Das Experimentieren mit dem Müllmanagement

Temeswars Sauberkeitsproblem fängt bei den Müllkörben an

Ein klassisches Beispiel von „Made in Romania“: Nach dem Ausbau der Aries-Straße blieben die Müllkörbe an ihrer alten Stelle, während die Fußgänger einen zweispurigen Radweg überqueren müssen, um zu diesen zu gelangen. Foto: die Verfasserin

Ein etwa 60-jähriger Mann mit Strohhut zieht an dem goldenen Faden, der die Zigarettenpackung umgibt, um sie von ihrer transparenten Hülle zu befreien, dann reißt er auch das Papierstück ab, das über den Kippen liegt, und holt eine Zigarette hervor. Nachdem er sich einige Sekunden lang umschaut, erblickt er schließlich den Müllkorb. Den Abfall stopft er einfach in die randvolle Tonne, die verborgen hinter der Haltestelle am Platz des Europarates liegt. Dann entfernt er sich, um sich die Zigarette anzuzünden. Der leichte Wind, der durch die Straßen von Temeswar/Timișoara fegt, sorgt dafür, dass die Plastikfolie und das goldgelbe Papierchen auf dem Boden landen. Um den grünen Müllkorb herum, aus dem der Müll regelrecht quillt, liegen leere Snacks-Tüten und zerdrückte Cola-Dosen, die einfach keinen Platz mehr in dem Korb gefunden haben. Ein Bild, das seit Monaten diesen Standort in halbzentraler Lage prägt, und wäre es das einzige dieser Art, würde wohl niemand darüber klagen, wie schmutzig die Stadt aussieht. Seit Monaten kämpft Temeswar mit einem Müllproblem, das schwer zu beheben zu sein scheint.

Begonnen hat alles damit, dass die Stadt monatelang ohne Straßenreinigung geblieben ist, nachdem der Vertrag mit dem Unternehmen „RETIM Ecologic Service“ ausgelaufen war. Ein halbes Jahr lang, in dem durch öffentliche Ausschreibungen nach einem Unternehmen gesucht wurde, welches sich um die Straßenreinigung kümmern sollte, standen die fast 1300 Stadtstraßen verstaubt und verschmutzt da, während die Kommunalverwaltung verzweifelt versuchte, mit den Sozialhilfeempfängern und den Mitarbeitern anderer städtischer Betriebe für Sauberkeit auf den Straßen der Innenstadt zu sorgen. Einige wenige Bürgerinitiativen, wie etwa die „Geeks with Brooms“, versuchten, einige Orte mit regem Bürgerverkehr, wie etwa den Nordbahnhof, einigermaßen instand zu setzen, jedoch waren die Müllkörbe in der Bushaltestelle schnell wieder voll und keine „Streber mit Besen“ in Sicht, um den herumliegenden Müll wieder einzusammeln. Seit April dieses Jahres kümmert sich die Klausenburg-Niederlassung der österreichischen Firma „Brantner“ um das Leeren der Müllkörbe und das Fegen der Straßen in Temeswar. Einen Schritt nach vorne scheint die Stadt diesbezüglich schon getan zu haben, allerdings gibt es immer noch Schwachpunkte, die dazu beitragen, dass Temeswar immer noch schmutzig aussieht.

Ein einziger Blick auf die städtischen Müllkörbe reicht, um festzustellen, dass sie ungeeignet sind für eine Stadt mit offiziell rund 320.000 Einwohnern. Insgesamt leben im Metropolgebiet von Temeswar fast 470.000 Menschen, die meisten davon haben tagtäglich in der Stadt zu tun, sei es, dass sie hier arbeiten oder nur ihre Kinder zur Schule bringen. Diese Zahlen entstammen der offiziellen Statistik, doch ist es überhaupt nicht schwierig zu beobachten, dass in der Stadt an der Bega auch Leute leben, die ihren festen Wohnsitz woanders angemeldet haben und von denen die Eigentümer-Vereine nicht Bescheid wissen. All diese Menschen, die unangemeldet in Temeswar zu Hause sind, bezahlen nicht für den Haushaltsmüll und nutzen tagtäglich die in der Stadt angebrachten Müllkörbe und -tonnen. 

Apropos Müllkörbe: Die grünen Plastikmülltonnen, die „RETIM“ vor einigen Jahren in der Stadt angebracht hat, reichen bei Weitem nicht aus, sowohl hinsichtlich ihrer Zahl, als auch ihres Volumens. Um nur ein Beispiel zu nennen: Spaziert man von der Kreuzung Torontaler/Circumvalațiunii-Straße in Richtung Stadtzentrum, trifft man bis zum Platz des Europarates nur auf zwei Müllkörbe, einer davon jener hinter der Haltestelle, der ständig randvoll ist und wohl auch deswegen so selten geleert wird, weil er schlicht und einfach übersehen wird. Geht man weiter in Richtung Domplatz/Piața Unirii, so sieht man auf der rechten Seite der Arader Straße, unmittelbar nach der Eisenbahnüberführung, einen umgestülpten, grünen Müllkorb am Seiteneingang in den Botanischen Park, den man beim besten Willen nicht nutzen kann. Ganz abgesehen davon, dass diese städtischen Müllkörbe ein geringes Müllhaltevermögen haben (geschätzte 50 Liter), sind viele von ihnen beschädigt. Kein Wunder also, wenn die wenigen Müllkörbe überfüllt sind und der Müll einfach rundherum liegen bleibt.

Darüber hinaus sind diese Müllkörbe nicht mit Aschenbechern ausgestattet. Dies ist gewiss auch ein Grund, weshalb Raucher, die keine mobilen Aschenbecher mit sich tragen, ihre Zigaretten-Stummel einfach auf die Straße werfen. Nur die wenigsten werden dabei erwischt und müssen dafür blechen. Von der Stadtverwaltung heißt es, dass die Firma „Brantner“ bald neue Müllkörbe in der Stadt anbringen wird. Wünschenswert wäre es, dass diese groß, widerstandsfähig und mit Aschenbechern ausgestattet sind. Und natürlich auch, dass davon eine ausreichende Anzahl in der Stadt aufgestellt werden.

Die Müllsammelkampagne des Müllentsorgungsunternehmens „RETIM“ und des Temescher Abfallentsorgungsverbands „ADID“ hat nicht die erhofften Ergebnisse gehabt. Viele Bürger verfolgten die Informationen zu den Straßen, in denen die gelbe Tonne für Sperrmüll angebracht wurde, überhaupt nicht, sondern lagerten ihren Wegwerfkram weiterhin einfach auf der Straße, wie das noch vor wenigen Jahren der Fall war, als Frühlings- und Herbstreinemachen in Temeswar organisiert wurden. Somit entstanden vielerorts illegale Deponien, gegen die die Kommune zunächst mild und schließlich hart vorzugehen versuchte. Ein letztes Mal sollten im April alle Abfälle von den Straßen eingesammelt werden, hatte damals Bürgermeister Nicolae Robu verkündet, wer nach diesem letzten Reinemachen erneut seinen Müll auf die Straßen stellen würde, der sollte bestraft werden. Gleichzeitig hieß es, es solle niemand mehr neuen Müll herausbringen, doch viele Bürger nahmen die Initiative von Nicolae Robus als Wiedereinführung des Frühlingsreinemachens auf und stellten weiterhin ihren Müll auf der Straße ab. Hätte er einfach gehandelt, statt zu viel darüber zu reden, wäre das Ergebnis wohl besser ausgefallen.

Um die fahrlässigen Bürger auf frischer Tat zu ertappen, wurde die Kommunalpolizei eingesetzt. Mitte Juli meldete der Bürgermeister über das Sozialnetzwerk „Facebook“, dass 61 Bürgern, die die Stadt verschmutzt hätten, Geldstrafen für ihre Vergehen auferlegt worden seien. Erwischt wurden sie von den Kommunalpolizisten oder den Überwachungskameras, die an mehreren Orten in der Stadt stehen. Gleichzeitig veröffentlichte Robu eine Umfrage, anhand derer er von seinen Facebook-Freunden erfahren wollte, ob das Erteilen von Geldstrafen wegen illegaler Müllentsorgung weitergehen sollte. Von den mehr als 3000 Umfrageteilnehmern sprachen sich mehr als 91 Prozent dafür aus. 

„Ich habe euch versprochen und wiederhole mein Versprechen, dass Temeswar eine Musterstadt in Sachen Sauberkeit wird“, betonte der Bürgermeister mehrmals auf Facebook. Jüngst kündigte Robu an, durch ein Pilotprojekt an vier Orten in der Stadt Müllcontainer anbringen zu wollen, mithilfe derer die Bürger ihren Sperrmüll, Bauschutt und die pflanzlichen Abfälle entsorgen können. Gleichzeitig suche die Stadt nach einem Unternehmen, das die kaputten Haushaltsgeräte und den Sondermüll einsammeln könnte. Eine willkommene Initiative, schließlich wird der Bauschutt, den Privatpersonen entsorgen wollen, bislang ausschließlich an der RETIM-Sammelstelle in der Calea Moșniței Nr. 2 angenommen. Ein Kubikmeter Bauschutt im Monat kann jeder hier kostenlos abstellen. Dass nur eine einzige Bauschutt-Sammelstelle für eine Großstadt wie Temeswar vorhanden ist, stellt sicherlich auch ein Problem dar.

In einem sind sich viele Bürger einig: Neben den oftmals verzweifelt erscheinenden Versuchen der Stadt, die mangelnde Sauberkeit in den Griff zu bekommen, sollten auch die Bewohner einen Beitrag dazu leisten, dass die Stadt nicht dreckig ausschaut. Unter anderem, indem sie ihren Wohnsitz melden, für die Müllabfuhr und sonstige Sauberkeitsdienste bezahlen, keine randvollen Tonnen überfüllen und die Zigaretten-Stummel nicht auf die Straße werfen. Schließlich gehört eine Stadt nicht nur der Verwaltung, sondern allen Bürgern, die sich darin zu Hause fühlen.