Die grüne Steuerhinterziehung

Gemüse- und Obsthandel reißt jährlich ein Riesenloch von 400 Millionen Euro in das Haushaltssäckel

Alltag auf dem Temeswarer Gemüsemarkt „Badea Cârţan“: Bildschöne Importware wird als echtes Banater Gemüse angeboten.
Foto: Zoltán Pàzmány

Die rumänische Wirtschaft und Gesellschaft scheinen nicht mehr aus der Talsenke herauszukommen, doch Schattenwirtschaft und Steuerhinterziehung blühen hierzulande wie nie zuvor. Finanzminister Daniel Chiţoiu gibt sich trotzdem optimistisch: Die Schattenwirtschaft sei in Rumänien erheblich zurückgegangen und liegt schätzungsweise zwischen 3,5 und 8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Einschätzung der EU-Kommission lag letzten Sommer jedoch bei 30 Prozent des BIP. Nur ein Teilstück, das jedoch besorgniserregende Ausmaße erreicht hat und so bald kaum zu stoppen scheint, macht die sogenannte grüne Steuerhinterziehung mit dem florierenden Gemüse- und Obsthandel im Land aus. Wohlgemerkt, es ist nicht der Handel mit dem im Land produzierten Gemüse und Obst, sondern der wie ein Krake den gesamten rumänischen Markt beherrschende Handel mit dem aus allen möglichen Ländern (Türkei, Griechenland, Spanien, Italien und bis aus Übersee) eingeführten Gemüse und Obst. Laut rumänischem Landwirtschaftsminister Daniel Constantin, der letztlich auch nur das Desaster feststellen kann, verliert der rumänische Staatshaushalt durch diese Steuerhinterziehung jährlich über 400 Millionen Euro. Und eine der Hauptquellen dieses Übels seien die ominösen Zeugnisse für die Kleinerzeuger, die lokal von den Kommunalverwaltungen weiterhin mit zu großer Leichtigkeit, wenn nicht gar aufgrund allerhand illegaler Kriterien ausgehändigt würden. Die gesamte Kontrolltätigkeit auf diesem Sektor sei ebenfalls mehr als lasch zu nennen.  

Serbische Billigimporte werden Luxuswaren auf dem Markt

Die größte Steuerhinterziehung ist im Gemüse- und Obsthandel, weit vor der des Fleischhandels und des Handels mit Broterzeugnissen zu vermerken. Fachleute schätzen jedoch auch die Steuerhinterziehung im Sektor Brotproduktion und -handel gar auf 80 Prozent. Laut Minister Constantin müsste man, um die hohe Steuerhinterziehung auf 10 bis 15 Prozent zu drücken, in diesem Sektor die Mehrwertsteuer von 24 auf 9 Prozent senken.
Der Gemüse- und Obsthandel ist jedenfalls seit einiger Zeit außer Rand und Band geraten, die Märkte sind regelrecht überwuchert, selbst Kontrollen und hohe Geldstrafen bewirken nichts mehr. Die Profite der Gemüse- und Obstmafia gehen in die Millionen Euro. Jetzt musste sich selbst die Antikorruptionsbehörde DNA in den Kampf gegen diese Mafia einschalten: Vor Kurzem wurden über 40 Hausdurchsuchungen bei Großhändlern aus den Kreisen Mureş, Bihor, Temesch/Timiş und Konstanza durchgeführt.

Den Schaden haben zuerst die Nutznießer. Fachleute der Landwirtschaftsdirektion Temesch schätzen ein, dass sich die Temescher Gemüsemärkte zu mehr als 80 Prozent in der Hand der Mafia befinden. Da funktionieren ganze Ketten von Händlern mit etlichen Unterhändlern und Mittelsmännern, die sich alle ein Stück von dem großen Kuchen abschneiden. Das eingeführte Gemüse und Obst gelangt so nunmehr zu hohen Preisen an den Käufer, die Preispolitik eines Marktes wird von der Mafia kontrolliert, also gewinnbringend hochgetrieben. Die Mafia beherrscht auch fast sämtliche Plätze eines Marktes.
Obwohl die Temeswarer Kommunalverwaltung nur allzu oft angekündigt hat, Ordnung zu schaffen und die Märkte vor allem für die Kleinerzeuger aus den Banater Dörfern freizuhalten, konnten sich bisher weder die Herren aus dem Rathaus noch die gutbezahlten Inspektoren und Kontrolleure durchsetzen. Mit dem Finger wird weiterhin auf die Kommunalverwaltungen vom Lande gezeigt: Diese würden weiterhin am Fließband Erzeugerzeugnisse produzieren, die jedoch nichts mit Kleinerzeugern zu tun hätten. Die Kundschaft wird dazu auch noch doppelt übers Ohr gehauen: Die Erzeugnisse werden mit Vorliebe als echte einheimische Banater Produkte angeboten. Und die vielen Unterhändler bezahlen keinen Gebühren und keine Steuern, verbuchen jedoch Riesengewinne.

Ein beredtes Beispiel über die Ausmaße dieses Phänomens in der Stadt Temeswar/Timişoara: Bei der letzten Landwirtschaftszählung entdeckten die Mitarbeiter verdutzt, dass es in der Stadt sage und schreibe 12.910 Kleinproduzenten von Gemüse und Obst sowie 29 derartige Firmen gibt. Alle konnten nämlich die einschlägigen Zeugnisse vorzeigen. Die Pflicht und auch die Befugnisse, da endlich Ordnung zu schaffen, hätten die dafür bezahlten Fachleute aus dem Rathaus.
Die meisten Temeswarer Gemüse- und Obsthändler bieten auf den Märkten eigentlich Ware aus dem Nachbarland Serbien an. Diese Billigimporte, dazu noch mit geringen Zollgebühren, gelangen dann als teure Ware auf den Markt: So werden zum Beispiel Äpfel aus Mazedonien, Kartoffeln und Obst, vor allem Pfirsiche (sommers gar zum Spottpreis von 0,10 Lei pro Kilogramm), aus Serbien eingeführt, um dann mit beträchtlichem Profit, zu Preisen von 4 bis 10 Lei, an den Mann gebracht zu werden.

Der Einfallsreichtum der Händler aus der Branche Gemüse- und Obsthandel kennt keine Grenzen: Vor Kurzem wurde eine Strafuntersuchung in Temeswar wegen Steuerhinterziehung mit einem einzigen unscheinbaren Erzeugnis, mit Trockenpflaumen, gegen den Verwalter einer Privatfirma gestartet. Der Händler hatte durch Steuerhinterziehung den Staatshaushalt in der Zeitspanne 2010 bis 2011 um mehr als 166.000 Lei, beziehungsweise 40.000 Euro geschädigt.
Wie „schädlich“ für die Gesundheit und den Familienhaushalt der rumänischen Normalbürger dieser an den rumänischen Gesetzen vorbeilaufende Handel ist, zeigt auch eine amerikanische Marktstudie: Food Service Warehouse befindet, dass die rumänischen Bürger europaweit am teuersten essen. Über ein Drittel ihres Monatseinkommens, beziehungsweise 34,4 Prozent, geben Rumänen für Grundnahrungsmittel aus. Im Vergleich: Unsere ungarischen Nachbarn, denen es auch nicht so gut gehen soll, bezahlen nur 17,6 Prozent, die krisengeplagten Griechen nur 14,8 Prozent dafür. Engländer und Iren geben monatlich nur 9 Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmittel aus.