Das lebendige Wort

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„Stärkt euren Verstand!“
            1. Petr. 1,13

Der Predigttext für den sechsten Sonntag nach Trinitatis (28. Juli) ist in der Evangelischen Kirche ein Abschnitt aus dem ersten Brief des Petrus. Dieser Brief wurde im ersten christlichen Jahrhundert an Christen gerichtet, die im Gebiet der heutigen nördlichen Türkei lebten. Es waren Menschen aus verschiedenen Völkern, die das Evangelium gehört haben und dadurch zum Glauben an Jesus Christus gekommen sind.

Das Wort veränderte ihr Leben. Eine Veränderung, die man im alltäglichen Leben wahrnehmen konnte. Sie legten ab, was der Lehre Christi widersprach. Ihre neue Lebensweise war aber bei den andern Menschen ihrer Umgebung eher unbeliebt. Es kam zu Schwierigkeiten. Nach ein paar Jahren begann die Christenverfolgung unter dem Kaiser Nero (64 n. Chr.). Der Glaube verursachte Ärger.
Unter diesen Umständen mussten die Gläubigen ermutigt werden. Die Nachfolger Christi im Glauben wollten verstehen, was mit ihnen geschah. Der erste Petrusbrief setzt sich dieses zum Ziel. Er versucht, den Gläubigen die neue Wirklichkeit, in der sie ihr Leben führen, zu erklären und gleichzeitig sie zu ermutigen, den angetretenen Weg des Glaubens weiterzugehen.

Einen Weg gehen, bedeutet einen Schritt nach dem andern tun. Den Weg kann man wissen. Man weiß, dass es der rechte und gute ist. Aber vielmals ist es schwer, jeden einzelnen Schritt zu verstehen. Überhaupt wenn dieser Weg der Weg des Glaubens ist. Glauben bedeutet vertrauen, bedeutet hoffen. Aber wie kann man vertrauen, wie kann man hoffen, wenn ein Schritt nach dem andern immer mehr Schmerz verursacht? Wenn es weh tut, kann man da die Hoffnung nicht verlieren? Wenn es so peinigend wird, kann man noch vertrauen? Der erste Petrusbrief erinnert die Christen, dass sie weiter vertrauen und hoffen sollen. Denn sie vertrauen und hoffen auf den, der sich für sie geopfert hat: Jesus Christus. Sie sollen nun verstehen, dass das Wort des Evangeliums nicht ein einfaches Wort ist. Es ist das Wort, das lebendig macht. Es ist ein lebendiges Wort (1. Petr.1, 23), das die Menschen verändert. Verändert durch den Glauben, der ihnen von Gott geschenkt ist.
Die Gläubigen, die den ersten Petrusbrief erhalten haben, nennt der Autor der Epistel „Fremdlinge, die in der Zerstreuung leben“ (1. Petr. 1,1). Fremdlinge, so wurden sie genannt. Die Christen sind zwar Fremdlinge in dieser Welt. Und die Werte dieser Welt sind nicht ihre Werte. Denn die Werte, die sie im Blick haben und nach denen sie ihr Leben richten, entsprechen denen des Reiches Gottes, nicht denen, die in dieser Welt herrschen.

Fremdlinge in der Zerstreuung. Das könnte ein entmutigendes Bild in unserer Vorstellungskraft erzeugen. Vielleicht haben die Empfänger des ersten Petrusbriefes das auch so empfunden. Fremd und zerstreut in der Welt zu sein. Aber dieses Bild wird nicht so gelassen.
Der Autor des Briefes, der entsprechend der Überlieferung der Apostel Petrus gewesen ist, erklärt den Gläubigen, dass das lebendige Wort aus ihnen „lebendige Steine“ (1. Petr. 2,5) gemacht hat. Jeder einzelne Christ sollte sich nun als lebendiger Stein verstehen. Stein – aber warum Stein?
Der Apostel setzt seinen Gedanken fort und erklärt: Mit Steinen baut man ein Haus auf. Ein Haus besteht aus Steinen. Steine, die ihren ganz bestimmten Platz im Aufbau des Hauses haben. In einer Mauer dürfen keine Löcher sein. Und wenn es eines gibt, muss das Loch mit einem Stein ausgefüllt werden. Und noch etwas, ein Haus muss einen Eckstein haben. Das ist der sichtbare Grundstein des Hauses. Auf den Grundstein stützt sich das ganze Haus und gibt ihm Stabilität. Alle Christen sollten sich nun als lebendige Steine verstehen, die zusammen ein geistliches Haus bilden. Der Eckstein war und bleibt Jesus Christus. Durch dieses Bild sollten sie ihren Verstand stärken.
Das sollte auch für uns selbst, heute, das Bild sein: Alle Christen zusammen sind lebendige Steine in dem einen geistlichen Haus, das die weltweite Kirche Jesu Christi auf Erden ist.