Erpressen, koalieren, minimal gewinnen

Was wir seit den Konsultationen von Klaus Johannis mit den Parteien und der Betrauung des Mandolinenspielers und Gelegenheitssängers Ludovic Orban in seiner Eigenschaft als Chef der PNL mit der Regierungsbildung erleben, ist das Pendeln zwischen dem politischen Westminster- und dem Konsensmodell. Ersteres war bis vor einem Jahrzehnt für England charakteristisch – das Regieren einer Partei – das andere, die Parteienkoalition aufgrund des kleinsten gemeinsamen Nenners, versucht Orban, stieß aber bisher auf Mauern.

Zwei Dinge sind klar: a) die Gschichte mit „meiner Regierung“ des Klaus Johannis geht so nicht; laut Verfassung ist ein Präsident Rumäniens der Präsident aller Bürger, und b) eine Regierung wird zum Besten eines Landes und dessen Volkes eingesetzt, nicht zur Freude eines Präsidenten. Egal, wer der ist.
Wir befinden uns aber im Wahlkampf und die PNL hat Johannis zum zweiten Mal nominiert als Präsidentschaftskandidat. Es muss zwischen Seiten eine Nähe geben. Trotzdem darf keine der Seiten vergessen, dass die Grundrolle des Präsidenten Rumäniens – laut Grundgesetz – in seiner Rolle als eine Art „Vermittler zwischen den politischen Fronten“ besteht. Dass er also, egal wie unfair er im Wahlkampf von den Konkurrenten angegriffen und besudelt wird, als amtierender Präsident, trotz Wahlkampf, zu Neutralität und Äquidistanz verpflichtet ist. Auch wenn jeder weiß, dass das in Rumänien theoretische, keine praktisch befolgten Vorgaben sind.

Ludovic Orban, in der Opposition immer mal fürs Maulaufreißen zu haben, muss nun unter Königsmacher Johannis seine halbherzig gewünschte Rolle spielen. Eine Regierung bilden, obwohl jeder weiß, wie schwer die über die Runden kommen wird, nach dem Chaos, das die PSD-Dăncilă-Regierung hinterlässt. Trotz professionell geschicktem Widerstand von Notenbankchef Mugur Isărescu ist die Inflation hoch, sind die Löhne der Millionen Staatsangestellten und die populistisch gesteigerten Renten riesige Schwarze Löcher und ist die Überschuldung des Staates eine Bürde, die nun andere schultern müssen, zusammen mit den künftigen Generationen. All das ist so zu managen, dass bei den Kommunal- und Parlamentswahlen des kommenden Jahres die PNL so wenig Verluste wie möglich verzeichnet. Ein Kunststück.
So gesehen, wäre die beharrliche Forderung der USR/PLUS nach Neuwahlen-jetzt! gar nicht so abwegig – wenn sie nicht unerfüllbar wäre…

Deshalb muss man, wohl oder übel, Victor Ponta und seine Partei aus „gewendeten“ PSD-Abtrünnigen, Pro România, als eigentliche Gewinner des Regierungssturzes vom 10. Oktober sehen. Der gelegentlich zum Politclown mutierende Ex-Regierungschef und Verlierer der Präsidentschaftswahl von 2014 gegen Johannis hat nicht nur die PSD zu Fall gebracht, die ihn damals rausgeschmissen hat, er schickt sich gerade an, alle zunehmend Unzufriedenen der PSD aufzusammeln und eine neue PSD aus Trümmern zu schmieden. Zustatten kommt ihm, dass die PSD inzwischen eifrig alle ihre Nutznießer beruhigt, ihre Posten und Pfründe blieben gesichert… Die reaktivierten PSD-Spitzen, die Diktator Dragnea entfernte und die jetzt wieder gefragt sind, scheinen Ponta entgegenzuarbeiten. Kein Wunder, wenn 2020 – vielleicht schon bei den Kommunal-, ziemlich sicher aber bei den Parlamentswahlen – eine Art PSD-mit-Ponta-Gesicht unter den stärksten Parteien, möglich als stärkste, etabliert wird. Daran arbeitet Ponta. Jedes Mittel ist ihm recht.

Inzwischen muss Orban zwischen „Parteien mit Erpressungspotenzial“ (ALDE; Pro România) und „Parteien mit Verhandlungspotenzial“ (UDMR, USR/PLUS) eine „Koalition der minimalen Gewinn-Interessen“ schmieden, wissend, dass er beide Gruppen zum Funktionieren der Regierung benötigt, mit deren Bildung Johannis ihn betraut hat. Jetzt kommt´s auf „Allianzfähigkeit“ an. Auch aufs Vermittlungsgeschick von Johannis.