Ehrgeizige Ziele setzen hohe Ansprüche voraus

Was die Kronstädter Destinationsmanagementorganisation berücksichtigen könnte

Der damalige Rosenauer Bürgermeister Adrian Veștea (links) machte 2011 Werbung für seine Stadt als sehenswertes Reiseziel. Foto: der Verfasser

Schwarze Kirche und Marktplatz mit altem Rathaus – die bekanntesten Kronstädter Wahrzeichen Foto: Rosenau Ritter

Bunt, dynamisch und englisch – Logo des Kronstädter Tourismusverbandes

Stadt und Kreis Kronstadt/Brașov wollen im rumänischen Tourismus, wenn nicht die führende, dann doch wenigstens eine führende Rolle spielen. Das hört man immer wieder von den lokalen Verwaltungsbehörden, also vom Bürgermeisteramt der Zinnenstadt und vom Kreisrat. Das hoffen die meisten der Reiseveranstalter, Hotel- und Gaststättenbetreiber, all jene, die im Tourismus einen Entwicklungsmotor der gesamten Region sehen. Das wünschen sich wohl viele Kronstädter für ihre Stadt und ihren Landeskreis, denn das gehört zum Profil einer Stadt und Region von europäischem Format.

Törzburg und andere Burgen als starke Attraktionen

Es wurde in dieser Hinsicht vieles versucht und auch manches erreicht. Seit einiger Zeit spricht man nun auch in Kronstadt, wie auch in anderen Städten und Ländern von einer Destinationsmanagementorganisation (DMO) – eine Organisationsform, die möglichst viele im Tourismus involvierte Behörden, Dienstleistungsträger, Reiseveranstalter, Fachkräfte, Nichtregierungsorganisationen, Vereine  umfasst und die bei der Erstellung und dann Umsetzung eines Tourismuskonzeptes für eine Destination (lokal oder regional) aktiv wird. Noch sind nicht alle Aspekte genau geklärt, wie so eine DMO aufgebaut wird und wie sie konkret arbeiten soll. 

In Kronstadt wurde nun bekannt gegeben, dass ein Projekt mit EU-Förderung für „Steigerung der nachhaltigen Managementfähigkeit für die Reisedestination Kronstadt auf Stadt- und Kreisebene“ erfolgreich abgeschlossen wurde. Dabei wollte man in Kursen von je 20 Teilnehmern von der Expertise österreichischer und Schweizer Fachleute in Sachen Destinationsmanagement mit Schwerpunkt auf nachhaltigen und umweltfreundlichen Tourismus möglichst viel lernen. Beabsichtigt wird auch, dass die lokalen Verwaltungsbehörden genauer Bescheid wissen sollen, wer was besucht und wie zufrieden über ihre Reiseerfahrung die Touristen nach Hause gehen.

Bisher hatte vor allem der Kreisrat Kronstadt und der Verein zur Förderung und Entwicklung des Tourismus im Kreis Kronstadt (APDTJBv) die Rolle gespielt, die etwa jener einer DMO zukommen würde. Der Kronstädter Förderverein für Tourismus kann auch vieles vorweisen: von einem eigenen Kronstädter Logo („Brașov be.live it“) bis zur Teilnahme an internationalen Messen; von Förderung der „Turniere der Burgen“ oder des Kronstädter Oktoberfestes bis zur Veranstaltung von Fachtagungen, Konferenzen oder Infotrips für Journalisten. Die mittelalterlichen Spiele mit Rittern, Hofdamen, Zauberern, Gauklern, Schaukämpfen und altem Handwerk bei Burgen wie jene in Rosenau/Râșnov, Marienburg/Feldioara oder Honigberg/H˛rman haben ihr Publikum und ihre Fans und auch dazu beigetragen, dass, außer dem Paradebeispiel Törzburg/Bran („Dracula-Schloss“), auch die Burgen in Rosenau, Reps/Rupea oder Marienburg, welche in den letzten Jahrzehnten eher nachgebaut als restauriert wurden, zuSehenswürdigkeiten wurden, die zusätzliche Touristen in diese kleineren Ortschaften bringen. Für Kronstadt könnte die Zitadelle am Schlossberg eine geeignete Stelle sein, um Schaukämpfe oder Jahrmärkte mit Mittelalter-Flair zu beherbergen. Dass nicht alles zum Selbstläufer wird, beweist das Beispiel eines seinerzeit beliebten, inzwischen aber aufgegebenen Festivals namens „Etnovember“. Es hatte vor allem Studenten und Leute aus dem Umfeld der Transilvania-Universität zusammengebracht, wobei es zu einer gelungenen Kombination kam zwischen Kunst (Ausstellungen, Vorstellungen), Musik (vor allem alte Musik und Jazz), mittelalterlichem Jahrmarkt in der Weberbastei mit Volkstänzen, Schaukämpfen, Handwerks-Basar, Glühwein und anschließendem Fackelzug Richtung Marktplatz. Das alles ist nun vorbei, wahrscheinlich, weil die Leute, die diese Initiative gestartet haben, älter geworden sind und sich keine tüchtigen Nachfolger finden haben lassen, wahrscheinlich auch, weil die Freunde und Sponsoren aus Gent (Belgien) inzwischen weniger präsent sind.

Andere Initiativen sind im Anfangsstadium bereits aufgegeben worden. Zwei Beispiele: Kleinbusse, die Rundreisen zu den sächsischen Kirchenburgen im Burzenland übernehmen sollten und so den Transport zu diesen Baudenkmälern deutlich besser meistern könnten als das der Kronstädter öffentliche Nahverkehr in der Lage war. Oder die Verlängerung der Bahnlinie von Rosenau nach Törzburg, eventuell mit einer Schmalspurbahn, um den in- und vor allem ausländischen Touristen die Anreise von Kronstadt zum international bekannten Dracula-Schloss zu erleichtern, mit dem Nebeneffekt, dass Rosenau und Törzburg sich wahrscheinlich gegenseitig zusätzliche Touristen „weitergereicht“ hätten. Die Törzburg hat so eine Bahn offensichtlich nicht nötig – sie bleibt mit über einer Million Touristen im Jahr die bestbesuchte Destination im Kreis Kronstadt.

Da kann man ruhig jenen Recht geben, die in der Horrorfigur Dracula, ob es nun passt oder nicht, einen  einflussreichen Botschafter Rumäniens, Siebenbürgens oder von Bran sehen – ein Markenzeichen für sich, das allein durch seinen Ruf mehr erreicht als teure Werbung. Zum Glück hat der Kreis Kronstadt auch andere „Botschafter“ - wie der britische König Charles III., der als Prinz allein durch seine Besuche und durch den von ihm geförderten Mihai Eminescu Trust viel Aufmerksamkeit und Interesse auf Deutsch-Weißkirch/Viscri lenken konnte. Der englische Dokumentarfilmer Charlie Ottley ist ebenfalls ein Gewinn für Rumänien und besonders für Kronstadt durch seine international beachteten Doku-Serien oder auch nur Werbe-Videoclips über Land und Leute in den Karpaten.

Krisen und Probleme

Wie empfindlich der Tourismus auf Krisen und Bedrohungen reagiert, hat auch Kronstadt ab 2020 zu spüren bekommen. Die Corona-Pandemie hat in jenem Jahr die Zahl der Besucher drastisch gemindert, so dass Reiseanbieter, Hotel- und Restauranteigentümer auf staatliche Subventionen angewiesen waren, um diese schwere Zeit zu überbrücken. Dass damals sogar die Zukunft von Großveranstaltungen wie Festivals oder Freiluftkonzerten in Frage gestellt wurde, erwies sich glücklicherweise als übertrieben. Das Bürgermeisteramt Kronstadt versucht nun im zweiten Jahr ein Festival („Massif“) in der Schulerau/Poiana Brașov zu veranstalten, das der Stadt ähnlich wie „Untold“ für Klausenburg/Cluj Napoca nicht nur tausende von Zuschauern (vor allem aus den Reihen der jüngeren Generationen) bringt, sondern auch ein Großereignis, eher im Bereich Unterhaltung als Kultur, anbietet, welches beweist, dass in der Stadt „etwas los ist“. Seitdem das Schlagerfestival „Der Goldene Hirsch“ (Veranstalter: das rumänische Staatsfernsehen TVR) wahrscheinlich endgültig in Kronstadt abgesagt wurde, konnte dafür kein gleichwertig medienwirksames Event gefunden oder erfunden werden. Was den landesweiten Bekanntheitsgrad betrifft, dürfte am ehesten die Kronstädter Variante des Oktoberfestes diese Lücke füllen, wobei daran erinnert werden sollte, dass es sich um bayerische Tradition mit Kronstädter Lokalkolorit samt den dazugehörenden marktwirtschaftlichen Voraussetzungen handelt.

Der Konflikt im Nachbarland Ukraine spielt ebenfalls eine gewisse Rolle für eine geringere Präsenz ausländischer Besucher in Kronstadt, sicher nicht so prägnant wie im Falle des Donaudeltas. Vielleicht noch stärker wird sich der derzeitige Nahost-Kon-flikt auswirken. Die Touristen aus Israel gehörten nämlich, zusammen mit jenen aus Deutschland oder Polen, zu den meisten ausländischen Kronstadt-Besuchern. Sie werden nun aus verständlichen Gründen vermisst werden.

Herausforderungen, die strikt auf Kronstädter Ebene von einer DMO zu meistern sind, sind Bereiche wie bessere Werbung, vor allem was das städtische  touristische Informationsbüro betrifft. Es befindet sich zurzeit im „Junii-Haus“ beim Waisenhausgässer Tor/Poarta Schei, ist aber wenig bekannt und demzufolge auch schwach besucht, zurzeit sogar zeitweilig geschlossen. Der Vorschlag, eine solche Infostelle in der Purzengasse/Str. Republicii beim Apollonia-Hirscher-Kulturzen-trum unterzubringen, fand nicht den erforderlichen Zuspruch beim Bürgermeisteramt. Reisebusse können nicht mehr durch die enge Klostergasse fahren und dürfen auch nicht am Fuße der Zinne geparkt werden, so dass die Fahrgäste bei der Postwiese aus- bzw. zusteigen und die Reisegruppen zu Fuß die Innere Stadt erkunden könnten. Dass dabei vom Stadtzentrum entferntere Sehenswürdigkeiten wie z.B. die Sankt-Nikolaus-Kirche und die erste rumänischsprachige Schule in der Oberen Vorstadt oder die evangelische Bartholomäus-Kirche, die älteste der Stadt, abseits der klassischen Stadtführungen liegen, muss von diesen in Kauf genommen werden. Was die touristische Beschilderung samt Wegweisern und Infotafeln betrifft, so gibt es diese, wobei allerdings Deutsch als Fremdsprache nur eine Nebenrolle spielt. 

Der Mangel an Parkplätzen in der Inneren Stadt ist ein Problem, das Einzeltouristen, die mit dem eigenen Pkw anreisen, aber auch Hotels betrifft und für das wahrscheinlich so leicht keine Lösung gefunden werden kann. Denn für hoteleigene Parkplätze ist wenig Platz und anderswo Parkplätze Touristen vorzubehalten, wäre verfehlt. Noch ist in Kronstadt kein Massentourismus angesagt, was mit einigen Ausnahmen auch nicht erwünscht wäre. Viele Touristen bringen unvermeidlich höhere Preise in Restaurants, Cafés und Souvenirläden mit sich. Sie lassen aber auch etwas Geld da – für Dienstleistungen und Erinnerungsartikel, Eintrittskarten, Fahrkarten usw. In der Kronstädter Tourismusbranche wünscht man sich vor allem kaufkräftigere Tou-risten,die auch mehr als eine Kronstadt-Durchreise oder eine Übernachtung planen. Wie man sie erreicht und was man ihnen anbietet, wie man sie überzeugt, wiederzukommen oder die Stadt und die Region weiterzuempfehlen – das sind die Hauptaufgaben der zukünftigen DMO Kronstadt.