Ein ADZ-Artikel über Carmen Sylva  „war der eigentliche zündende Moment gewesen“

Gespräch mit der Carmen-Sylva-Expertin Dr. Silvia Irina Zimmermann

Dr. Silvia Irina Zimmermann

Im Mai d.J. hat Dr. Zimmermann im Kulturhaus „Friedrich Schiller“ in Bukarest das deutsch-rumänische Editionsprojekt der Korrespondenz von Karl I. und Elisabeth mit dem Vater des Königs, Fürst Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen, zusammen mit Dr. Alina Pavelescu und Prof. Dr. Rudolf Dinu (Direktor der Accademia di Romania in Rom) vorgestellt. Zeitgleich fand auch ihre Illustrationen-Ausstellung „Historische Porträts und Briefzeilen“ statt. Mehr zu den Büchern, Illustrationen und neuen Buchprojekten von Dr. Zimmermann unter www.sizimmermann.de. Fotos: privat

Die in Hermannstadt/Sibiu gebürtige Literaturhistorikerin, Übersetzerin und Illustratorin Dr. Silvia Irina Zimmermann ist unserer Leserschaft bereits als Carmen-Sylva-Expertin bekannt. Ihre Ausbildung hat sie in den Bereichen Germanistik, Anglistik, Kunstgeschichte und Soziologie an der Universität in Hermannstadt/Sibiu und der Philipps-Universität Marburg gemacht. Den Doktortitel im Fachbereich Philologie hat sie von der letzteren mit einer Arbeit über das literarische Werk von Carmen Sylva (geb. Prinzessin Elisabeth zu Wied, Königin Elisabeth von Rumänien, 1843-1916) erlangt. 

Dr. Zimmermann wirkt zurzeit als Hauptherausgeberin der Schriftenreihe der Forschungsstelle Carmen Sylva des Fürstlich Wiedischen Archivs Neuwied, Deutschland, die sie auch ehrenamtlich leitet und hat bis dato insgesamt 30 Bücher auf Deutsch und Rumänisch zum Leben und Werk der Königin Elisabeth von Rumänien und dem Hof des Königs Karl I. von Rumänien geschrieben, herausgegeben und übersetzt. In einem Interview mit ADZ-Redakteurin Cristiana Scărlătescu ging sie auf mehrere Details ihrer vielseitigen Tätigkeit ein.


Frau Dr. Zimmermann, Sie wurden in Hermannstadt geboren, wo Sie später auch Germanistik und Anglistik studiert haben. Woher stammt Ihr persönliches Interesse für die rumänische Monarchie und insbesondere für Königin Elisabeth zu Wied?

Mit Hermannstadt, wo ich geboren und aufgewachsen bin, hatte mein Forschungsthema Carmen Sylva zunächst keine besondere Verbindung, auch nicht mit meiner Familiengeschichte. Es war aber tatsächlich der Ort, wo mir im Winter 1993 dieser Gedanke zum ersten Mal kam und zwar durch einen Zufall. Ich studierte damals dank eines Stipendiums bereits an der Philipps-Universität Marburg und als ich in den Winterferien wieder in Hermannstadt war, entdeckte ich einen Artikel über Carmen Sylva in der „Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien“. Das war der eigentliche zündende Moment gewesen, der meine Neugier auf die Literatur der Königin weckte. Mein Interesse galt vor allem dem Phänomen der Königin, die zugleich Schriftstellerin war, und die ihre Literatur in deutscher Sprache als Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache und als Werbung für Rumänien zur Zeit der Herrschaft von König Karl I. von Rumänien einsetzte. 

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, die Forschungsstelle des Fürstlichen Wiedischen Archivs „Carmen Sylva“ in Neuwied zu gründen und was waren die konkreten Schritte?

Während meiner Forschungstätigkeit habe ich den Kontakt zur Geburtsstadt Carmen Sylvas, Neuwied, über die Jahre weitergepflegt, sowohl mit dem langjährigen Leiter des Fürstlich Wiedischen Archivs, Herrn Dr. Hans-Jürgen Krüger († 2017), als auch mit dem Direktor des Roentgen-Museums, ehemals das Kreismuseum, Herrn Bernd Willscheid. Seit 2010 habe ich mehrere Bücher über Carmen Sylva und Neuausgaben aus ihrem literarischen Werk veröffentlicht. Für die Buchillustration der Forschungsbände und Editionen habe ich aus dem Fotoarchiv Carmen Sylva zahlreiche historische Fotografien verwenden dürfen. Dafür bin ich dem Fürstenhaus Wied sehr dankbar, denn die Bucheditionen sind so viel anschaulicher gelungen, als sie es ohne dieses historische Fotomaterial geworden wären. Durch diese sehr fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Fürstlich Wiedischen Archiv ergaben sich auch weitere Kooperationen, zum Beispiel mit Verlagen in Rumänien, wo ich ab 2013 mehrere rumänische Editionen zum Leben und Werk Carmen Sylvas mit umfangreichem Fotomaterial des Neuwieder Archivs veröffentlichen konnte. 

Es interessierte mich zunehmend, auch Archivmaterial aus Rumänien, das bisher noch nicht editorisch verwertet wurde, neu zu erschließen und so neue Erkenntnisse zur Geschichte des rumänischen königlichen Hofes in Bukarest und ihrem ersten Königspaar zu gewinnen und in Buchform öffentlich verfügbar zu machen. Für dieses Vorhaben wollte ich einen passenden Rahmen schaffen und so weitere Kooperationen mit einzelnen Historikern und Philologen für Sammelbände sowie Editionsprojekte für ausgewähltes Archivmaterial in Zusammenarbeit mit weiteren Archiven ermöglichen. Meine Initiative stieß auf Interesse im Fürstlich Wiedischen Archiv und im Fürstenhaus Wied, sodass die Forschungsstelle 2012 gegründet wurde. Für den wissenschaftlichen Beirat der Forschungsstelle konnten wir mehrere Historiker und Literaturwissenschaftler gewinnen, darunter den Direktor des Goethe-Instituts Prof. Dr. Dr. h.c. Volkmar Hansen, die Historikerin Dr. Edda Binder-Iijima, den Romanisten Professor Dr. Klaus Heitmann und den Literaturhistoriker Prof. Dr. Nicolae-Șerban TanașȘoca. 

Haben Sie die örtlichen Behörden dabei unterstützt?

Es gab vielerlei Hilfeleistungen von institutioneller Seite, neben der hauptsächlichen Unterstützung durch das Fürstlich Wiedische Archiv auch von anderen Archiven vorwiegend für Recherchearbeit, Zugriff auf weiteres Archivmaterial und die Erlaubnis zur Veröffentlichung. Ganz wichtig war auch die Unterstützung bei der Präsentation der veröffentlichten Forschungsbände und Editionen gewesen und dass die neuen Bücher von mehreren Instituten und Bibliotheken in Deutschland und Rumänien erworben sowie vor Ort vorgestellt wurden. 

Besonders erwähnen möchte ich die überaus große Unterstützung durch das Rumänische Nationalarchiv in Bukarest, insbesondere durch die stellvertretende Direktorin Dr. Alina Pavelescu, dank derer zwei bedeutende und umfangreiche Briefeditionen des Königspaares in deutscher Sprache realisiert werden konnten, die auch in rumänischer Übersetzung in zwei namhaften rumänischen Verlagen erschienen sind (Humanitas und Corint). 

Das Kulturhaus „Friedrich Schiller“ in Bukarest ist seit der Entstehung der Forschungsstelle Carmen Sylva ein konstanter Partner für die Vorstellung neuer Bücher und Projekte gewesen, und ich bin dem überaus engagierten Team, der Direktorin  Mariana Duliu und Eventmanagerin Aurora Fabritius sehr dankbar für die vielfachen Vorbereitungen und die besonders schöne Atmosphäre bei jeder Veranstaltung im Schillerhaus.

Was für Dokumente enthält der Bestand des Archivs und wer darf dort forschen?

Es gibt ein reichhaltiges Fotoarchiv, Familiendokumente und Briefe sowie einige Handschriften Carmen Sylvas. Das Archiv war zeitweise gesperrt, weil der letzte Leiter in der Coronazeit leider verstorben ist, doch demnächst wird ein neuer Leiter die Anfragen von Interessenten und Forschern wieder entgegennehmen und beantworten können. 

Durch Ihre Bücher und Forschung haben Sie einen wichtigen Beitrag für die Literaturgeschichte und die Geschichte der rumänischen Monarchie geleistet. Das rumänische Königshaus hat Ihren Verdienst anerkannt und Sie 2013 mit der Medaille „König Michael I.“ ausgezeichnet. Wie empfindet das deutsche Publikum Ihre Bücher und wie wird das Thema Monarchie dort aufgenommen?

Es gibt einige Werke Carmen Sylvas, die im Kontext der deutsch-rumänischen Kulturbeziehungen zu ihrer Zeit interessant sind und auch heute noch einen Lesegenuss bereiten, darunter ihre „Pelesch-Märchen“, die Aphorismen, einige Gedichte und Essays sowie ihre literarischen Übersetzungen, die zu den ersten aus der rumänischen Literatur zu ihrer Zeit gehören.   

Die Herrscherzeit des Königs Carol I. in Rumänien ist eine historische Zeitspanne, die in Rumänien und hinsichtlich der deutsch-rumänischen Beziehungen weitgehend positiv zu betrachten ist. Es ist die Zeit, in der Rumänien die Souveränität erlangte und ein Königreich wurde, und dies war ein Verdienst von König Carol I. und der rumänischen politischen Elite jener Zeit. Insofern bleibt die rumänische Königsfamilie mit der Staatsgründung des unabhängigen Rumäniens eng verbunden. So sind auch Bücher über die historischen Persönlichkeiten der Königsfamilie und auch die Literatur der beiden ersten Königinnen Elisabeth und Maria weiterhin bei den rumänischen Lesern sehr beliebt. Auch in Deutschland interessieren sich Leser für die Märchen, Essays, Sinnsprüche und Erinnerungen der Elisabeth zu Wied. Für die Geschichte der Deutschen in Südost-europa sind die Briefeditionen des ersten Königspaares relevant, das sind die Briefe in der Ehe von Carol I. und Elisabeth und der Briefwechsel des Königs mit seinem Vater Fürst Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen, der für die ersten Herrschaftsjahre Carols in Rumänien sehr aufschlussreich ist.

Sie sind nicht nur Forscherin, Schriftstellerin und Übersetzerin, sondern auch  Illustratorin. Wann haben Sie Ihr Talent entdeckt und welche darstellenden Ausdrucksmittel oder Technik bevorzugen Sie für Ihre Buchillustrationen?

Ich konnte schon immer gut zeichnen, aber erst seit einigen Jahren nutze ich dieses Können auch für Buchillustrationen. Es sind vornehmlich Federzeichnungen, die ich fertige.

Haben Sie auch Bücher anderer Autoren illustriert?

Meine ersten Buchillustrationen waren botanische Zeichnungen von Parfümblumen und historische Parfümflakons für das Buch von Claudiu Sfirschi-L²udat: „Osmé. Antologie de texte pentru nasul oricui“ (Bukarest, Verlag Peter Pan Art, 2022), eine rumänische Anthologie literarischer Texte über den Geruchssinn, Gerüche, Duftreize und Parfüms. Ein wunderbares Buch und für mich eine Ehre und Freude, mit meinem Bildschmuck Teil dieses schönen Buchprojekts gewesen zu sein!

Zu welchen Themen planen Sie in der nahen Zukunft zu schreiben oder ein Buch herauszugeben und wann kann die Leserschaft mit einem neuen Band oder einer Übersetzung rechnen?

Ich arbeite derzeit an einem deutschsprachigen Projekt mit Texten mehrerer Autoren, zu denen ich auch den Buchschmuck fertige. Es wird auch noch einiges aus der Literatur der beiden Königinnen Elisabeth und Königin Maria geben. 

Wir bedanken uns für das Interview und wünschen Ihnen auch weiterhin viel Erfolg!