Dem Unterricht in deutscher Sprache wieder einen Ansporn geben

ADZ-Gespräch mit Rodica Ilinca, Schulleiterin des Goethe Kollegs Bukarest

Rodica Ilinca leitet das Goethe Kolleg in Bukarest.
Fotos: privat

Ein farbenfrohes Portrait von Goethe ziert das nach ihm benannte Kolleg in Bukarest.
Foto:Șerban Căpățână

Nach knapp einem Jahr als Schulleiterin des Goethe-Kollegs Bukarest spricht Rodica Ilinca über die Herausforderungen, denen sich die traditionelle Schule der deutschen Minderheit heute stellen muss – allen voran ein eklatanter Mangel an deutschsprachigen Lehrkräften! Dabei gäbe es aus durchaus Möglichkeiten, wie der rumänische oder der deutsche Staat, aber auch Unternehmen, Eltern, ehemalige Absolventen und die evangelische Gemeinde zur Weiterführung der Tradition der ältesten  deutschsprachigen Schule in Bukarest beitragen können. Wie diese aussehen könnten, erklärt sie gegenüber ADZ-Redakteur Șerban Căpățână.

Frau Ilinca, wie ist die momentane Situation am Goethe-Kolleg?

Wie Sie bereits wissen, gibt es Probleme mit den deutschsprachigen Lehrkräften. Deswegen sind wir  gezwungen, ab nächstem Jahr nur vier fünfte Klassen zu behalten – ansonsten müssten wir mehr rumänischsprachige Lehrkräfte einsetzen. Auch die Hermann Oberth-Schule ist in derselben Situation. Einige unserer deutschsprechenden Lehrkräfte unterrichten bereits dort. Bei der Fridolin-Schule ist es noch schlimmer. Die einzige Schule, die genügend Lehrkräfte hat, ist die Deutsche Schule Bukarest, aber die ist von Deutschland gesponsert.

Was die Grundschule betrifft, sind wir gut bestückt, wir haben alle zwanzig Klassen abgedeckt. Ebenso beim Kindergarten.

Im Lyzeum ist es auch nicht problematisch, wegen der deutschen Spezialabteilung (Anm. d. Red.: die Klassen der Spezialabteilung unterliegen der Bundesdeutschen Zentralstelle für Auslandsschulwesen und folgen sowohl dem rumänischen als auch dem deutschen Schulplan, wobei die Absolventen sowohl mit dem rumänischen Bakkalaureat als auch dem deutschen Abitur abschließen). Wir haben je vier Lyzeums-Klassen, davon gehören zwei zur deutschen Spezialabteilung und sind in der Verantwortung der deutschen Seite, auch was Lehrkräfte betrifft.

Können Sie die Lehrkräfte der Spezialabteilung nicht bei anderen Klassen einsetzen?

Leider nicht. Als ich hier an der Schule begonnen habe, gab es zehn bis zwölf Lehrkräfte von der Spezialabteilung, die auch in der rumänischen Abteilung eingesetzt wurden. Das hat sich irgendwann mal geändert. Ich habe bereits mit dem Leiter der Spezialabteilung darüber gesprochen und es gäbe seinerseits keine Einwände. Nur liegt die Entscheidung bei den deutschen Behörden.

Wo liegen die größten Probleme, außerhalb der Spezialabteilung?

Die größten Probleme haben wir in den Fächern Physik, Chemie und Mathe. In Mathe haben wir z. B. nur zwei deutschsprachige Lehrkräfte. In Physik haben wir drei Lehrkräfte, aber nur eine davon spricht ein bisschen Deutsch.

Die ehemaligen Schulleitungen haben mehrere rumänischsprachige Lehrkräfte angestellt, aufgrund deren Versprechen, Deutsch zu lernen. Einige davon haben nach der Anstellung ihr Versprechen vergessen, andere haben Deuschkurse besucht, trauen sich aber nicht, vor der Klasse zu sprechen. Es ist eben auch nicht einfach, jede einzelne Stunde in einer Fremdsprache vorzubereiten. Es muss aber gemacht werden, denn wir sind eine deutsche Schule.

Andererseits kann ich die ehemaligen Schulleitungen sehr wohl verstehen: Um nicht komplett ohne Lehrkräfte zu bleiben, wurde dieser Kompromiss mit rumänischsprachigen Lehrkräften unter Vorbehalt eingegangen.

Unterstützt Sie das Schulin-spektorat bei der Suche nach deutschsprachigen Lehrkräften?

Leider erhalten wir auch vom Schulinspektorat nicht die gewünschte Unterstützung. Man schiebt uns immer die Verantwortung für die Lehrkräfte zu, weil das Inspektorat wahrscheinlich auch nicht genau das Spezifikum unserer deutschsprachigen Schule versteht. Andererseits dürfen wir nur deutschsprachige Lehrkräfte einstellen. Und somit sind unsere Optionen limitiert.
Ich muss jetzt aber unsere Lehrkräfte überzeugen, vielleicht schrittweise die deutsche Sprache zu erlernen.

Kann die Schule bestimmte Vorteile für deutschsprachige Lehrkräfte anbieten?

Eigentlich nichts anderes als andere Schulen. Die Bezahlung in den Schulen der Minderheiten ist dieselbe wie in den Schulen der Mehrheit. Das einzige, was wir extra bekommen, ist die Unterstützung vom deutschen Staat über die Saxonia-Stiftung. Aber diese Unterstützung ist nicht wirklich finanziell ausschlaggebend. Gute Lehrkräfte können überall einen Job finden und müssen sich nicht unbedingt quälen, Deutsch zu lernen. Bei wesentlichen Unterschieden würden sich wahrscheinlich auch mehr  melden.

Wo liegen derzeit Ihre Prioritäten? Wie versuchen Sie, deutschsprachige Lehrkräfte anzuwerben?

Meine Priorität ist, dem Unterricht in der deutschen Sprache wieder einen Ansporn zu geben. Aber wie? Wir haben bereits eine Zusammenarbeit mit der deutschen Abteilung der Babe{-Bolyai-Universität in Klausenburg begonnen. Aber auch dort scheinen einige Fächer nicht so anziehend zu wirken, beispielsweise Mathematik oder Physik in der deutschen Sprache. Andererseits hat man uns für Informatik die volle Unterstützung angeboten. Aber für Mathe und Physik, genau das, was bei uns problematisch ist, überhaupt nicht.

Könnte man Deutschkurse für die rumänischsprachigen Lehrkräfte organisieren?

Vor einigen Wochen habe ich eine Partnerschaft mit dem Goethe-Institut unterschrieben. Man hat mir versprochen, ab dem nächsten Schuljahr spezielle Kurse für unsere Lehrkräfte zu organisieren. Es geht hier um spezialisierte Workshops für Lehrkräfte, nicht um die normalen Deutschkurse. Wir haben mehrere, die bereits Deutschkenntnisse haben, auf unterschiedlichem Niveau, nur … soweit sie sich der Sprache nicht mächtig fühlen, bevorzugen sie, sich zurückzuhalten, damit sie sich vor der Klasse nicht blamieren. Zehn unserer Lehrkräfte haben aber bereits Interesse an diesen Workshops gezeigt.

Könnten die Eltern mithelfen? Da gibt es doch bestimmt genug Deutschsprachige?

Ich habe auch mit dem Elternrat eine Sitzung organisiert und unsere Projekte und Probleme angesprochen. Ehrlich gesagt, hätte ich von deren Seite her etwas mehr Unterstützung erwartet. Deklarativ sind alle Eltern einverstanden, ich konnte aber nur zwei ehemalige Absolventen überzeugen, ab nächstem Schuljahr einige Stunden bei uns zu übernehmen.

Es gäbe auch eine bestimmte Nachfrage für eine Art Afterschool innerhalb der Schule. Da  bräuchten wir nicht unbedingt ausgebildete Lehrkräfte, sondern deutschsprachige engagierte Personen, welche den Kindern bei den Hausaufgaben helfen und sie nicht nach zwei Monaten wieder im Stich lassen.

Hatten Sie Kontakt auch mit der evangelischen Gemeinde?

Natürlich. Wir brauchen nicht nur Lehrkräfte für Mathe oder Physik – jede Unterstützung ist willkommen. Ich könnte mir vorstellen, dass man nach den Unterrichtsstunden Workshops organisieren könnte. Manche könnten vielleicht den Kindern das Flechten von Körben oder das Häkeln beibringen oder einen alternativen Geschichtsunterricht organisieren, indem sie aus ihrer eigenen Erfahrung über den Krieg oder die Deportation sprechen. Es wäre auch für die Kinder sehr gut. Aber wenn sich keine Freiwilligen melden?

Herr Stadtpfarrer Zikeli hat mir seine volle Unterstützung versprochen um weiterhin Personen zu suchen, die an solchen Aktionen Interesse hätten. Ebenfalls hat er uns versprochen, dass die Kirche eventuell für Lehrkräfte aus anderen Ortschaften eine Unterkunft zu einem ermäßigten Preis zur Verfügung stellen könnte.

Erhalten Sie Unterstützung über den deutschen Staat, bzw. von der Botschaft?

Die neue Fachberaterin, Frau Schlattner, war bereits bei uns auf Besuch und hat uns ihre Unterstützung versprochen, insbesondere was Praktikanten aus Deutschland angeht. Diese Studierenden oder Absolventen kommen im Normalfall für ein Jahr nach Rumänien und helfen unseren Lehrkräften beim Unterricht, unterstützen bei unterschiedlichen Aktivitäten und unterrichten auch selbst einige Stunden, falls eine Lehrkraft fehlt oder im Krankenstand ist.

Ebenfalls wäre sehr hilfreich, wenn unsere Lehrkräfte wieder auf Fortbildungsprogramme nach Deutschland gehen könnten. Aber wenn sie selbst die Kosten tragen müssen, wird es schwierig.

Aber wenn Lehrkräfte auf Fortbildungen sind, bleiben ihre Stunden doch unabgedeckt? Ist das nicht ein Teufelskreis?


Natürlich. Ich war auch in dieser Situation, als ich ein Jahr lang auf einer Fortbildung war. Aber anschließend konnte die Schule nur profitieren von meinen Kenntnissen. Und deswegen brauchen wir Ersatz.

Könnten Ihnen Unternehmen diesbezüglich helfen?

Es wäre vielleicht eine Idee, Unternehmen anzusprechen – vielleicht sogar über die deutschsprachigen Handelskammern, um Mitarbeiter bestimmter Spezialitäten oder Fachberufe als Lehrkräfte zu entsenden. Ich könnte mir ebenfalls vorstellen, dass einige Unternehmer unseren Lehrkräften Teilzeitjobs anbieten könnten. Nach unserem ersten Interview hat sich bereits ein Unternehmer mit mir in Verbindung gesetzt – es kann also funktionieren.

Andererseits könnten uns Unternehmen vielleicht mit Produkten, Dienstleistungen, Angeboten oder sogar mit finanzieller Unterstützen entgegenkommen, damit wir den Lehrkräften eine Art Incentive überreichen können: für gute Leistung, für tolle Projekte, zum Geburtstag, für einen Deutschkurs usw. Vor der Pandemie haben wir mit den besten Schülern und deren Lehrkräften Ausflüge organisieren können. Ein solches System könnte ebenfalls die jetzigen Schüler dazu motivieren, vielleicht nach dem Studium als Lehrkräfte einzusteigen.

Wie ist Ihre Beziehung zur Stadt? Der erste Sektor ist ja Besitzer der Immobilien, sprich Schulgebäude und Sportsaal…

Ja, die Gebäude gehören der Stadt und die Lehrkräfte unterstehen dem Schulinspektorat. Eines unseren größten Probleme ist die Bewachung des Schulhofs. Ich habe persönlich mit Frau Clotilde Armand darüber gesprochen und ihr erklärt, dass wir zwei Eingänge haben, aber eine einzige Sicherheitsperson, die noch dazu um 20 Uhr Feierabend hat. Danach fällt die Bewachung der Schule auf uns, auf die Schule. Wir brauchen keine Sicherheitskräfte, die durch die Schule patrouillieren, um die Schüler einzuschüchtern. Aber beide Eingänge müssten funktionieren und bewacht sein, bzw. auch in der Nacht besetzt sein.

Ursprünglich hat man uns versprochen, dass die „Poli]ia Comunitar²“ mithelfen bzw. vorbeischauen wird. Ich habe sie während des Tages nur zwei, drei Mal gesehen. Ob sie nachts kommen, weiß ich nicht. Wir haben viele Anträge gestellt, aber momentan passiert nichts.

Andererseits muss ich gestehen, dass wir eine der wenigen Schulen in Bukarest sind, mit denen das Bürgermeisteramt großzügig war. Über den Sommer haben wir beispielsweise in allen Klassen intelligente Schultafeln einbauen können. Frau Armand scheint von unserer Schule begeistert zu sein. Die allgemeine Beziehung zur Stadt ist eigentlich ganz in Ordnung.

Frau Ilinca, wir danken für das Gespräch.