Eine persönliche Begegnung mit jüdischer Geschichte

Das „Muzeon“-Museum erzählt die Lebensgeschichten von drei Klausenburger Juden

Flavia Craioveanu hat zusammen mit ihrem Mann Dan Craioveanu, der jüdische Vorfahren hat, „Muzeon“ entwickelt und umgesetzt. Fotos: Muzeon

Vor dem Krieg hatte Klausenburg/Cluj-Napoca mit knapp 17.000 Personen eine bedeutende jüdische Gemeinde, welche durch den Völkermord der Deutschen fast vollständig vernichtet wurde. Von den Holocaust-Überlebenden kehrten nur wenige in die Stadt zurück, die meisten wanderten schließlich nach Israel oder in die USA aus. Die Gemeinde zählt aktuell nur noch rund 400 Mitglieder, welche sich sonnabends in einem Gebetshaus in der Dávid-Ferenc-Straße treffen. Das heute sichtbarste Zeichen der jüdischen Vergangenheit der Stadt ist die neologe Synagoge, welche 1886/87 in der Franz-Joseph-Straße (str. Horea; „neolog“ bezeichnet eine Glaubensrichtung innerhalb des Judentums) erbaut wurde. Allerdings hat im Frühjahr diesen Jahres im Stadtzentrum ein Museum eröffnet, welches einen kleinen Ausschnitt des jüdischen Lebens der Stadt zeigt: Das „Muzeon“ („Museum“, eine Transliteration aus dem Hebräischen). In digitaler Form erzählen darin Julia, Paul oder David dem Besucher ihre Lebensgeschichte vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Holocaust. Es ist ein sehr persönlicher Einblick, den Dan und Flavia Craioveanu geschaffen haben  –  mit letzterer sprach ADZ-Redakteur Michael Mundt.


Frau Craioveanu, in der Beschreibung zu ihrem Museum sagen Sie, dass es sich bei „Muzeon“ nicht um ein traditionelles Museum handle, sondern um ein „Erlebnis“. Was erwartet den Besucher denn?

Ich glaube, die Besucher sind durch das Hören von Geschichten stärker von einem Thema ergriffen, als wenn sie selbst einen Text lesen. Wir wollten durch die in der Ich-Perspektive gesprochenen Texte der Audioguides eine stärkere Verbindung zum Museumsrundgang schaffen. Es ist eine persönliche Begegnung mit jüdischer Geschichte.

Wie entstand die Idee zu Muzeon?

Ich habe am Institut für Hebräische und Jüdische Geschichte in Klausenburg studiert und für eines der Projekte sollten wir, wenn vorhanden, jüdische Objekte von zu Hause mitbringen. Mein Mann hat daraufhin im Haus seiner Eltern gesucht und eine Kiste mit Briefen, Dokumenten, Fotos und anderen Dingen gefunden. Später haben wir überlegt, ob es nicht interessant wäre, noch mehr aus diesen Dokumenten herauszuholen.

Ich habe dann angefangen eine Familiengeschichte zu schreiben, welche von der Ankunft in Siebenbürgen im 19. Jahrhundert bis nach dem Holocaust reicht. Und dann kamen wir irgendwann auf die Idee, diese Familiengeschichte in ein Museum zu überführen.

Haben Sie andere Museen besucht, um sich inspirieren zu lassen?

Wir haben insbesondere in Polen und Ungarn viele Museen besucht, aber wir haben keines mit einem ähnlich persönlichen Ansatz gefunden. Wir haben uns natürlich inspirieren lassen, denn schließlich hatten wir keine Erfahrung in der Gestaltung eines Museums. Aber viele Elemente sind unsere eigenen Ideen, wie der Audioguide in der Ich-Perspektive, die Umsetzung und wie das Museum gedacht ist.

Wir wussten nicht was wir erwarten sollten, als wir eröffnet haben. Wir waren unsicher, ob es den Menschen gefallen wird. Doch wir haben dankenswerterweise viele gute Rückmeldungen von Spezialisten und Besuchern bekommen. Das hat uns Selbstvertrauen gegeben.

Wie lange hat es von der Idee bis zur Eröffnung gedauert?

Ungefähr drei Jahre. Wir hatten die Idee mit dem Museum, aber haben auch andere Pläne verfolgt, ehe wir wieder zu unserer ursprünglichen Idee zurückgekommen sind.

Als wir dann eine finanzielle Förderung zum Aufbau des Museums bekommen haben, hat die konkrete Arbeit begonnen. Die Recherche, das Erstellen der Inhalte, das Zusammentragen der Ausstellungsstücke und die Umsetzung hat schließlich ein Jahr gedauert.

Und welches sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Wir wollen gerne mit jüdischen Organisationen in Kontakt kommen und planen ein Netzwerk mit anderen Organisationen in Siebenbürgen.

Ein Netzwerk, dass mit internationalen jüdischen Organisation zusammenarbeitet, jüdische Geschichte bekannt macht, bewirbt und Touren vermittelt. Bisher fahren die Menschen, die in Rumänien nach jüdischem Erbe suchen, eher an Orte wie Sighet/Sighetu Marma]iei, wo auch das Geburtshaus von Elie Wiesel steht.

Welches jüdische Erbe lässt sich denn heute noch in Klausenburg finden?

Es gibt wenige offensichtliche Bauwerke, außer der Synagoge in der Horea-Straße. Dort plant die jüdische Gemeinde ein Museum zu eröffnen. Die erste Synagoge der Stadt, die in der Paris-Straße errichtet wurde, ist heute ein Bürogebäude, welches allerdings über keine jüdischen Elemente mehr verfügt. In der gleichen Straße gibt es auch eine jüdische Kantine. Die „Casa Tranzit“, ein Kulturzentrum am Somesch-Ufer, war früher ebenfalls eine Synagoge.
Und was die meisten Menschen nicht wissen, ist, dass die Chirurgische Klinik Nr. 3 früher einmal das jüdische Krankenhaus war. Die gesamte Gegend hinter dem Mihai-Viteazu-Platz war ein jüdisch geprägtes Viertel.