Eine Schule für zukünftige Eltern

Von „Ich weiß nichts“ zu „Ich weiß genug, um vertrauensvoll nach vorne zu sehen“

Das Neugeborene wird der Mutter gleich nach der Geburt auf die Brust gelegt, um die Milchbildung in Gang zu bringen.

Die Wehen können zwischen 16 und 18 Stunden andauern, da ist ein gewisses Maß an Geduld notwendig.

Ende gut, alles gut.
Fotos: paulalbu.ro/2015/04/newborn-photography-thea-maria

Selten bringt das Leben solche Freude wie jene, zum ersten Mal Vater oder Mutter zu werden. Gleichzeitig bringt der Satz „Wir werden Eltern“ aber auch Sorgen und Fragen, eine ganze wundervoll-erschreckende Gefühlsmischung. Von den eigenen Eltern kennt man meistens zwar die eine oder andere lustige Geschichte über sich und seine Geschwister als Kleinkinder - aber wie es war, sich darauf einzustellen, bald das eigene Kind in den Armen zu halten, die ersten Tage zuhause mit einem brüllenden Bündelchen durchzustehen und nach zahllosendurchwachten Nächten wie ein Zombie wieder ins Büro zu gehen, weiß man seltener.

Wer sich also mit dem Thema des Kinderkriegens aus den üblichen Gründen wie Karriere, Wohnungssuche, Renovieren oder Alltag weniger befasst hat, steht schlichtweg dumm da. Einfache Fragen wie „Welche Phasen macht die zukünftige Mutter durch?“, „Wie entwickelt sich eine Schwangerschaft?“, „Wie verläuft die Geburt?“, „Muttermilch oder Fläschchen?“ erzeugen oftmals verdutzte Gesichter und Achselzucken. Hier schafft zum Glück ein Kurs Abhilfe, der hierzulande noch relativ unbekannt ist. Es handelt sich um den in Westeuropa und vor allem den Vereinigten Staaten bereits wohlbekannten Lamaze-Kurs, in Rumänien auch „Elternschule“ (Scoala Părinţilor) genannt.

Jetzt werden so manche bereits erfahrene Mütter und Väter sicher die  Stirn runzeln  und sich dabei zumindest denken: „Was soll der Unsinn?! Uns hat doch auch keiner etwas über das Kinderkriegen erzählt und wir haben es trotzdem geschafft“, und das stimmt auch. Früher hat man sich anpassen und spontan individuelle Lösungen finden müssen, wobei die Altweiberweisheiten bestimmt nicht zu kurz kamen. Mittlerweile ist die Wissenschaft jedoch etwas vorangeschritten, Fachleute befassen sich mit dem Thema Vorbereitung einer Geburt, den dazugehörenden Übungen sowie der Zeit unmittelbar danach und können ihre Empfehlungen auch wissenschaftlich belegen.

In aller Kürze: Ein Lamaze-Kurs soll dazu dienen, dem zukünftigen Elternpaar durch die gelieferten Informationen das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu geben, die Geburt in dem ihnen zustehenden Maß zu verwalten, sowie sichere und vor allem für Mutter und Kind gesunde Entscheidungen zu treffen. Obwohl jede Geburt und jedes Kind anders ist, sollen die Eltern dabei die bestmögliche Vorbereitung und vor allem Antworten auf ihre Fragen bekommen.

Geschichten aus dem Lamaze-Kurs

Seit einigen Jahren bieten in Hermannstadt/Sibiu einige Einrichtungen Lamaze-Kurse an, die zahlreiche junge Paare auch in Anspruch nehmen. Die allermeisten Elternpaare belegen den Kurs für gewöhnlich zu Beginn des dritten Schwangerschaftssemesters, aus dem Wunsch heraus, mehr zu erfahren und sich auf dieses bedeutende Ereignis vorzubereiten. Ein guter Ansporn dazu ist auch die Tatsache, dass der Kurs Vätern nach dessen Beendigung ermöglicht, außer den gesetzlichen fünf Arbeitstagen (geregelt in Gesetz Nr. 210/1999 und dem Regierungserlass 244/2000) zusätzlich zehn Kalendertage lang zuhause zu bleiben und mit anzupacken.

Da ich aus eigener Erfahrung berichte, kann ich mich dabei  nur auf den Kurs des Europäischen Krankenhauses Polisano beziehen. Um die Betreuung der Mütter und Paare kümmert sich im Laufe des siebenwöchigen Kurses Ştefania Sămărghiţan, eine im Rahmen der Babe{-Bolyai-Universität ausgebildete Psychologin, die auch eine Lamaze- und Doula-Zertifizierung hat, selbst einen Achtjährigen großzieht und somit jung genug ist, um die Psychologie junger Paare zu verstehen und dementsprechend einen offenen und vertrauensvollen Dialog mit ihnen zu führen.

Die zweieinhalb bis dreistündigen Kurseinheiten sind so eingeteilt, dass sie alle wesentlichen Themen abdecken: Einführung in die Lamaze-Methode, die Anatomie und Physiologie der Geburt, die normalen Veränderungen während der Geburt, Komfort-Maßnahmen während der Schwangerschaft, Methoden für eine sichere Geburt, die Phasen der Wehen, Atemübungen, Rhythmus und Entspannungstechniken während der Wehen, die Rehabilitation nach einem Kaiserschnitt und viele andere.

Im Normalfall hat man zwar Vorkenntnisse, wenn man zum ersten Mal in so einen Kurs geht, aber man lernt dennoch unglaublich viel. Einen besonderen Schwerpunkt stellen dabei die natürliche Geburt und vor allem das natürliche Stillen gleich im Anschluss dar. Aus dem Bekanntenkreis kennt man die Geschichten: Bei der einen Mutter klappt das Stillen auf Anhieb, bei anderen will der Milchfluss beim besten Willen nicht einsetzen. Eines der eisernen Gesetze der Lamaze-Methode ist, das Kind unmittelbar nach der Geburt - also nachdem ihm die Nabelschnur durchtrennt wurde und es die Krankenschwester grob gereinigt hat - auf die nackte Brust der Mutter zu legen, denn der erste Hautkontakt stimuliert die Milchbildung.

Noch wichtiger ist vielleicht, dass das Neugeborene bei Bedarf gestillt wird und nicht nach einem festen Programm, damit sich der Körper der Mutter an die Milchproduktion gewöhnt und sie nicht nach einigen Tagen wieder einstellt. Dadurch kommt es natürlich zu Marathon-Nächten, in denen niemand im Haus ein Auge zubekommt. Doch diese Phase vergeht im Normalfall relativ schnell und der Säugling lernt, immer länger zu schlafen. Die Mühe lohnt sich, denn Muttermilch ist der im Fachhandel zur Verfügung stehenden Pulvermilch um Welten überlegen und hilft dem Neugeborenen, sein natürliches Abwehrsystem schnell zu entwickeln. Sie schützt auch vor Allergien. Außerdem wird die Verbindung zur Mutter auf diese Weise viel enger.

Einen großen Teil des Kurses machen praktische Anwendungen aus. Wenn die Wehen einsetzen, sollen Atemübungen, aber auch Entspannungstechniken Wunder wirken. Auf Gymnastikbällen werden verschiedene Übungen durchgeführt, welche den angehenden Müttern helfen sollen, sich zu entspannen oder bestimmte Muskelgruppen zu trainieren. Das Wickeln, die Hygiene, das Baden, das An- und Ausziehen sind ebenfalls praktische Übungen, die mit allen Kursteilnehmern durchgeführt werden.

Das Allerwichtigste ist jedoch, dass man ein Informationspaket mit auf den Weg bekommt, das dem zukünftigen Elternpaar einigermaßen die Angst nimmt, die eigentliche Geburt etwas erleichtert und hilft, informierte Entscheidungen zum Besten der Mutter und vor allem des Kindes zu treffen.

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Zur Geschichte der Methode

Die psychoprophylaktische Methode nach Ferdinand Lamaze wurde ursprünglich von einem russischen Ärzteteam (Platonow, Nikolajew, Welwoski) entwickelt und 1951 auf einem internationalen Kongress im damaligen Leningrad vorgestellt. Sie basiert auf den Erfahrungen der hypnosuggestiven Analgesie in der Geburtshilfe und auf Pawlows Lehre von den bedingten Reflexen. Diese Theorie besagt, dass das Gehirn darauf trainiert werden kann, ein bestimmtes Signal aufzunehmen, es zu analysieren und mit einem entsprechenden Reflex darauf zu reagieren. Dr. Ferdinand Lamaze, der Leiter einer Geburtenklinik in Paris, griff diese Methode auf, erweiterte sie durch eine spezifische Atem- und Massagetechnik und verbreitete sie als Lamaze-Methode. In Deutschland wurde sie in den 70-er Jahren bekannt.

(Quelle: „Gymnastik und Yoga in der  Geburtsvorbereitung“ von Marion Stüwe)

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Was ist eine Doula?

Die Doula steht einer werdenden Mutter vor, während und nach der Geburt als emotionale und psychische Begleiterin zur Seite. Sie versteht sich als Schwangerschafts-, Geburts- und Wochenbettbegleiterin. Sie kümmert sich um die junge Mutter, hilft ihr mit Rat und Tat und bringt ihr die wichtigsten Details der Kinderpflege bei, entlastet aber auch den Partner und hilft ihm, mit der neuen Situation zurechtzukommen.
In Deutschland und Österreich ist diese Berufsgruppe noch nicht sehr bekannt und in Rumänien ist sie so gut wie gänzlich unbekannt.

Im Vergleich zu den Hebammen oder professionell ähnlich Tätigen befasst sich eine Doula vorwiegend mit den emotionalen Geschehnissen vor und unmittelbar nach der Geburt, wie etwa der postnatalen Depression. Wie weit diese im Extremfall führen kann, illustriert die im vergangenen Winter in den Hermannstädter Medien kursierende Geschichte einer Mutter, die ihr Kind einige Tage nach der Geburt zwischen den Glastüren des Polisano-Krankenhauses ausgesetzt hat und einfach verschwunden ist - um einige Tage später zurückzukehren und es doch noch mit nach Hause zu nehmen. Unter anderem soll die Doula auch solche tragischen Verwirrungen vermeiden helfen.