„Es ist schön mit und für die Minderheit zu arbeiten, mit der ich aufgewachsen bin“

ADZ-Gespräch mit der ifa-Regionalkoordinatorin Monica Kovats

Foto: Zoltán Pázmány

Monica Kovats arbeitet für das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa). Sie ist seit Herbst 2013 als Regionalkoordinatorin für die Entsandten aus Rumänien, Ungarn und Serbien verantwortlich. Zudem führt Kovats auch eigene Projekte durch. Vor ihrer Zeit als ifa-Entsandte lebte und arbeitete sie in London. Dort war sie für Tolerance International, Pupil Parent Partnership und The Young Foundation tätig. Davor studierte Monica Kovats in Bergen, Norwegen und noch weiter zurück liegt die kurze Zeit in Stockholm, Schweden. Doch ihre Reise fing in der Arader Gemeinde Glogowatz an. ADZ-Redakteur Robert Tari sprach mit Monica Kovats über ihren abenteuerlichen Werdegang und die zahlreichen Stationen, die sie quer durch Europa führten.


Sie haben Psychologie studiert und Ihre Kenntnisse auch später in diesem Bereich vertieft. Als Psychologin haben Sie aber kaum gearbeitet, waren stattdessen meistens für Nichtregierungsorganisationen tätig. Konnten Sie Ihr Studium mit Ihren Berufen verbinden?

Meine Kenntnisse in Psychologie sowie meine Leidenschaft für diese Wissenschaft haben mich immer wieder in meiner Arbeit weitergebracht. Aber ich würde mir schon wünschen, als Psychologin arbeiten zu können, das möchte ich nicht abstreiten. Mir würde das sehr gefallen. Anfang der 1990er Jahre habe ich ganz kurz in diesem Beruf gearbeitet. Damals für die rumänische Armee.

Sie sind in Glogowatz aufgewachsen. In der Gemeinde lebten vorwiegend Deutsche. Übt das einen Einfluss auf Ihre Arbeit als ifa-Regionalkoordinatorin aus?

Eine Person ist ein Mosaik. Ich habe in vielen verschiedenen Kulturen gelebt und das hat mich bereichert. Ich nehme mir die Freiheit, aus den jeweiligen Kulturen, zu denen ich mich hingezogen fühle, das zu nehmen, was mich anspricht. Glogowatz war eine magische Zeit für mich. Ich war erst drei Jahre alt, als meine Familie in die Gemeinde zog. Wir wurden von den Menschen aufgenommen, man hat uns akzeptiert, obwohl wir keine Schwaben sind.

Es gab kaum Nichtdeutsche in der Gemeinde. Wir waren also in der Minderheit. Ich habe den deutschen Kindergarten, die deutsche Schule besucht und habe so alles über die Bräuche erfahren und die kirchlichen Traditionen. Ich muss immer an den Roman „Hundert Jahre Einsamkeit“ von Gabriel García Márquez denken, wenn ich an meine Kindheit und Jugend in Glogowatz zurückdenke. Eben weil die Gemeinde abgeschottet war. Sie war eine in sich geschlossene Gesellschaft, wo die Art und Weise, wie man kocht, wie man sich anzieht oder sein Leben lebt, eigen war. Es war eine andere Welt.

Ihr erstes Studium haben Sie in Temeswar gemacht? Im Vergleich zu Glogowatz eine Metropole. Das muss ein großer Lebenseinschnitt für Sie gewesen sein?

Nicht wirklich. Als ich 14 Jahre alt war, waren die meisten Deutschen ausgewandert. Es passierte schon vor und besonders nach der Revolution. Die Schule besuchte ich in Arad und es war eine der angesehensten Schulen der Stadt. Nach der Wende hatte ich die Gelegenheit, ins Ausland zu reisen, hatte Deutschland gesehen. Das heißt, ich war auch mit dem Leben außerhalb unserer kleinen Gemeinde vertraut. Meine Studentenzeit in Temeswar war darum nicht so ein einschneidendes Erlebnis. Was das Zusammenleben der verschiedenen Volksgruppen betrifft, war die Stadt ein Vorbild.

Das ist es auch heute noch, denke ich. Schon allein die Tatsache, dass viele Temeswarer drei Sprachen sprechen und es als selbstverständlich nehmen. Bei mir war es ja nicht anders. Ich konnte damals auch drei Sprachen sprechen. Inzwischen sind es mehrere. Also Temeswar passte zu mir. Unter Freunden und Bekannten zählte die ethnische Zugehörigkeit schlichtweg nicht.  

Sie arbeiteten nach dem Studium zuerst als Psychologin, sie gingen nach dem Studium zurück nach Arad, wo sie für die Armee psychologische Gutachten erstellen mussten. Wie fanden Sie die Arbeit?

Es war wie Arbeit am Fließband. Meine Tätigkeit beschränkte sich leider nur auf die Evaluierung der psychologischen Fragebögen, die jeder Rekrut ausfüllen musste. Die rumänische Armee wollte Soldaten, die unbefristet Dienst leisten sollten, und viele junge Menschen wollten damals Berufssoldaten werden. Ich musste also täglich 90 bis 100 Fragebögen durchschauen, habe mich dann aber auch schnell nach einer anderen Arbeitsstelle umgeschaut. Ich habe immer das Bedürfnis verspürt, mehr zu erleben und mehr von der Welt zu sehen. Dafür war mir Arad viel zu klein. Karriere machen, war mir schon wichtig, aber ich wollte auch in einer größeren Stadt leben und neue Sachen ausprobieren.

Haben Sie darum bei dem Unternehmen Belcar angefangen? Um wieder in Temeswar zu leben?

Ja, Temeswar war mir wichtig, weil es eine der größten Städte des Landes ist, aber auch die berufliche Perspektive, die sich mir dadurch eröffnete, lockte mich zurück in die Stadt meiner Studentenzeit. Es war beruflich was anderes. Weil aber Temeswar so nah an Arad liegt, bedeutete es nicht so ein Sprung ins kalte Wasser für mich, als wenn ich woanders hingezogen wäre. Es war also tatsächlich mehr Temeswar als der Job. Denn in einem Unternehmensumfeld hätte ich nicht arbeiten können. Aber es ermöglichte mir, in einer der größten Städte Rumäniens zu leben. Ich arbeitete als Personalmanagerin, was eine Riesenherausforderung für mich war. Ich war jung und unerfahren, ich wusste nicht, was diese Arbeit für Pflichten beinhaltete. Aber das Gehalt stimmte, ich durfte und musste Designkleider von einem Modehaus auf Kosten des Unternehmens kaufen, es war eine interessante und lehrreiche Zeit. Aber für mich hatte das Abenteuer noch nicht begonnen. Ich wollte das Land verlassen und mehr von der Welt sehen.

Sie gingen nach Schweden. Wieso gerade Schweden?

Ich war 24-25 Jahre alt, als ich wegging. Ich hatte eine Freundin, die in Schweden wohnte. In fand Arbeit als Au-pair für eine Diplomatenfamilie, konnte schnell die Sprache lernen und fand eben das Abenteuer, das mir Deutschland zum Beispiel nicht hätte bieten können. Weil ich Deutschland und die deutsche Sprache schon kannte. In Stockholm war für mich alles neu. Darum habe ich auch die Arbeit als Au-pair in Kauf genommen.

Sie sind aber auch dort nicht lange geblieben. Sie sind in das Nachbarland Norwegen umgezogen, um Sozialanthropologie zu studieren. Dort haben Sie in einer der schönsten Städte der Welt gelebt, in Bergen...

Eine der schönsten aber auch verregnetsten Städte. Wenn ich mein Schlafzimmerfenster aufmachte, sah ich 10 bis 15 Wasserfälle. Ich wohnte am Meer. Es gibt über die Skandinavische Halbinsel eine Legende: Als der Teufel sah, wie schön Gott die Erde geschaffen hat, warf er eine Klippe auf die Erde und so ist Skandinavien entstanden. Weil es sehr viele Klippen gibt und es auch das ganze Jahr über regnet, entstehen so viele Wasserfälle. In Bergen regnete es 320 Tage im Jahr. Es war also aufgrund des Wetters manchmal schwer. Die Menschen sind auch viel verschlossener. Es war anders, als ich es gewohnt war. Aber so ergab sich die Chance, über ein Stipendium ein Masterstudium in London zu machen.

Norwegisch hätten Sie in nur drei Monaten gelernt...

Weil ich schnell angefangen habe zu arbeiten. Es war in einem Café, das sich auf einem 800 Meter hohen Berg befand. Ich musste täglich mit der Pendelbahn zur Arbeit fahren. Ich machte immer um 8 Uhr auf und musste dann die norwegische Nationalfahne hissen. Man konnte sie von dort aus in der ganzen Stadt sehen. Wenn man also in einem Café auf der Spitze eines Berges arbeitet, dann kommt man nicht drum herum, mit anderen zu kommunizieren. Es waren zwar viele Touristen, aber auch sehr viele Einheimische. Das heißt, aus einer Not heraus habe ich schnell Norwegisch gelernt.

Wie war denn London für Sie? In der britischen Metropole haben Sie sieben Jahre gelebt.

London war ganz anders, aber genauso spannend wie Skandinavien. Es war halt anders. In ganz Norwegen leben weniger als sechs Millionen Menschen, allein in der Metropolregion London sind es 16 Millionen Menschen. Zudem ist die Stadt sehr heterogen. In den ersten fünf Jahren war ich ständig erstaunt und überrascht. Es gab immer etwas Neues zu sehen und zu erleben. Ich bin sehr viel umgezogen und dadurch lernte ich auch verschiedene Menschen aus verschiedenen Kulturen kennen.

Seit Herbst 2013 arbeiten Sie für das ifa als Regionalkoordinatorin. Wie finden Sie die Arbeit?

Sie ist herausfordernd, weil ich für drei Länder verantwortlich bin. Das heißt, dass das Arbeitsvolumen entsprechend groß ist. Ich muss besonders viele Verwaltungsaufgaben bewältigen, was sehr zeitraubend ist. Aber es ist schön mit und für die Minderheit zu arbeiten, mit der ich aufgewachsen bin. Was ich besonders mag, ist die Möglichkeit, eigene Projekte zu machen, aber auch unsere Kulturmanager und -redakteure zu unterstützen ist nicht weniger spannend. Meine Projekte haben viel mit den Erfahrungen zu tun, die ich mit Jugendlichen in London gemacht habe.

Darum setze ich besonders auf StreetArt-Projekte und die Förderung urbaner Kultur. Hip Hop, Poetry Slam, Graffiti sind Beschäftigungen, die Kindern und Jugendlichen, egal aus welchem Milieu sie stammen, immer anspricht. Und ich möchte ihnen Programme bieten, die ihnen zusagen, mit denen sie etwas anfangen können. Für das ifa ist es wichtig, dass es ein modernes Bild von Deutschland vermittelt. Darum also Graffiti oder Poetry Slam-Projekte. Weil das auf ihrer Wellenlänge ist und sie für Rumänien noch immer neu sind.

24 Jahre Rumänien, 4 Jahre Norwegen, 7 Jahre England, zwischenzeitlich waren Sie noch in Schweden und Deutschland, jetzt sind Sie wieder in Rumänien. Wo fühlen Sie sich denn daheim?

Zuhause ist dort, wo man sich wohl fühlt. Und das ändert sich ständig. Zurzeit fühle ich mich in Temeswar zu Hause.