Eginald Schlattner: Impulse zum Überdenken

Replik zum Leserbrief von Christine Klemm  zu Eginald Schlattners literarischem Werk (ADZ vom 12. Juli 2023)

Fakt ist: Eginald Schlattners Aussagen gegen die fünf Angeklagten im Schriftstellerprozess von Kronstadt 1959 haben ebenso wenig etwas an den Urteilen geändert, wie das eine Nicht-Aussage von ihm getan hätte: Es war ein Schauprozess mit von der Securitate vorbestimmten Urteilen. Die augenscheinlich noch immer Nicht-Anerkennung dieses Faktes in bestimmten Personenkreisen wurde nun sowohl von Frau Dr. M. Nowotnick als auch von Frau C. Klemm völlig zu Recht moniert und von der Literaturwissenschaftlerin Dr. Nowotnick noch einmal beweiskräftig „demontiert“.  Fakt ist allerdings auch, dass Schlattner der einzige von acht Zeugen war, der auch im Prozess die Angeklagten belastete. Ein Impuls zur Selbstreflexion – nicht zum Urteilen, gar Verurteilen.

Zu Ihrem Leserbrief, Frau Klemm, habe ich dennoch einige Einwände bzw. Impulse zum Überdenken:

Ihrer Aussage, „jedem bleibe es unbenommen, die Ereignisse des eigenen Lebens in einen selbst gewählten Kontext zu stellen und in diesem zu bewerten, auch ohne sich korrigieren zu lassen“ (C. Klemm, ADZ vom 12. Juli 2023) kann ich absolut nicht folgen, öffnet eine solche Einstellung ja auch Tür und Tor zum Lügen, Diffamieren, zum Verleumden, wie beispielsweise auch von Hans Bergel leider geschehen, indem er u.a. nicht abließ von der eindeutig widerlegten Behauptung, Eginald Schlattner sei Informant der Securitate gewesen. 
Auch Eginald Schlattner hat nach Ihrer fragwürdigen Devise gehandelt, vor allem in seinem Buch „Rote Handschuhe“, der sogenannten „Abrechnung mit mir selbst“ (E. Schlattner), in dem er jedoch vor allem mit anderen „abrechnet“, ehemaligen Freunden und Kollegen, die er öffentlich diffamiert, verhöhnt, bloßstellt bis ins Intimste, ja demütigt.
Verharmlosen Sie nicht solch eine – mit Verlaub – schäbige Handlungsweise, unwürdig eines Menschen wie Pfarrers, wenn Sie lapidar feststellen, dass der Roman auch manch persönlich Betroffene gegen Schlattner aufgebracht hat?

Man frage sich nicht zuletzt auch deshalb, welches literarischen Preises soll der Autor eines solchen – ohnehin und auch nicht zu Unrecht – höchst umstrittenen Werkes würdig sein? Gar das literarische Gesamtwerk Eginald Schlattners?

Er hat für dieses, sprich sein unermüdliches Eintreten für Toleranz, Respekt und Achtung, friedliches Zusammenleben von Ethnien und Völkern, hohe Ehrungen erhalten in Form des Bundesverdienstkreuzes am Bande und der Ernennung zum Kulturbotschafter Rumäniens. Glauben Sie nicht auch, dass zu diesen hohen Auszeichnungen vor allem auch die literarischen Zeugnisse Schlattners geführt haben?

Ich gehe völlig konform mit Ihnen in Ihrer Würdigung besonders seiner bildreichen, plastischen Beschreibung der unverwechselbaren Landschaft Siebenbürgens mit allem, was dazu gehört – Natur, Menschen und Dinge,  Traditionen, Legenden, Erinnerungen.

Aber Sie schreiben:„(…) trotz wiederholter Vorschläge für einen angemessenen literarischen Preis einen solchen jedoch nie bekommen hat, mag sich darauf     zurückführen lassen, dass der Vorwurf des „Verrats“ eben immer wieder auftaucht, wie oft er auch entkräftet wird. „Etwas bleibt immer hängen“, das kann man hier exemplarisch sehen.“ Hier folgen Sie vor allem auch der Meinung Schlattners selbst, der sich immer wieder öffentlich mokiert hat, dass es doch „Preise wie Sand am Meer“ gäbe und er noch nie auch nur einen geringsten erhalten habe, dies würden seine Feinde verhindern – so die sinngemäße Wiedergabe der Aussage Schlattners.

Doch ist dies wirklich der Grund?

Oder ist es nicht die Zusammenfassung vieler und teils gravierender Gründe, zu denen ohne Zweifel auch die – unberechtigte? – Ablehnung durch Menschen gehört, die an Schlattner in diverser Weise gelitten haben oder noch leiden und die von ihm rigoros als „Feinde“ bezeichnet werden?

Ist es nicht vielmehr so, dass die Leser:innen und somit auch eine Jury nach der Rezeption aller Bücher Schlattners einerseits sich beeindruckt zeigen von dessen Phantasie und Erzählfreude, – wie Sie berechtigt schreiben – „szenisch farbig und sinnlich erlebbar“, andererseits jedoch, und in nicht geringem Maße – das stelle ich vor allem als langjährige Germanistin fest – vor allem in den letzten drei Büchern vor der Veröffentlichung des wohl nun allerletzten Buches „Brunnentore“ nicht übersehbare syntaktische, auch orthografische Fehler zu finden sind und vor allem zahlreiche stilistische Mängel bis hin zu semantischen Fehlern sowie oft leider auch der Mangel dessen, welches als Literatursprache bezeichnet wird.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Bücher „Wasserzeichen“, „Drachenköpfe“ und „Schattenspiele toter Mädchen“ lektoriert wurden. Wenn nicht, warum nicht? Und wenn doch, von wem und warum in solcher Oberflächlichkeit?

Fakt ist, dass der Szolnay-Verlag nach Abschluss der Trilogie „Versunkene Gesichter“ – hervorragend betreut und lektoriert übrigens, d.h. mit enormem zeitlichen und fachmännischen Aufwand strukturiert, korrigiert, kompensiert von der verlagseigenen Lektorin Dr. Brigitte Hilzensauer -, dass dieser renommierte Verlag nicht mehr bereit war, Schlattner weiter zu verlegen, aus diversen Gründen, die hier teilweise auch eben benannt wurden.

Man stelle sich auch die Frage, inwieweit die durch alle seine Bücher sich wie ein roter Faden ziehende permanente Selbstdarstellung Schlattners, die ständige eigene wie familiäre Überhöhung preiswürdig sei?

Warum die vom ersten bis zum letzten Buch fortlaufenden Geschichten und Geschichtchen erotischer und sexueller Natur, teils in deftiger Hard-Core-Manier, immer wieder strapaziert werden müssen, wie auch und vor allem das scheinbare Faible Schlattners, immer und immer wieder und scheinbar mit Genuss dem Leser Nachttöpfe mit und ohne Inhalt und Klo´s mit Geräuschen, Gerüchen und Geschichte vor die Nase zu halten?

Preiswürdige Literatur…?

Oder nicht eher – mit Verlaub – oft genug selbstgefälliges Geschwafel, Schwadronieren, scheinbare Befriedigung eigener Gelüste, Sehnsüchte, Phantasievorstellungen?
Sicher unwidersprochen bleibt wohl schlussendlich: Eginald Schlattner polarisiert. Als Person wie als Autor.