Déjà-vu

Der Sozialliberale Verband (USL) will Amtsenthebung des Staatschefs

Foto: sxc.hu

Kürzlich hat das oppositionelle Bündnis USL durch Victor Ponta, Crin Antonescu und Daniel Constantin, die drei Vorsitzenden der Mitgliedsparteien PSD, PNL bzw. PC, seine Absicht bekannt gegeben, ein Verfahren zur Amtsenthebung des Präsidenten Traian Băsescu einzuleiten. Der angegebene Grund? Die öffentliche Äußerung des Staatschefs bezüglich der Einfrierung von Renten und Gehältern im Jahr 2012, unabhängig vom Urteil des Verfassungsgerichts in dieser Frage, mit der Erklärung: „Es gibt kein Geld“. Was natürlich nicht zu bestreiten ist. Auch kann aber  nicht darüber hinweggesehen werden, dass es ein Gesetz gibt zur jährlichen Anpassung (lies: Erhöhung) der Renten an die Inflation.

Nun stellt sich natürlich die Frage, inwieweit eine solche – zwar die Realität berücksichtigende, dennoch  unglaublich unpopuläre – öffentliche Aussage die nötige rechtliche Argumentation (verfassungswidrige Amtshandlung) liefern kann zur Einleitung des Verfahrens gegen das Staatsoberhaupt. Was die Sozialliberalen Co-Präsidenten Crin Antonescu und Victor Ponta Traian Băsescu im Klartext vorwerfen, ist die nach dem 6. Dezember 2009 sichtbar gewordene „tiefe Unterhöhlung des Rechtsstaats in Rumänien“ als Folge der Unterordnung sämtlicher Institutionen, einschließlich der Regierung und des Parlaments durch den Präsidenten, also die Machtkonzentration in einer einzigen Hand.

In den Kulissen kocht es, nicht minder in den Medien. Politiker, politische Analysten und Kommentatoren, TV-Moderatoren spekulieren: Die Idee stamme nicht vom Sozi-Chef Victor Ponta, auch nicht vom Vorsitzenden der Nationalliberalen, Crin Antonescu, sondern vom Gründer der Konservativen Partei, Dan Voiculescu, der dem Ständigen Büro des Senats schon im Juli 2010 einen Vorschlag zur Amtsenthebung des Präsidenten Traian Băsescu unterbreitet haben soll, meinen die einen. Die anderen beziehen sich auf die Verschärfung des doch immer mehr parteilosen Antikorruptionskampfes. Die Tatsache, dass PDL-Schwergewichte wie der Klausenburger oder der Kronstädter Bürgermeister, Sorin Apostu bzw. der Parteivize Gheorghe Scripcaru, unter die Lupe der Justiz geraten sind, ist für die Opposition keinesfalls beruhigend. Obwohl sie überdies mit einer Rekrutierung von unzufriedenen Umsteigern aus dem Boot der Macht rechnet. Viele sprechen andererseits von einem Versuch des USL, dem betont negativen Trend in den Meinungsumfragen und dem Imageverlust nach der Geoană-Telenovela entgegenzuwirken und die Wahlkampagne 2012 aggressiver anzugehen.

Wie wollen die Projektinitiatoren ihr Vorhaben denn umsetzen? Zunächst sollen die beiden Seniorpartner, die PSD und die PNL, eine achtköpfige Kommission gründen, zu der die Sozialdemokraten Dan Şova, Florin Iordache, Ioan Chelaru und, wahrscheinlich, Toni Greblă und die Nationalliberalen Călin Popescu Tăriceanu, Eugen Nicolăescu, Ciprian Dobre und Mircea Diaconu gehören könnten. Diese hätten die Aufgabe, den Antrag bis kommende Woche zu verfassen und den oppositionellen Fraktionen im Parlament zur Genehmigung vorzulegen. Ein erster Schritt im Verfahren bezüglich der Amtsenthebung des Präsidenten wäre dann die Abstimmung im Parlament. Von den 234 nötigen Stimmen verfügt die Opposition zurzeit, rein mathematisch, jedoch nur über 217. Ein weiterer Schritt wäre das diesbezügliche unverbindliche Urteil des Verfassungsgerichts und, obligatorisch, ein Referendum zu der Frage: „Sind Sie mit der Entlassung des Präsidenten Rumäniens einverstanden?“.

Das Prozedere zur Amtsenthebung von Traian Băsescu kennen wir schon. 2007 schaffte es die heutige, damals in den Kammern noch mehrheitliche Opposition bis zu der (aus eigener Sicht allerdings gescheiterten) Volksbefragung. Daher auch unser Gefühl, diese Situation, samt dem dazugehörigen Trubel, schon erlebt zu haben. Auch wenn die Daten und Variablen der politischen Gleichung heute doch ganz anders aussehen als vor vier Jahren. Der Präsident ist in der Bevölkerung nicht mehr besonders beliebt. Auf der anderen Seite aber hat die Regierungskoalition eine (wenn auch nicht besonders komfortable) Mehrheit im Parlament, die den PDL-Vorsitzenden Emil Boc & Co. schlussfolgern lassen, dass die Erfolgschancen dieses „unverantwortlichen Vorgehens“ gleich Null sind.

Beim USL hält sich der Enthusiasmus, kaum eine Woche nach der offiziellen Bekanntgabe der Absicht zur Amtsenthebung des Staatschefs, auch in Grenzen. Crin Antonescu ist gar nicht mehr so begeistert von einer potenziellen Assoziation des Vorhabens mit dem Namen des Ex-Securitate-Spitzels und Medienzars Voiculescu, Adrian Năstase versicherte, den Vorgang nur unter der Bedingung eines sicheren Erfolgs zu initiieren.
Auf diese und alle anderen kommenden Warum-denn-Fragen der nächsten zwölf Monate werden wir immer wieder diese Antwort zu hören bekommen: Manipulation der Aufmerksamkeit, Wahlkampagne also. Merken wir sie uns einfach und ersparen uns die ganze Aufregung.