„Eine großartige Geste Rumäniens“

Zum ersten deutsch-rumänischen Freundschaftstag am morgigen Sonntag: Ein Gespräch mit dem  Abgeordneten der deutschen Minderheit, Ovidiu Ganț, und dem deutschen Botschafter, Dr. Peer Gebauer

Der deutsche Botschafter Dr. Peer Gebauer (l.) und der Abgeordnete der deutschen Minderheit, Ovidiu Ganț (r.) | Foto: Sonja Gebauer

Am 21. April 1992, vor genau 32 Jahren, haben Deutschland und Rumänien den „Vertrag über freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa“ unterzeichnet. Es war kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, Deutschland war gerade frisch wiedervereint, der Kalte Krieg beendet, die ehemaligen Ostblock-Staaten orientierten sich neu in Richtung Demokratie. Der Fall des Eisernen Vorhangs legte aber auch den Grundstein für die Erweiterung der Europäischen Union, der Rumänien 2007 beitrat, was die bisherige Partnerschaft mit Deutschland auf ganz andere Dimensionen hob.

Alle fünf Jahre, zuletzt am 21. April 2022 wurde das Jubiläum dieser Freundschaft gefeiert: zum letzten Jubiläum, dem 30., wurden die engen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen bereits hoch gelobt: Deutschland als wichtigster Handelspartner und Investor für Rumänien; Rumäniens konstruktive Rolle im Zusammenhang mit den durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine ausgelösten geopolitischen Herausforderungen.  

Nun hat das rumänische Parlament dieser Freundschaft ein herausragendes symbolisches Denkmal gesetzt: Am 21. April 2024 wird zum ersten Mal der per Gesetz eingeführte „Tag der Freundschaft zwischen Rumänien und der Bundesrepublik Deutschland“ begangen. Was dieser Tag bedeutet und wie es dazu kam, erklären der Abgeordnete der deutschen Minderheit, Ovidiu Ganț, und der deutsche Botschafter, Dr. Peer Gebauer, in einem gemeinsamen Interview mit ADZ-Chefredakteurin Nina May.

Am Sonntag wird hierzulande erstmals offiziell der deutsch-rumänische Freundschaftstag begangen. Worin besteht das Plus im Vergleich zum Freundschaftsvertrag von 1992?

Dr. Peer Gebauer (PG): Es war eine großartige Geste Rumäniens, diesen Freundschaftstag einzuführen! Ein wunderbares Zeichen der Verbundenheit zwischen unseren beiden Ländern. Ein Festtag, der Anlass bietet, innezuhalten und dankbar zu sein für diese enge Kooperation. Und die Idee ist tatsächlich etwas Neues: Mir ist nicht bekannt, dass Deutschland mit vielen anderen Ländern ähnliche Freundschaftstage hätte. Es gibt zwar wichtige Tage im Verhältnis auch mit anderen Ländern, wie etwa der Elysée-Tag, der die Deutsch-Französische Freundschaft würdigt. Diese Initiative aber ist etwas Besonderes – und es macht uns schon stolz, dass das rumänische Parlament diesen Tag eingeführt hat.

Der Dank dafür gebührt vor allem Ovidiu Ganț und Silviu Vexler, den Abgeordneten der deutschen und der jüdischen Minderheit, die gemeinsam diese Initiative gestartet haben. Dass zeitgleich auch ein rumänisch-israelischer Freundschaftstag (Anm. Red.: am 14. Mai) eingeführt wurde, unterstreicht die bekannter-maßen gute Kooperation zwischen den beiden Parlamentariern. Wir sind sehr glücklich und stolz, dass es diesen Tag nun gibt und freuen uns schon, ihn jedes Jahr entsprechend zu begehen.

Ovidiu Ganț (OG): Das Gesetz an sich bringt keine konkreten Folgen mit sich, bis auf symbolische Gesten, etwa das Hissen der deutschen Flagge. Aber es zeigt der Öffentlichkeit, was der Stand der Dinge ist! Die Bundesrepublik Deutschland ist mit Abstand der wichtigste Partner Rumäniens in der Europäischen Union, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch. Der kürzliche Besuch von Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat das nochmal verdeutlicht: Kein anderes Land in der EU hat eine so intensive politische Beziehung zu Rumänien wie Deutschland. Deutschland ist mit Abstand der wichtigste Investor, der wichtigste Handelspartner Rumäniens sowieso, und dank des Vertrags von 1992 auch der wichtigste Unterstützer der deutschen Minderheit.

Wie kamen Sie auf die Idee für den Freundschaftstag und welche Argumente haben Sie im Parlament dafür vorgebracht? Gab es auch Gegenstimmen?

OG: Vor dieser hat es zwei ähnliche Initiativen gegeben: Die Regierung hat einen Freundschaftstag mit Polen vorgeschlagen, der wurde auch adoptiert, und einen ebensolchen mit den wichtigsten Alliierten innerhalb der NATO, den USA. Da habe ich mir gedacht: Deutschland ist doch mindestens so wichtig wie die USA! Silviu Vexler und ich haben dann beschlossen, dasselbe für Deutschland und auch für Israel vorzuschlagen. Relevant aber ist das Ergebnis der Abstimmung für den Freundschaftstag mit Deutschland: Im Senat waren es, glaube ich, 103  Für- und 2 Gegenstimmen , in der Abgeordnetenkammer 247 Für- und 3 Gegenstimmen – ein paar „Șoșocisten“, die völlig irrelevant sind. Sogar die AUR hat dafür gestimmt, so selbstverständlich ist es, dass die Bundesrepublik Deutschland unser Freund ist.

Sie sind der Abgeordnete der deutschen Minderheit – hat die deutsche Minderheit einen Nutzen von diesem Freundschaftstag?

OG: Wir haben immer einen Nutzen von der Tatsache, dass wir die Bundesrepublik als Mutterland haben! Als Abgeordneter der deutschen Minderheit, das muss man verstehen, profitiere ich enorm von der Tatsache, dass die Beziehungen zwischen Rumänien und Deutschland exzellent sind. Es gibt auch andere Minderheiten-Abgeordnete, wo die Beziehungen Rumäniens zu deren Mutterland nicht so rosig sind – und der Unterschied ist deutlich spürbar.

Was ist für den ersten Freundschaftstag seitens der deutschen Botschaft geplant?

PG: Für dieses Jahr werden wir am 30. April einen großen Empfang auch mit prominenter Vertretung seitens der rumänischen Regierung organisieren. Das wird ein starkes Symbol für unsere Freundschaft sein, die wir damit auch öffentlich zeigen und feiern.

Und seitens des rumänischen Parlaments?

OG: Das Parlamentsgebäude in der Hauptstadt wird am 21. April in den Farben der deutschen Flagge angestrahlt und die deutsche Flagge wird davor gehisst.

PG: In der Tat werden wir durch diesen Tag auch gegenüber anderen Staaten deutlich machen, dass wir eng und partnerschaftlich zusammenarbeiten. Die beiden Regierungen und Parlamente leben das auch regelmäßig vor, wenn es darum geht, Initiativen gemeinsam voranzutreiben und sich gegenseitig zu unterstützen. Das passiert ganz häufig im europäischen Kontext, wo wir mit einer Stimme sprechen. Deutschland ist immer dankbar dafür, in Rumänien einen „like minded“ Partner, der die gleichen Werte und Vorstellungen vertritt, an seiner Seite zu wissen.

Der Freundschaftstag soll auch Schulen die Möglichkeit bieten, Projekte zu diesem Freundschaftstag durchzuführen. In diesem Kontext möchte ich auch das von Herrn Ganț und Herrn Vexler eingebrachte Gesetz zur verpflichtenden Holocaust-Aufklärung als Schulfach erwähnen. 

Gibt es in diesem Zusammenhang die Idee einer Kooperation zwischen den Minderheiten und Deutschland? Könnten Schulen diesen Freundschaftstag so begehen?

OG: Ich hoffe, dass unsere Lyzeen mit Deutsch als Muttersprache das machen werden und die Chance wahrnehmen – wie sie das umsetzen, steht den Schulen freilich frei.

Was die Kooperation zwischen den Minderheiten anbelangt zum Thema Holocaust-Aufklärung: Das ist ein kontinuierlicher Prozess. Es kommen immer wieder Sachen auf, wo wir mit Silviu Vexler zusammen handeln. Nur eines muss auch klar sein: Egal, wie großartig wir als Parlamentarier wären, zu zweit würden wir gar nichts erreichen! Die Tatsache, dass so etwas wie das Gesetz zum Holocaust-Unterricht im Parlament durchging, beruht auf unseren politischen Beziehungen im Parlament, also dem Standing von Silviu Vexler und mir bei den größeren Fraktionen und Parteien. Im Falle der Aufklärung zum Holocaust und der Geschichte der jüdischen Gemeinschaft waren beileibe nicht alle „amused“ von der Sache. Es hat Widerstand gegeben – aber wir haben ihn gebrochen mit Hilfe der einflussreichen großen Parteien.

Widerstand?

OG: Widerstand seitens der rumänischen Politiker und der Gesellschaft, dass das Gesetz zur Einführung des Schulfachs überhaupt angenommen wird. Denn in Rumänien funktioniert das noch immer nicht, dass man die eigene Geschichte kritisch betrachtet und Kriegsverbrecher, also Figuren wie Ion Antonescu, General Macici oder die Eiserne Garde, die Legionärsbewegung, verurteilt. Es gibt Stimmen in der Gesellschaft, auch heutzutage, die meinen, das wären Helden gewesen. Das muss bekämpft werden durch die Wahrheit, jemand muss diese Wahrheit präsentieren und diese Wahrheit muss an die jungen Generationen herangebracht werden. Und das ist uns gelungen, jetzt haben wir sogar mehrere Lehrbücher zum Thema ausgearbeitet. Bis sich aber die Gesellschaft ändert und die Mentalitäten, das wird noch ein paar Generationen dauern.

PG: Weil vorhin der Besuch von Bundesinnenministerin Faeser erwähnt wurde: Bei ihrem Treffen mit Ovidiu Ganț und Silviu Vexler im Choral-Tempel kurz vor der Rückreise war sie tief berührt von der engen Kooperation der beiden und beeindruckt von den gemeinsamen wichtigen Initiativen, wie das verpflichtende Lehrfach zur Holocaust-Aufklärung an Schulen.

Sie zeigte sich aber auch tief beeindruckt vom Wirken der deutschen Minderheit hierzulande – es gab auch ein Treffen von ihr mit den Vertretern derselben. Sie weiß, dass die finanzielle Unterstützung durch die Bundesregierung hier sehr gut angelegt ist, auf große Wertschätzung stößt und vieles bewirkt. Deshalb war das ein großartiger und wichtiger Besuch.

Auch die ADZ und das Forum als Herausgeber wurden erwähnt und die Ministerin weiß es zu schätzen, dass es eine deutschsprachige Tageszeitung in Rumänien gibt. Auch das ist einzigartig.

Was schätzen Sie beide ganz persönlich an der deutsch-rumänischen Freundschaft? Wie erleben Sie sie im Alltag?

OG: Ich bin sehr dankbar für die Zusammenarbeit mit der Botschaft und den beiden Konsulaten in Temeswar und in Hermannstadt, deren Existenz essenziell ist für die deutsche Minderheit. Ich schätze aber auch die ganz persönliche Freundschaft, die sich mit Sonja (Gebauer) und Peer entwickelt hat. Aber auch, dass wir als Minderheit jederzeit bei der Botschaft anklopfen können, wenn etwas manchmal nicht richtig läuft mit den rumänischen Behörden. Da gibt es manchmal Situationen, wo wir direkte Unterstützung brauchen und dafür sind wir sehr dankbar. Das habe ich auch gegenüber der Bundesinnenministerin erwähnt.

PG: Ich kann von meiner Seite nur den Dank weitergeben an Ovidiu Ganț und die anderen Vertreter der deutschen Minderheit für die ganz wichtige Arbeit, die sie hier tun, für Rumänien, für Deutschland und die deutsch-rumänischen Beziehungen. Es ist für uns als Botschaft ein ganz großer Glücksfall und Gewinn, diese Partner an unserer Seite zu haben. Einen solchen Partner hat man typischerweise als deutsche Botschaft und als deutscher Botschafter nicht, wenn man irgendwo auf der Welt seinen Dienst leistet, da ist man auf sich allein gestellt. Ich profitiere immer von den Erfahrungen und dem Rat von Ovidiu Ganț, der sich hier seit Jahren im politischen Lager auskennt. Ich bin immer sehr dankbar für seine Einschätzungen.

Vielen Dank für das interessante Gespräch.