Eine Folge der Veränderungen nach der Wende?

Anzahl der Ehen, aber auch der Scheidungen im Vergleich zu 1990 gesunken

Die Firma „Frames“ für strategische Beratungsleistungen hat eine Studie über Heirats- und Scheidungsdynamiken im Zeitraum 1990-2018 in Rumänien angefertigt. Die auf Basis der Angaben des Nationalen Statistikamts verfasste Studie wurde von der Presseagentur Mediafax zusammengefasst. Darin wird gezeigt, dass im Vergleich zu 1990 Rumänen und Rumäninnen später heiraten. Könnte dies eine Folge der politischen Wende 1989 sein?

Anzahl der Eheschließungen gesunken

30 Jahre Demokratie, Kapitalismus, westliche Einflüsse, Emanzipation und ökonomische Wandlungen haben das Leben von Paaren geändert. Vor der Revolution bekam man keine Wohnung zugeteilt, wenn man keine Familie gegründet hatte, man hatte keinen Zugang zu manchen Arbeitsplätzen, wenn man nicht verheiratet war – Faktoren, die vermutlich Einfluss darauf hatten, ob und wann man sich entschied zu heiraten.
Als Meilenstein dient dieser Studie das Jahr 1990, also ein Jahr nach der Revolution von 1989, als 8,3 Ehen pro 1000 Einwohner registriert wurden. Frames stellt fest, dass in den letzten 30 Jahren die Anzahl der Eheschließungen pro Jahr drastisch gesunken ist. Ein negativer Rekord wurde 2010 verzeichnet: Dies könne mit den Jahren der Weltfinanzkrise 2010, 2011 und 2012 erklärt werden. Nach dem Abflauen der Krise gingen wieder mehr Rumäninnen und Rumänen zum Standesamt. Im Jahr 2018 wurden 6,5 Heiraten pro 1000 Einwohner registriert, insge-samt 143.292 Eheschließungen – das sind 679 mehr als im Jahr zuvor.

Die Statistiken zeigen, dass 1990 Männer im Schnitt im Alter von 25 Jahren heirateten, Frauen dagegen bereits im Alter von 22 Jahren. Seitdem ist das Durchschnittsalter bei beiden Geschlechtern stark gestiegen, das durchschnittliche Heiratsalter beträgt für Männer nun 31,9 Jahre und für Frauen 28,7 Jahre. Eine der Ursachen für die Verschiebung des Zeitpunkts der Eheschließung sind, neben der Veränderung der Mentalität, auch die ökonomischen Bedingungen – also der Kampf um eine Wohnung oder die Aufnahme eines Bankkredits, der im Zusammenhang mit dem Einkommen steht. Die Lebenshaltungskosten sind immer schwerer zu bestreiten. Deswegen warten viele junge Erwachsene auf eine Besserung der finanziellen Lage, bevor sie heiraten oder Kinder kriegen.

Im Vergleich zu Bukarest (11,5 Eheschließungen pro tausend Einwohner) ist die Heiratsrate in anderen Kreisen kleiner, etwa in Ilfov (7,7%), Jassy (7,0%), Tulcea (4,6%) und Vâlcea (3,4%). Im europäischen Kontext besitzt Rumänien, neben Litauen (7,5%), Zypern und Lettland (6,8%) und Malta (6,3%), eine hohe Heiratsrate. Zwei der Länder an der Grenze Rumäniens haben eine kleinere Rate: Bulgarien (4,0%) und Ungarn (5,2%).

Scheidungen: Männer lassen sich in späteren Jahren scheiden

Die Frames-Studie teilt mit, dass die Anzahl der Scheidungsfälle im Vergleich zu 1990 gesunken ist. 1990 registrierte man 32.966 Scheidungen, während 2018 der Wert bei 30.857 lag. Die Scheidungsrate ist von 1,42% im Jahr 1990 auf 1,39 im Jahr 2018 gesunken.

Aus der Gesamtzahl der registrierten Scheidungsfälle wurden zwei Drittel „mit Zustimmung der Partner“ vollzogen. Als „schuldig“ wurden bei 47% der Fälle beide Partner befunden, bei 11% der Mann, bei 3,9% die Frau, und in 37,8% der Fälle lag die Schuld bei anderen Faktoren.

Das Durchschnittsalter der Männer bei der Scheidung betrug im Jahr 2018 43 Jahre, das der Frauen 39,3 Jahre. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Anzahl der geschiedenen Frauen bis zum Alter von 30 Jahren 2,4 Mal größer ist als die Zahl der geschiedenen Männer im gleichen Alter. Nach dem Alter von 50 Jahren wird die Anzahl der geschiedenen Männer wesentlich größer, etwa 1,4 mal in den Altersgruppen 50-54; 1,8 mal zwischen 55-59 Jahren und über 1,9 mal bei Männern über 55.

Eine höhere Scheidungsrate wurde im städtischen Raum verzeichnet, doppelt so viele Fälle wie im ländlichen Raum. Dies könnte eine Folge der konservativen Mentalität der Menschen am Land sein.
Bukarest führt die Liste mit 2888 Scheidungsfällen pro Jahr an, der Kreis Vâlcea bildet das Schlusslicht mit nur 215 Fällen. Im europäischen Kontext befindet sich Rumänien mit einer Scheidungsrate von 1,5% im Mittelfeld.

Heutzutage wird das Leben als Paar für viele Rumäninnen und Rumänen mehr dem Bereich der Gefühle zugeordnet. „Es gibt Paare, die auch ohne Dokumente zusammenleben. Die Ursache dafür ist der große finanzielle Schritt, für den man sich entschließen muss. Jedoch bedeutet das Leben zusammen immer noch viel mehr als das“, lautet eine der Interpretationen der Zahlen seitens der Analysten.