens ist noch weitgehend unerforscht. Man weiß von einem 1858 entstandenen Verein in Kronstadt, später in weiteren Orten Siebenbürgens. Für das Banat kann in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg lediglich die Gründung eines katholischen Gesellenvereins 1859 nachgewiesen werden: Der Verein nannte sich Temesvr-gyrvrosi röm.-kath. Legnyegylet (römisch-katholischer Gesellenverein aus Temeswar-Fabrikstadt). Ab den 1880er Jahren entstanden mehrere katholische Gesellenvereine in verschiedenen Städten im Raum Sathmar. 1927 entstand ein Zentralverband in Großwardein, mit Paul Oswald und Dr. Andrei Lestyan als Direktor bzw. Vorsitzender des Verbandes. Einigen Quellen zufolge soll es in den dreißiger Jahren um die 40 Vereine gegeben haben. 1948 erschien ein Beschluss der rumänischen Behörden, alle „römisch-katholischen religiösen Vereine aufzulösen.

Ein römisch-katholischer Priester aus Wien, Alfred Weiss, kam 1990 mit Hilfsgütertransporten ins siebenbürgische Scholten/Cenade und vermittelte daselbst auch Hilfe zum Bau des Kindergartens. Der dortige evangelische Pfarrer Johann Schaser meinte, er könne doch in Rumänien mit der Kolpingarbeit beginnen. Das tat Priester Alfred Weiss dann auch, mit Unterstützung des Internationalen Kolpingwerkes Köln.

Seit 1991 wurden dann wieder Kolpingfamilien in Rumänien gegründet, die sich aktiv am Neuaufbau der sozialen und wirtschaftlichen Strukturen beteiligten. Derzeit gibt es 77 Vereine mit knapp 2400 Mitgliedern. Es gibt aktive Vereine, aber auch solche, deren Mitglieder nur noch „pro forma zum Verein gehören. Aber im Vereinsleben ist man das gewohnt, es gibt zyklische Auf- und Abwärtsbewegungen. Über das Kolpingwerk Rumänien sprach ADZ-Redakteur Werner Kremm mit Eduard Dobre, dem Geschäftsführer und Zentralsekretär des Verbands.


Welchen juristischen Status hat Kolping Rumänien heute?

Kolping ist ein Verband katholischer Laien, mit demokratischen Strukturen, gegründet mit bischöflicher Zustimmung. Laien können sich innerhalb der Pfarrei zu einem Verein konstituieren und gemäß Satzung die Vorstandsmitglieder wählen. Der Ortspfarrer kann die geistliche Leitung des Vereins übernehmen, wenn er es wünscht. Die Mitglieder können den Verein als juristische Person registrieren lassen.

Jeder Verein kann selbstständig und eigenverantwortlich bestimmen, welche Aktivitäten für und mit seinen Mitgliedern geplant und umgesetzt werden, solange sie dem Profil des Verbandes entsprechen. „Die Nöte der Zeit werden euch lehren, was zu tun ist“, sagte Adolph Kolping.

Hat Kolping Rumänien Besonderheiten?

Eine Besonderheit des Rumänischen Kolpingwerks besteht in seiner Integrationsleistung. Kolping schafft nicht nur Verbindungen zwischen verschiedenen Nationalitäten, sondern auch unter den Konfessionen. Im Rahmen der Aktionen arbeiten Menschen miteinander, die aus ungarisch und rumänisch geprägten Kolpingfamilien, aus römisch-katholischen oder griechisch-katholischen Pfarrgemeinden stammen, oder griechisch-orthodox sind.

Kolping Rumänien macht viel Jugendarbeit…

Sie ist wichtig bei uns: zum Beispiel Ferienlager für finanzschwache Familien, „Workcamps“ – also gemeinnützige Arbeitseinsätze, internationale Jugendtreffen zu verschiedenen Themen...

Vielfältig ist aber auch die Erwachsenenbildung: Familienwochen, Seniorenausflüge, Sportveranstaltungen, Gulaschfestivals, Pilgertage, Hilfsaktionen für Bedürftige, Umweltsanierungseinsätze und vieles mehr.
Hauptziele sind inzwischen Bildungsarbeit und der Aufbau von Bildungs- und Sozialeinrichtungen. Durch Projektarbeit wird Berufsbildung sowie die Förderung von kleinen und mittelständischen Betrieben vorangetrieben.

Kolping wurde bekannt als Organisation, die viel auf Begegnung setzt, im Sinne von „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“ (Martin Buber)…

Die persönliche Begegnung von Mensch zu Mensch und die Zusammenarbeit für ein gemeinsames Ziel sind uns wichtig – nicht nur mit Mitgliedern der Kolpingverbände des internationalen Kolping-Netzwerks, sondern auch mit anderen Organisationen – das heißt Projektpartnerschaften am Wohnort, in der Region, auf Landes- oder internationaler Ebene.

Die Vereinsmitglieder nehmen gerne an Veranstaltungen im In- und Ausland teil, an Mitgliederversammlungen anderer Vereine oder Landesverbände, an Wallfahrten nach Rom, an „Internationalen Kolping-Friedenswanderungen“, Europäischen Jugendcamps oder Studienreisen zum Kennenlernen von Land und Leuten. Diese führten auch zahlreiche Mitglieder vor allem aus dem deutschsprachigen Ausland nach Rumänien. Aus Deutschland, der Schweiz, dem Südtirol und aus Luxemburg kamen sie, reisten mit uns durchs Land, sahen sich unsere Projekte an und unterstützen sie, zum Teil, bis heute. Viele wurden so zu „Botschaftern Rumäniens“. Besonders jetzt, in der Pandemie, war es wohltuend zu erfahren, dass man nicht vergessen wird, dass nachgefragt wird, wie es einem geht, dass manche Spende unterstützend eintrifft. Kolping International hat mit großer Resonanz unter Spendern einen Corona-Fond geschaffen und viel Hilfe vermitteln können.

Kolping in der Pandemie-Zeit – wie schlagen Sie sich durch?

Mit Beginn der Pandemie wurde der Kontakt der Vereinsmitglieder anhand der heute zur Verfügung stehenden technischen Mittel aufrechterhalten. Die traditionelle Kolping-Wallfahrt nach Schomlenberg/[umuleu-Ciuc am 1. Mai jeden Jahres wurde 2020 „online“ durchgeführt. Kolping kaufte geschneiderte Masken, um einerseits die kleinen Produktionsunternehmen zu fördern, andererseits, um mehr Leuten diese Schutzmittel zukommen zu lassen. Es wurden im Frühjahr und jetzt zu Winterbeginn Hilfsaktionen für Bedürftige vorbereitet und durchgeführt. Verteilt wurden Lebensmittelpakete und Hygienemittel. Am 1. Advent hat die Kolpingfamilie Millennium Temeswar gemeinsam mit anderen Vereinsmitgliedern aus dem Banat 113 selbst hergestellte Adventskränze gegen Spenden verteilt und kann nun das Geld für weitere Hilfsaktionen einsetzen. „Es ist keine Zeit, bloß zu jammern, zu klagen, sondern es ist Zeit zu handeln...“, sagte Adolph Kolping.

Kolping hat Tablets gekauft und Kopfhörer, damit auch Kinder dem Schulunterricht folgen können, die zu Hause weder materielle noch logistische Unterstützung haben und um die sich sonst niemand kümmert. Das Kolpingteam hat Jugendliche mobilisiert, die jeden Tag diesen Kleinen ein wenig beistehen, beim Fernunterricht. Zu Mittag wird eine warme Mahlzeit angeboten.

Schafft das Kolpingwerk Rumänien das in Eigenfinanzierung?

Bis 2012 wurde Kolping Rumänien über das Internationale Kolpingwerk mit Sitz in Köln gefördert, dann startete der Verein in die finanzielle Selbstständigkeit. Das Einkommen wurde hauptsächlich durch touristische Aktivitäten erwirtschaftet – ein Hotel in Kronstadt und eine Pension in Karansebesch. Dazu kamen immer wieder Fördermittel der EU und kleinere oder größere Spenden für bestimmte Verbandsprojekte. Das lief gut. Bis März 2020. Infolge der Covid-19-Pandemie blieben die Touristen weg und keine Tagungen, Konferenzen oder Familienfeste wurden mehr veranstaltet. Jetzt gilt es, eine schwierige Zeit zu überstehen. Es geht ja nicht nur uns so, man sitzt mit vielen Betroffenen im selben Boot. Zwölf Mitarbeiter aus dem Gastgewerbe mussten leider entlassen werden. Das war schmerzhaft. Fünfzig Angestellte sind zurzeit noch bei Kolping Rumänien tätig.

Außer dem Kolping-Verein Rumänien gibt es die vereinseigene Kolping Concept GmbH, die das Tourismusgeschäft führt und knapp sechzig Prozent der Vereinseinnahmen generiert. Die anderen Einnahmen kommen über Projektgelder und Spenden. Das schönste Projekt ist für Viele das Sozial- und Bildungszentrum in Oituz, bei Bacău/Centrul Educa]ional Kolping Oituz, in dem wir wochentags Nachmittagsbetreuung für Kinder anbieten, einschließlich Mittagessen. Die Familien, die können, bezahlen einen Sozialtarif, aus anderen Familien werden die Kinder kostenlos aufgenommen. Seit der Eröffnung des Zentrums 2016 wurden etwa 1000 Kinder durch Bildungsmaßnahmen erreicht, dazu kommen rund 100 jugendliche Freiwillige, die seit Eröffnung des Zentrums Zeit und Kraft einbrachten, um bei der Betreuung und Begleitung der Kinder mitzuhelfen.

Kolping Rumänien ist Mitglied des Deutschen Wirtschaftsklubs Kronstadt/DWK und machte jahrelang mit beim Projekt zur Vermittlung von Schülerpraktika „Fit for Future“. Kolping ist in Kronstadt Mitbegründer der landesweit ersten Dualen Berufsschule im Tourismusbereich „Cool Academy“. Im Kolpinghotel Kronstadt hatten wir 2019 gleichzeitig 20 Berufsschüler im Praktikum – wobei die Praktikumszeit der Berufsschüler nach diesem Ausbildungssystem im dritten Ausbildungsjahr fünfundsiebzig Prozent beträgt, eine Zeit, die sie in der „Übungsfirma“ verbringen.

Wie kann man in einem der Kolpinghäuser übernachten?

Aus Selbstfinanzierungsgründen betreibt Kolping Rumänien über die vereinseigene GmbH das „Kolpinghotel Kronstadt“ (Hotelul Kolping Brașov), das „Kolpinghaus Karansebesch“ (Pensiunea Kolping Caransebeș). Selbstversorger können das ehemalige römisch-katholische Pfarrhaus, nun „Kolpinghaus Russberg“ (Casa Kolping Rusca Montană), buchen und wer im Kreis Bacău zu tun hat, kann im Kolping Sozial- und Bildungszentrum Oituz (Centrul Educațional Oituz) übernachten, da gibt es fünf Gästezimmer.

Jeder Gast ist herzlich willkommen, gebucht werden kann über die Kontaktdaten im Internet. Für Nichtregierungsorganisationen – Vereine, Stiftungen, oder Kirchengemeinden u. a. – gibt es ermäßigte Tarife.

Wie steht es um das Gesellenhaus Temeswar?

Das Gesellenhaus ist als Einrichtung geplant, die die Komponenten Soziales, Bildung und Wirtschaft vereint: Unterkünfte für Lernende und Arbeitssuchende, eine Lehrküche, die auch die Aufgaben einer Sozialküche übernimmt, eine „Gesellen-Schauwerkstatt“, die die Bedeutung des Handwerks wieder in den Mittelpunkt rückt, ein Tagungshaus für Veranstaltungen aller Art, aber auch ein Lehrbetrieb für Auszubildende der Kronstädter Schule im Tourismusbereich. Geplant ist die Eröffnung für den 24. Oktober 2021. Der Baufortschritt wird via Internetauftritt dokumentiert: auf  www.casacalfelor.kolping.ro.

Die Corona-Pandemie hat vieles verändert und wird auch die Zukunft beeinflussen – es gilt, Geplantes zu überdenken, anzupassen und auch, neue Lösungen zu finden...


Adolph Kolping (1813-1865) war ein deutscher katholischer Priester, der sich insbesondere mit sozialen Fragen auseinandersetzte. Nach dem Modell des ersten deutschen katholischen Gesellenvereins in Elberfeld (Johann Gregor Breuer), gründete Kolping seinerseits 1849 in Köln mit sieben Gesellen in der Kolumbaschule den Kölner Gesellenverein, die Keimzelle des späteren Internationalen Kolpingwerks (www.kolping.net).
Der Verein sollte den wandernden Gesellen einen ähnlichen Halt geben, wie ihn nach Kolpings Überzeugung nur die Familie bietet (daher der Vereinsname „Kolpingfamilie). Außer wohnlicher Herberge sollte der Verein auch Schule bieten, die den jungen Handwerkern religiöse, politische und fachliche Bildung bot. Zudem Geselligkeit unter Gleichen. „Das Christentum ist nicht bloß für die Kirche und für die Betkammern, sondern für das ganze Leben, war Kolping überzeugt.