Die schöne Mär von der grünen Stadt

Auch unsere Stadtparks gehen in die Wahlkampagne

Der Temeswarer Stonehenge-Park: Teure Felsblöcke aus Griechenland
Foto: Zoltán Pázmány

Nicht nur Sportsäle und Schwimmbecken, Gehsteige, Bordsteine, Kanalisation und Wasserleitung, Asphalt für Lehm- und Schotterstraßen und allerhand Vergnügungsstätten für das Volk gehören hierzulande traditionsgemäß zu den beliebtesten Wahlkampfthemen. In der Stadt wie auch auf dem Land. Alle Kandidaten für die lokale Kommunalverwaltung wissen um die Attraktion dieser Zukunftspläne bei ihrer Wählerschaft. Schöne Versprechungen kosten nichts, heißt es. Im Ernstfall bzw. zur Verwirklichung dieser Projekte wird dann der Wähler zur Kasse gebeten: Der gängige Funktionsmodus unserer Kommunalverwaltungen hat in den letzten Jahren verstärkt gezeigt, dass die Lokalverwaltung für derlei kommunale Vorhaben Millionen von Euro aus dem Haushaltssäckel abzweigen kann, dass die Geschäftspartner der Verwaltung, fast immer die gleichen, die den Zuschlag für die Ausführung erhalten, Riesenprofite daraus schlagen. 

Grüne Stadt, verschmutzte Stadt

Als eines der beliebtesten Themen erweist sich da immer wieder die Öko-Schiene, die Sorge um und die Beschäftigung mit den Grünflächen und Parks. In einer Großstadt wie Temeswar/Timişoara, das mal früher zu Recht (aber seit Jahren leider längst zu Unrecht) Stadt der Rosen oder der Parks genannt wurde, trifft ein solches Thema wie kein anderes in der Begastadt die sensible Ader der Bevölkerung. Der wahre Zustand dieser Stadt, von ökologischen Standpunkten gesehen, ist mehr als besorgniserregend. Ein Paradox: Temeswar gehört wohl noch immer zu den rumänischen Städten mit den meisten Grünflächen, muss aber auch zu den verstaubtesten und deswegen ungesundesten Städten des Landes gezählt werden. Laut dem Temescher Umweltschutzamt ist die durchschnittliche Grünfläche pro Einwohner in Temeswar bis auf 16,19 Quadratmeter gesunken, der durchschnittliche Wert beträgt in der EU jedoch 26 Quadratmeter. Schon 2010 hat das Umweltschutzamt die Stadtverwaltung wiederholt daran erinnert, ihre gesetzliche Verpflichtung einer Steigerung dieses grünen Durchschnittwertes bis auf 20 Quadratmeter ernst zu nehmen. Im Dezember 2013 sollte die Begastadt gar den EU-Durchschnitt von 26 Quadratmetern Grünfläche erreichen, was sich selbstverständlich als kaum erreichbarer Wunschtraum entpuppt hat. Gemäß eines Tätigkeitsberichtes von APM Temesch verfügt die Stadt Temeswar mit einer Gesamtfläche von 509,84 Hektar über die flächenmäßig größte Grünzone unter den Städten des Kreises Temesch, gemäß der Einwohnerzahl belegt die Stadt jedoch einen der letzten Plätze in der grünen Wertung. Das Heidestädtchen Hatzfeld/Jimbolia ist mit 80,85 Quadratmeter pro Kopf die grünste Stadt des Kreises Temesch. Die nächsten Spitzenplätze auf Kreisebene belegen die Kleinstädte Busiasch/Buziaş (74,88 ) und Gataja/Gătaia (63,39) vor Großsanktnikolaus/Sânnicolau Mare (43,03), Tschakowa/Ciacova (32,70), Detta/Deta (31,88) und Rekasch/Recaş (31,72). Selbst die Stadt Lugosch/Lugoş, steht entschieden besser als Temeswar in Sachen Grünflächen: Obwohl die Stadt an der Temesch nur 86,05 Hektar Grünfläche aufweisen kann, liegt der Durchschnitt bei 18,84 Quadratmetern pro Einwohner.

Warum ist das Konzept der grünen Stadt zu einem vitalen Thema für eine Stadt wie Temeswar geworden? Zum Teil aus objektiven, zum Teil aus subjektiven Gründen hat die Umweltverschmutzung, von Luft- bis Lautverschmutzung, in der Stadt wie auch in den Randzonen derartige Maße erreicht, die die Gesundheit der Bevölkerung ernsthaft gefährden. Wenn, laut den letzten Messungen, ein Bukarester (die Hauptstadt gilt als umweltschädlichste Lokalität des Landes) jährlich zirka drei Kilo Staub schlucken muss, so haben die Temeswarer ein ähnliches Los. Laut APM Temesch gehört die Stadt zu den verstaubtesten des Landes. Seit Jahresbeginn wurden bisher 70 Fälle von Überschreitung der gesetzlichen Limits der Staubwerte registriert, die meisten in den beiden Einfahrtsstraßen Schager Straße (45) und Arader Straße (25). In 33 Fällen wurden diese Limits gar um 80 Prozent überboten. Das ist mehr als besorgniserregend, da die EU-Normen nur sieben Überschreitungen pro Jahr zulassen. Diese landesweite städtische Luftverschmutzung hat übrigens vor Kurzem zur EU-Infringement-Prozedur in Sachen Umweltschutz für unser Land geführt, sodass alle Stadtverwaltungen, auch die Temeswars, nolens volens zu einem strikten Maßnahmenplan schreiten mussten. Die Hauptursachen sind nicht neu: Zu dem unaufhaltsam steigenden Stadtverkehr, den unentsprechenden Baustellen in allen Stadtzonen (die ewige Straßen- und Gehsteigreparatur erweist sich dabei am schädlichsten), dem unverantwortlichen Abriss alter Industrie- und Wohnbauten, der mangelhaften Müllabfuhr, dem Fehlen systematischer Reinigung der Stadtstraßen, der umweltschädlichen alten Zentralheizung der Stadt (das Heizwerk Colterm gehört nach wie vor zu den größten Umweltsündern der Stadt) kam in den letzten zehn Jahren die große Zahl der wohnungseigenen Heizzentralen mit Gaszufuhr hinzu.

Um einen effizienten Umweltschutz zu gewährleisten, genügen nicht allein die Konservierung und der Schutz der existierenden Grünzonen. Für einen besseren Wohnkomfort müssen die Grünflächen stetig erweitert und sämtliche Schadzonen (nicht nur Industriezonen, sondern auch viele Flächen zwischen den Wohnbauten) durch einen ökologischen Wiederaufbau der grünen Lunge der Stadt zugeführt werden. Es geht auch darum, die gleichen Maßnahmen in den Randzonen um die unter starker Verschmutzung leidenden Einfahrtstraßen aus Richtung Arad, Schag, Giroda und Dumbrăviţa zu treffen.

Mutter Natur oder Vergnügungsstätte?

In der Temeswarer Stadtverwaltung gibt es in den letzten Jahren verstärkt einen kuriosen Trend, aus den Stadtparks, die doch erstens als Erholungsstätten gedacht sind und als solche funktionieren sollten, Vergnügungsstätten und touristische Attraktionen zu machen. Für gehörigen Rummel sorgte im Mai 2009 die Einrichtung des alten Uzinei-Parks nach dem Modell von Stonehenge, dem bekannten sagenumwobenen britischen Monument. Das Stonehenge-Ensemble in Miniatur steht nun recht einsam da. Wie die Faust aufs Auge, wie der Volksmund sagt. Wäre es nicht wichtiger gewesen, hier einfach nur viel Grün – Bäume, Sträucher, Gras und Blumen – anzupflanzen? Die teuren Felsblöcke wurden aus der Ferne, aus Griechenland gebracht, die Stadt zahlte dafür eine horrende Summe bzw. 1,5 Millionen Lei an eine Bukarester Firma. Ja, es war schon ein Geschäft. Es folgte gar ein hässliches Nachspiel im Gerichtssaal.

Die Aufwertung und Veredelung von Stadtzonen kann auch mit anderen Mitteln und zum Beispiel mit kulturellen Bezügen realisiert werden. Im Zentralpark erinnert eine schöne Allee der Persönlichkeiten mit Banatbezug an Gründer und Vorgänger, die für die Stadt und ihre Bevölkerung Beispielhaftes und Bleibendes geleistet haben. Ein derartiges städtisches Wahrzeichen glückte der Stadtverwaltung zum Anlass des 20. Jubiläums der Städtepartnerschaft Temeswar-Karlsruhe auch durch die kürzliche Einweihung eines Karlsruhe-Platzes am ehemaligen Bihor-Platz.

Sozusagen der letzte Schlager in Sachen Modernisierung von Parks in Temeswar ist der sündig teure Fertigrasen: Hunderttausende Euro gehen so aus dem Stadtbudget drauf. Ein beredtes Beispiel: Der zentrale, kokette Doja-Park erhielt anstatt seines weit billigeren Naturrasens einen derartigen Fertigrasen, den sich die Kommunalverwaltung nahezu 80.000 Euro für zwei Hektar Grünfläche kosten ließ. Der Ausführer ist die Firma Drufec Cons, die seit Jahren an den öffentlichen Geldtöpfen der Stadt dran ist.

Kürzlich gab es eine erste, stürmische Debatte im Stadtrat über das zukünftige Schicksal des Temeswarer Jagdwalds. Es gibt viele Stimmen, die für die Modernisierung bzw. Umwandlung dieses letzten städtischen Schutzwalds in eine Vergnügungs- und Freizeitstätte der Temeswarer, eine Art riesigen Picknick-Park, sprechen. Ein Teil der Stadträte möchte eher einen verstärkten Schutz des Waldes und seiner Biodiversität durchsetzen. Die Diskussion geht weiter. In nächster Zeit wird sich wahrscheinlich wenig ändern: Von den insgesamt 723 Hektar befinden sich, zum Glück diesmal, nur 7 Prozent in Stadtbesitz, der Rest gehört dem Staat.

Mitten in der lokalen Wahlkampagne wurden die Modernisierungsarbeiten des Rosenparks, des bei den Temeswarern wohl beliebtesten Stadtparks, abgeschlossen.

Die Kommunalverwaltung kündigte aber gleichzeitig schon den Start eines anderen grünen Mega-Projekts an: Der Lidia-Park, noch „Wäldchen“ genannt, der jüngste Park der Stadt, soll im Rahmen eines Projekts für, sage und schreibe, zwei Millionen Euro ein richtig westliches Image erhalten. Auf den über 80.000 Quadratmetern soll nicht nur der vorgenannte teure Euro-Fertigrasen „sprießen“. Mit Spezialrasen für Sonne und Schatten. In 12 Monaten sollen dazu noch neue Alleen, Bänke und Papierkörbe, Spielplätze, Skate-Pisten, als Sonderattraktion ein See mit Wasserfall und sogar mehrere Öko-Parkplätze aus dem Boden gestampft werden. Warum nicht auch noch ein paar Grillplätze und Bierzelte, damit auch alle ein Stück vom Vergnügen erhalten können? Man stellt sich wieder und wieder die berechtigte Frage: Wäre es nicht einfacher, nützlicher und viel, viel billiger, hier mehr auf die gute, alte Natur , Bäume, Sträucher, Blumen und Naturgras, zu vertrauen? Muss diese offensichtliche Vergeudung der öffentlichen Gelder unbedingt sein?