Ein Streich, der schlimme Folgen hätte haben können

Wie Johann Boschner Nicolae Ceauşescus Überwachungsapparat veräppelte

Johann Boschner zu Besuch in der Redaktion der „Karpatenrundschau“

Kürzlich besuchte uns in den neuen Räumen der Redaktion der „Karpatenrundschau“ in Kronstadt/Bra{ov Johann Boschner (73), heute Rentner in Rottenburg am Neckar und oft auch unterwegs in seiner Heimatstadt Kronstadt.
Da er einer meiner sehr alten Bekannten ist, noch aus der Zeit der Grundschule, war es eine willkommene Gelegenheit, Erinnerungen aus alten Tagen aufzufrischen, vor allem einen Streich, den sich Misch, wie er genannt wurde, erlaubt hat.
Johann Boschner hatte die Grundschule Nr. 10 in der Langgasse in Kronstadt besucht und anschließend die Berufsschule für Gastronomie. Sehr jung schon spielte er Handball und nach einem Jahr bei dem ehemaligen „Carpaţi-Trust“ wechselte er als Handballspieler den Arbeitsplatz zum  Traktorenwerk. Auch den Wehrdienst leistete er als Sportler, bei der Dinamo-Einheit und später als ausgewiesener Spieler der Handballmannschaft „Tractorul“. Dienstlich wurde er im Traktorenwerk in die Versorgungsabteilung verfrachtet und blieb, bis er 34 wurde, einer der sehr guten Spieler der Stadt. Anschließend wurde er Schiedsrichter und Pfiff bei Spielen der A Liga bis 1986.

„Im Kreis der Kollegen, aktiven Handballschiedsrichtern oder auch nicht mehr, haben wir uns immer zu Jahresende, gemeinsam mit der Familie, einmal getroffen und gefeiert. Es war das Jahresende 1988, es hatte geschneit und wir waren in dem Hotel, welches in Predeal an der Nationalstraße liegt und zu dem ein großer Sportplatz gehört. Man kann es von der Straße im Vorbeifahren gut sehen, ich weiß nicht, wie es heute heißt, und wie es vor 1989 hieß, habe ich vergessen. Das Hotel wurde vor 1989 oft von Nicu Ceauşescu belegt und von seinem Vater, dem damaligen Präsidenten und Generalsekretär der Kommunistischen Partei nur dann besucht, wenn er dort mit dem Hubschrauber auf dem Sportplatz landete und in den Wagen umstieg, mit dem er zu seiner Jagdhütte gefahren wurde. Als wir in dem besagten Jahr feierten, stand der Hubschrauber schon in der Mitte des Sportplatzes, umkreist von frierenden Soldaten mit Maschinengewehren und einem Offizier sowie zwei Gruppen von Sicherheitsleuten, eine bei der Einfahrt zum Sportplatz und noch eine direkt am Tor, das durch den Maschendrahtzaun führte. Von dem Hotel aus, wo wir feierten, konnte man alles sehr gut überschauen: Landstraße, Einfahrt, Sportplatz, Wachen und Hubschrauber. Gefeiert haben wir, ohne zu übertreiben, bis in den Morgen und uns unendlich über Spiele und Spieler unterhalten und gestritten. Gegen Morgen, als die Stimmung nicht mehr so angeregt war und die Blicke sich öfters der Uhr zuwandten, auch die Müdigkeit machte sich bemerkbar, da wollte ich wieder etwas Schwung in die Runde bringen und hatte eine Idee: Ich sagte zu den Kollegen (wir waren immer so um die 20 Personen), dass ich an allen Kontrollen vorbei bis zum Hubschrauber gelange und auch zurück. Da wurden plötzlich alle quicklebendig und widersprachen heftig, dass so etwas überhaupt möglich sei und sie prophezeiten mir, ich werde mein blaues Wunder erleben.

Also machte ich mich daran, das Gegenteil zu beweisen. Ich zog mich um, in graue Hosen, hellblaues Hemd und – darauf hatte ich gebaut – ein dunkelblaues Sakko, ein Geschenk von „draußen“, von meinem Onkel. Als Schlips hatte ich auch eine dunkle Krawatte, ohne jede Verzierung. Einen Aktenkoffer habe ich mir ausgeliehen und so bin ich aus dem Hotel direkt, sehr geschäftig und wichtigtuerisch auf die erste Kontrollmannschaft zugegangen. Ich sah genau wie ein „Securist“ aus! Die haben mich natürlich in Empfang genommen, was ich denn dort wolle. Ich sagte ihnen, meine Aufgabe sei von allerhöchster Dringlichkeit, da ich sofort den Hubschrauber vom „Şefu“ zu überprüfen habe, weil dieser, sobald es hell wird, starten wird. Sie verlangten eine Bewilligung, ein Papier, irgendetwas und ich konterte, man hätte ihnen das schon mitgeteilt und meine Unterlagen krame ich nicht aus meinem Aktenkoffer hervor, wo die Wagenkolonne gleich auftauchen kann. Sie ließen mich passieren! Wenige Schritte weiter war das Tor des Sportplatzes, wo sich die Prozedur wiederholte, doch ich hatte den Vorteil, die erste Kontrolle hinter mir zu haben. Ich sagte also, man könne die anderen Kollegen fragen, wenn man mehr über mich wissen wolle, und passierte auch das Tor.

Der Ring von Soldaten war die letzte Hürde, doch die hatten mich ja schon im Sichtfeld und wollten nur noch wissen, was ich denn genau am Hubschrauber sehen wolle. Na, ob alles in Ordnung sei, habe ich forsch geantwortet und mich daran gemacht, diesen zu ‘begutachten’. Ich habe mich rundum bewegt, mir alles genau angesehen, als ob ich ein Fachmann gewesen wäre, hineingeschaut und zufrieden genickt. Das war eigentlich alles, was ich wollte, denn alle Kollegen drückten sich unterdessen die Nasen an den Fenstern platt und kamen nicht aus dem Staunen! Der Rückweg war die leichteste Übung, alle salutierten  mit dem obligaten „Să trăiţi“ und fort war ich. Ich hatte es geschafft!“ So erzählt Hans Boschner belustigt über den Streich, ein Geschehnis, über welches bis zu seiner Ausreise 1991 geschwiegen wurde: Die Kollegen, weil sie Angst hatten, solch einen Coup nicht gemeldet zu haben, die Wachen, weil sie es dachten, sie hätten irgendwelche Anweisungen wohl nicht mitbekommen. Sie dachten vielleicht auch gar nicht daran, dass jemand so unverfroren sein kann.