Erstes europäisches Treffen von Wissenschaftlern und Trägern von nachhaltigen Initiativen

Gespräch mit dem spanischen Psychologen Univ.-Prof. Dr. Ricardo Garcia Mira

Seit 20 Jahren ist Ricardo Garcia Mira als Wissenschaftler mit der Bewertung von Sozial- und Umweltauswirkungen beschäftigt. Foto: privat

Ricardo Garcia Mira ist Professor für Sozial- und Umweltpsychologie an der Universität La Coruña (Spanien). Er war Gastdozent an der Psychologie-Abteilung der University of Surrey (2003-2012) und internationaler Gastwissenschaftler an der State University of Texas (2001). In den letzten zehn Jahren hat er Seminare und Vorträge an verschiedenen Universitäten, wie Texas State University, Tallinn Estland, UNAM Mexico, Paris V, West-Universität Temeswar, Texas A&M gehalten. Für die Zeitspanne 2014 bis 1018 wurde Mira zum Vorsitzenden der Internationalen Gesellschaft für Mensch-Umwelt-Studien (IAPS) gewählt. Zu seinen Veröffentlichungen gehören „Culture, Environmental Action and Sustainability“ (2003), „Housing, Space and Quality of Life“ (2005) und „Sustainability, Values and Environmental Culture“ (2009). Derzeit ist er Koordinator der EU-Projekte Locaw und Glamurs (FP7) sowie Partner im Projekt Transit (FP7). Als Projektleiter beteiligte sich Mira am unlängst veranstalteten Glamurs-Treffen in Temeswar. Es handelt sich bei Glamurs um „Green Lifestyles, Alternative Models and Upscaling Regional Sustainability“. Über das EU-Projekt Glamurs und nachhaltige Lebensstile sprach die ADZ-Redakteurin Iulia Sur mit dem Universitätsprofessor Dr. Ricardo Garcia Mira.


Welche Aufgabe hat die Universität La Coruña in diesem Projekt?

Es ist ein Projekt innerhalb eines europäischen wissenschaftlichen Programms für Forschung und Innovation und ist Teil der Strategie der Europäischen Union zur Annäherung der Forschung an nachhaltige Lebensstile und Green Economy.  Die EU hat zwei Konsortien in Europa über nachhaltige Lebensweisen und Green Economy gegründet, wobei eines davon unser Konsortium ist. Das andere befindet sich in Deutschland und wird von einer Gruppe an der Technischen Universität München geleitet. Unser Konsortium umfasst elf Universitäten und wird von der Universität La Coruña geleitet. Ich bin der Koordinator desselben.

Sie sind Psychologe. Wie sehen Psychologen solche Unterfangen?

Psychologen sind sehr interessiert daran, wie die Menschen über die Umwelt denken und wie motiviert sie sind, ihr Verhalten zu ändern oder wie sie die Information über die Umwelt verinnerlichen. Wir sind interessiert an der Art und Weise, wie der Verstand des Menschens funktioniert und wie der Verstand arbeitet, um nachhaltiges Verhalten im Kontext eines nachhaltigen Lebensstils zu produzieren. Aber Umwelt ist nicht das Hauptproblem der Sozialpsychologie, denn auch andere Bereiche sind hier beteiligt.

Um welche anderen Bereiche handelt es sich?

Wirtschaft, industrielle Ökologie, Sozial- und Politikwissenschaften. Es ist ein sehr interdisziplinäres Konsortium, wo wir all dieses Know-How haben. Und wir versuchen, die Faktoren, die den Übergang zu einer nachhaltigeren Lebensweise in Europa motivieren und ermöglichen können, zu erforschen. Um Informationen auszutauschen, haben wir eine Reihe von Initiativenträgern für nachhaltige Lebensstile in Bezug auf Konsum, Recyclingprodukte und Lebensmittel miteinbezogen. Manchmal arbeiten die Wissenschaftler parallel, wir treffen uns nie mit anderen Organisationen oder anderen Initiativen oder auch anderen politischen Entscheidungsträgern, weil die Gesellschaft manchmal isolierte Arbeitsräume schafft: separate Räume für die politischen Entschiedungsträger, für die nachhaltigen Initiativenträger und für die Wissenschaftler. Was wir tun, ist Brücken bauen, um mit Informationen und Projekten zu interagieren.

Worin liegt die Bedeutung von Glamurs?

Das ist wahrscheinlich das erste Treffen mit Wissenschaftlern und Initiativenträgern von nachhaltigen Lebensstilen auf europäischer Ebene. Da unser Hauptdenken ist, dass die Produktion von Wissen kein Monopol der Wissenschaft ist, müssen wir zusammen mit Akteuren aus Organisationen, mit politischen Entscheidungsträgern, mit Initiativen zu nachhaltigen Lebensstilen und mit den Bürgern selbst Wissen produzieren. Die Bürger sind diejenigen, die die Wissenschaft fördern, so haben sie das Recht auf Feedback in Form von politischen Empfehlungen oder in Form von Verbesserung der Lebensqualität. So sind Wissenschaft und Lebensqualität voneinander abhängig und die Wissenschaft hat die Pflicht, mit all diesen Kollektiven zu interagieren, um zu garantieren, dass die Lebensqualität in respektvoller Art und Weise der Natur und ihren Ressourcen gegenüber erreicht werden kann.

Welches waren die Ansätze der Wissenschaftler?

Als Wissenschaftler haben wir unterschiedliche Ansätze: wir verwenden verschiedene Methoden, die mikroökonomische und makroökonomische  sowie agentenbasierte Modellierungen umfassen. Dies bedeutet, dass wir in Betracht ziehen müssen, wie das ökonomische Modell in der Gesellschaft funktioniert, um zu verstehen, wie es möglich wäre, den Übergang zu einer alternativen Lebensweise zu simulieren und wie das die Wirtschaft generell und den Alltag der Menschen beeinflussen würde. Dies da unsere Wirtschaft vom Kosum bedingt ist, d.h. wir müssen Sachen kaufen, Lebensmittel konsumieren, Autos kaufen, an Feiertagen reisen. Nun, wir haben viele Dinge in unser Leben integriert - nicht immer gute Dinge für die Natur, für die Nachhaltigkeit. Das ist ein Teil der Forschungsansätze, die wir miteinbeziehen wollen. Wir werden versuchen, anhand von künstlicher Intelligenz-Modellierung zusammen mit Theorien der Sozialpsychologie zu simulieren, wie die nächste Zukunft aussehen würde, wenn man das Verhalten der Menschen oder eine Reihe von wirtschaftlichen Aspekten ändern würde.

Hypothetisch: Wie könnte die Welt in 100 Jahren aussehen?

Das ist eine gute Frage und schwer zu beantworten, denn wir leben in einer Welt, die sich sehr schnell und ständig verändert. Wenn wir uns die letzten zehn Jahre ansehen, kann man eine Reihe von Veränderungen bemerken. Man kann die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, denn allein, wenn man die Menge an Informationen bedenkt, die in dieses Smartphone eingegeben werden (zeigt auf sein Smartphone), kann man sich vorstellen, dass man in fünf bis zehn Jahren all das, was man braucht, hier drinnen haben wird. Damit sind Informationen gemeint und die Bedeutung der Geräte, die wir zu Hause oder in der Arbeit verwenden. Man wird von zu Hause oder von jedwelchem Ort aus arbeiten können und das wird die Wirtschaft, die sozialen Verhältnisse, die sozialen Begegnungen und wahrscheinlich viele andere Dinge beeinflussen, die wir dann untersuchen werden müssen. 100 Jahre sind eine lange Zeit, um sich vorzustellen, was dann sein wird.

Es wäre leichter, sich vorzustellen, wie das Leben in 40 bis 50 Jahren sein wird. Ich bin 58 Jahre alt und kann mich leicht an viele Dinge erinnern, die sich vor 40 oder 45 Jahren ereignet haben. So starten wir einen Versuch und stellen uns die Zukunft in 30 oder 40 Jahren vor: Wir definieren in einer teilnehmenden Art und Weise diese Zukunft und sobald wir dieses Bild der Zukunft definiert haben, müssen wir einen Übergang bauen und die Hindernisse, die wir finden werden, identifizieren. Wir müssen aber auch die Antreiber indentifizieren, die die nachhaltigen Lebensstile fördern können, um diese Zukunft zu erreichen. Das ist eine Technik, die wir auch in dieses Projekt miteinbeziehen: Wir analysieren die Zukunft und zeichnen einen Übergang zu dieser Zukunft. Wir analysieren dabei die Faktoren, die den gegebenen Lebensstil beeinflussen und jene, die den Übergang zu einem alternativen Lebensstil verhindern.