„Eine Stadt ohne Kultur ist leblos“

Kronstädter Bürgermeister wird wegen Streichen der Kulturfonds kritisiert

Das Absagen von Festivals, Konzertreihen und anderen Großveranstaltungen aufgrund der Coronakrise ist inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden. Die annulierten Veranstaltungen erstrecken sich mittlerweile bis in den September hinein und zurzeit ist auch unklar, ob Theater und Konzertsäle ihre Türen im Herbst wieder öffnen werden. Der Coronakrise zum Opfer gefallen sind viele beliebte Veranstaltungen, die schon zur Tradition geworden sind. Nicht nur wegen gesundheitlicher, sondern auch wegen finanzieller Risiken. Das ist absolut verständlich. Weniger verständlich ist jedoch, wieso es in Kronstadt in diesem Jahr überhaupt kein Budget für Kulturveranstaltungen geben wird. Es wird zwar noch einige Zeit der körperlichen Distanzierung verstreichen, bis Großveranstaltungen wie Festivals oder Konzerte wieder stattfinden können. Doch Kulturevents können auch online stattfinden. Es können neue, an diese Zeiten angepasste Veranstaltungs-Formate erdacht werden und somit kann die Kreativität gefördert werden. Während andere Städte Europas neue Plattformen für digitale Kulturangebote erstellen, gibt es in Kronstadt überhaupt kein Geld mehr für Kultur. Gleichzeitg werden total überflüssige Holzflugzeuge, Rutschen und Gleitseilbahnen im Wert von 3 Millionen Lei auf Spielplätze montiert, neue Sportanlagen gebaut und ein Freizeitpark im Viertel Timș-Triaj errichtet – um nur einige Beispiele zu nennen.

Zwei Millionen Lei aus dem Stadthaushalt

Anfang April gab Bürgermeister George Scripcaru bekannt, dass es in diesem Jahr kein Budget für Kulturveranstaltungen geben wird. Auch der Projektewettbewerb für Kulturveranstaltungen wurde abgesagt. „Das bedeutet, dass es kein Geld mehr geben wird für das Kronstädter Stadtfest, für den Goldenen Hirschen usw. Es ist eine schwere Zeit, deshalb müssen jetzt alle unsere Bemühungen in Richtung der Bekämpfung der Pandemie gehen“, meinte der Bürgermeister damals.

Für die Kulturveranstaltungen waren 2 Millionen Lei aus dem Stadthaushalt vorgesehen.

Dass Kronstadt ein eher bescheidenes Kulturangebot hat, ist allgemein bekannt. Letztes Jahr hatten sich 25 Kulturvereine für die Finanzierung ihrer Veranstaltungen beworben, 16 davon erhielten Summen zwischen 35.000 und 100.000 Lei. Für Kulturevents wurden im Jahr 2019 eine Million Lei zur Verfügung gestellt. Vergleichsweise hat die Stadtverwaltung Hermannstadts letztes Jahr siebenmal soviel Geld für Kulturveranstaltungen vorgesehen, wobei es in Klausenburg zwölfmal soviel Geld gab wie in Kronstadt. In diesen Städten gibt es andererseits aber auch viel mehr Kulturvereine, die sich um die Finanzierung bewerben.

„Ein lächerlicher Vorwand“

Bis vor Kurzem hat niemand gegen den Beschluss des Bürgermeisters protestiert. Der USR-Senator Allen Coliban war der erste, der sich in dieser Hinsicht öffentlich äußerte und Scripcaru kritisierte. „Ich hoffe, dass die Behörden wenigstens jetzt, in der lezten Sekunde, verstehen, dass eine moderne und europäische Stadt Kulturveranstaltungen braucht. Wir befinden uns noch mitten in der Corona-Krise, das wissen wir alle. Aber dass man entscheidet, die Kulturfonds komplett zu streichen, um die vorgesehenen Summen für den Kampf gegen COVID-19 einzusetzen, ist nur ein lächerlicher Vorwand. Die Kronstädter Krankenhäuser befinden sich nicht in der Zuständigkeit der Stadt. Es gehört nicht zur Pflicht des Bürgermeisteramtes, die Krankenhäuser finanziell zu unterstützen und das tut es auch nicht. Überhaupt wird alles, was in der Zuständigkeit des Bürgermeisteramts ist, nur oberfächlich getan – zum Beispiel die Reinigung und Desinfektion der Flure in den Wohnblocks oder die Reinigung der Straßen, die nur sehr spät und unter Druck der Bürger der Stadt unternommen wurde, wobei nur Hauptstraßen gereinigt wurden. Wir erwarten mehr von den Lokalbehörden während dieser Krisenzeit. Aber die Finanzierungen der Kulturprojekte zu streichen, ist keine Lösung. Einerseits wird die Kultur nicht mehr gefördert, andererseits wurden viele andere Investitionen angekündigt: Tineretului-Stadion, Metrom-Halle, Carpați-Stadion, Tractoru-Sportplatz, um nur einige davon zu nennen. Soll das vielleicht eine Strategie sein, damit die Kronstädter den jetzigen Bürgermeister wiederwählen? Meiner Meinung nach müssten die Bürger der Stadt auch wissen, wie die Lokalbehörden den Stadthaushalt analysiert haben, was für Ressourcen nötig sind und warum Geld von der Kultur gestrichen wurde und nicht von anderswo”, meint Allen Coliban.  

Der Vorschlag des USR-Senators ist, dass die Stadt eine neue Finanzierungslinie mit einem kleineren Budget gründet, die es den Kulturvereinen möglich macht, ihre Aktivitäten fortzusetzen. Es könnten, laut Coliban, Projekte im Wert von bis zu 10.000 Euro sein, die entweder online oder in Räumen, wo die physische Distanz eingehalten werden kann, stattfinden sollen. Dadurch können die Kulturvereine weiterleben und kreativ sein. Den Veranstaltern von Kulturevents müsste geholfen werden, diese schwere Zeit zu überstehen, da eine Stadt ohne Kulturleben eine leblose Stadt sei. „Man sollte sich zusammen hinsetzen und darü-ber nachdenken, wie man die Kultur in dieser Zeit trotzdem fördern kann”, meint Coliban. Konzerte, Lesungen und Performances müssen keine Pause nehmen, sie können vorläufig auch aus dem Wohnzimmer verfolgt werden.