Die Archäologen und die Verbrechen der Securitate

Weitere Skelettfunde im Innenhof des ehemaligen Karansebescher Securitate-Sitzes

Im Jahr 1977 fand ein Archäologe des Karansebescher Museums des Grenzregiments und für Ethnografie im Innenhof des damaligen „Hauses der Armee“ (so die Bezeichnung des Offiziersclubs des damaligen Standortes eines motorisierten Infanterieregiments) bei Sicherungsgrabungen des weitläufigen Geländes, auf dem zwei Wohnblocks für Garnisonsoffiziere gebaut werden sollten, mehrere menschliche Skelette. Auf den ersten Blick datierte der erfahrene Archäologe sie auf die 1950er Jahre, beantragte aber eine Fachuntersuchung und -datierung, wozu damals auch die Kriminalabteilung der Miliz ihre Zustimmung geben musste. Der zuständige Milizoffizier, ein Leutnant, gab formell seine Zustimmung, hatte aber intuitiv wohl begriffen (oder war er darauf hingewiesen worden? Gefragt werden kann er nicht mehr, denn er ist inzwischen verstorben), dass die Skelette ein heißes Eisen waren für jene Zeit und dass es nicht sehr clever war, sie zu untersuchen. Er ließ die Sache unter den Tisch fallen: Die damals gefundenen Skelette, die offensichtlich nicht begraben, sondern verscharrt worden waren, wurden nie untersucht. Über die Sache wuchs Gras. Der Archäologe wanderte in den 1980er Jahren nach Deutschland aus.

Im Juni dieses Jahres (ADZ berichtete) begann das Institut für die Untersuchung der Verbrechen des Kommunismus und der Erinnerung ans Rumänische Exil“ (IICCMER) in Zusammenarbeit mit der Militärstaatsanwaltschaft Temeswar archäologische Untersuchungen auf jenem Gelände, auf dem 1977 die Skelette entdeckt wurden, die danach „verschwanden“. Diese Untersuchungen waren die Folge eines Briefs des ausgewanderten Archäologen an das IICCMER, in welchem er von seiner damaligen Entdeckung berichtete, den Ort der Entdeckung genau beschrieb und die Vermutung äußerte, dass die Skelette die Überreste von in den Fängen der Securitate umgekommenen Partisanen, beziehungsweise von Angehörigen oder Sympathisanten derselben, sein könnten. Bis 1958 hatten Partisanen im Banater Bergland gegen die Kommunisten gekämpft, sie waren gemeinhin bekannt als die „Kampfeinheiten des Oberst Uță“, benannt nach einem Berufsoffizier der Königlichen Rumänischen Armee, der sich geweigert hatte, die Fronten zu wechseln. In der Regel waren sie bei Gefangennahme, im Gefängnis oder in den Kellern des Securitate-Sitzes von Karansebesch verhört, gefoltert und mit oder ohne Urteil umgebracht worden. Da bei Prozessen gegen Partisanen das Todesurteil die Regel war, wurde es meist direkt im Keller der Securitate oder im Innenhof vollstreckt. Es wird heute angenommen, dass die Verhörten, die während der Folter starben oder totgeschlagen wurden, im Innenhof des Securitate-Sitzes verscharrt wurden. Von vielen unter ihnen haben die Hinterbliebenen nie mehr etwas gehört.

Die gegenwärtig den Innenhof des ehemaligen Offiziersclubs untersuchenden Archäologen haben am 16. Oktober drei weitere Skelette ausgegraben. Sie geben an, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt ihrer Untersuchungen noch keinerlei konkrete Hinweise darauf gefunden wurden, dass es sich um hingerichtete oder ermordete Partisanen oder um Sympathisanten derselben handelt. Ebenso könne auch noch keine Aussage darüber getroffen werden, ob die Opfer erschossen oder totgeschlagen wurden, infolge brutaler Verhörmethoden oder durch Anwendung anderer „Methoden“ der Securitate starben.

Man geht aber davon aus, dass es sich im Falle dieser Skelette um ermordete Partisanen, Sympathisanten oder Regimegegner handelt. Dafür spricht die Tatsache, dass die Leichen ohne Sarg in stark verrenkten Positionen gefunden wurden und sich in ihrem Umkreis kaum Grabbeigaben oder persönliche Gegenstände befanden. Außerdem hatte das IICCMER Zeugen zum Kampf der Partisanen im Banater Bergland befragt, auch zur Rache der Securitate-Truppen (anfangs kam auch die Rote Armee zum Einsatz, doch die machte keine Gefangenen) und zum Vorgehen gegenüber gefangengenommenen Partisanen oder Verdächtigen. Hinzu kommen die, wenn auch dürftigen, erhaltenen Dokumente aus Securitate-Archiven.

Nicht zuletzt spricht dafür, dass es sich bei den Toten um ermordete Gegner des kommunistischen Regimes handelt, die Tatsache, dass in den 1950er Jahren in Karansebesch im näheren Umkreis des Fundorts der Skelette mehrere Institutionen existierten, die im Krieg gegen diese Partisanen eine Rolle spielten: Securitate, Armee, Gefängnis, Gericht. Man weiß beispielsweise, dass im Karansebescher Gefängnis zu Tode verurteilte Partisanen durch Erschießung hingerichtet wurden, oft auch im Innenhof des späteren Offiziersclubs. Man weiß auch, dass die Toten „irgendwo in der Nähe“ verscharrt wurden und ihren Familien die Übergabe der Toten verweigert wurde. Sicher weiß man heute auch, dass am 12. August 1953 die Partisanen Victor Curescu, Gheorghe Balica und Iancu Baderca, aus dem Temesch-Cerna-Durchbruch und dem Almascher Land stammende Mitglieder der „Kampftruppe des Oberst Uță“, im Innenhof des späteren Offiziersclubs hingerichtet worden waren.

Vier Gräben sind in diesem Sommer an der Nord- und Ostseite eines der 1977 errichteten Wohnblocks ausgehoben worden, dabei wurden in dem östlich des Wohnblocks ausgehobenen Graben – an dem Ort, der an den Zaun des nach 1989 aufgelösten Gefängnisses von Karansebesch grenzt und sich im Innenhof des ehemaligen Securitate-Sitzes befindet – zwei Skelette freigelegt. Bei einem lagen die Gebeine in Richtung Osten, bei einem anderen Richtung Westen; auch lagen sie in leicht abweichenden Tiefen und waren offenbar nicht gleichzeitig begraben worden. Die Stratigrafie ist allerdings zerstört worden, weil an dieser Stelle zu späterer Zeit eine Grube für Bauschutt ausgehoben wurde. Damit vermischt wurden Fragmente von zwei weiteren Skeletten gefunden. Ob es einen Zusammenhang zwischen den vier Skeletten gibt, weiß man derzeit noch nicht. Sämtliche Knochen und Knochenfragmente sind der Gerichtsmedizin überantwortet worden, wo sie fachgerecht untersucht werden. Die Militärstaatsanwaltschaft hat derweil ein Strafverfahren gegen Unbekannt eröffnet. Für die Nachkommen einer Reihe von Personen aus dem Banater Bergland, die seit den 1950er Jahren als „verschwunden und vermisst“ gelten, wecken die Funde von Karansebesch die Hoffnung, dass ihren ermordeten Vorfahren oder Verwandten doch noch ein christliches Begräbnis zuteil wird.

Die archäologischen Grabungen auf der Suche nach Opfern der Securitate in Karansebesch werden unter Aufsicht des IICCMER in Zusammenarbeit mit Archäologen der Museen aus Karlsburg/Alba Iulia, Aiud und Turda durchgeführt. Seitens des IICCMER arbeiten zur Stunde in Karansebesch Marius Oprea, Horațiu Groza, Gheorghe Petrov, Gabriel Rustoiu und Paul Scrobotă. Sie legten am 16. Oktober weitere drei Skelette frei und erklärten, dass höchstwahrscheinlich in den kommenden Tagen und Wochen weitere mutmaßliche Opfer der kommunistischen Willkür zutage gebracht würden.