Gedächtnis und Politik (IV)

Platz der Deportation von Rumäniendeutschen in die Sowjetunion in der Erinnerungspolitik

Die Zeit nach 1989

Die Wurzeln des großen Wandels in der Etablierung einer echten Gedächtnispolitik der Verschleppung sind schon in den 80er Jahren sichtbar, der Wandel kommt aber erst nach 1989. Im rumänischen Kontext hat das mit dem Fall des Kommunismus zu tun: 1990 entsteht der Verein der ehemaligen Russlanddeportierten. Dank der Bemühungen dieser Institution und des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien wurden die im Gesetz 118/1990 verankerten Rechte für die während des kommunistischen Regimes aus politischen Gründen Verfolgten auch den ehemaligen Verschleppten gewährt. Dank der Bemühungen insbesondere von Bernd Fabritius haben auch die nicht mehr rumänische Staatsbürger die Möglichkeit bekommen, einen Antrag auf Entschädigung seitens des rumänischen Staates zu stellen. Die als „Wiederaufbauarbeit“ im Arbeitsbuch eingetragene Dienstzeit wird jetzt also offiziell als „Zwangsarbeit“ anerkannt.

In den vergangenen 25 Jahren ist die Deportation zu einem identitätsstiftenden Erinnerungsort der Rumäniendeutschen geworden, ein Bestandteil von Identitätsdiskursen, die die rumäniendeutsche Opferrolle betonen. Dieser Diskurs ist im Prinzip auch in der rumänischen Öffentlichkeit weitgehend akzeptiert. Der erste wichtige Moment nach 1989, auf den ich hinweisen möchte, um meine Behauptung zu unterstützen, ist der Moment 1995. Anlässlich der in Kronstadt vom Deutschen Forum zur Erinnerung an die Deportation organisierten Veranstaltung schickten Präsident Iliescu und Ministerpräsident Văcăroiu ihre offiziellen Botschaften. Der damalige Vorsitzende des Deutschen Forums, Prof. Paul Philippi, hielt eine wichtige Rede.

Iliescu integrierte die Deportation in den Kontext der kommunistischen Verfolgungen von rumänischen Bürgern „aus allen sozialen, ethnischen und religiösen Kategorien“. Paul Philippi hingegen sprach über die Deutschen als die einzigen „ethnischen“ Opfer der rumänischen Geschichte. Ich werde mich mit einer Rede von 1995 nicht tief auseinandersetzen. Man weiß es aber allzu gut – und ich wage zu sagen, dass man es auch vor 20 Jahren wusste –, dass die Deutschen auf keinen Fall die ersten oder die einzigen „ethnischen“ Opfer in der rumänischen Geschichte waren. Die Verfolgung von Juden und von Roma hat Vorrang, wenn ich das so sagen darf, und dieser Verfolgung lag ein genozidales Projekt zugrunde, was mit den Rumäniendeutschen nie der Fall war.

Der zweite wichtige Moment ist 1997. Im Jahr 1997, anlässlich eines offiziellen Rumänien-Besuchs von Klaus Kinkel, damals der Außenminister der Bundesrepublik, hat sich der rumänische Außenminister Adrian Severin im Namen des rumänischen Staates für die Deportation, für den sogenannten „Freikauf“ der Deutschen und auch für die Deportation der Banater Schwaben in den Bărăgan entschuldigt. Es scheint, dass die Geste Severins eher aus persönlicher Initiative kam. Er machte sie im Kontext der rumänischen Bemühungen für den NATO- und EU-Beitritt, wie er das auch in seinem später veröffentlichten Dialogbuch mit Gabriel Andreescu erklärt hat. Anders gesagt: Die Anerkennung der Deportation und der rumäniendeutschen Opferrolle diente, nach Severin, der rumänischen Außenpolitik und der politischen Anerkennung Rumäniens als Teil Europas.

Obwohl die Rumäniendeutschen nicht die einzigen „ethnischen“ Opfer in der rumänischen Geschichte waren und auch nicht die ersten, scheint es, dass es in Rumänien viel leichter war, ihr Leiden anzuerkennen. Im Vergleich zur politischen und öffentlichen Anerkennung der rumänischen Teilnahme am Holocaust oder des Antiziganismus in Rumänien, fand die öffentliche Anerkennung der Deportation und der anderen antideutschen Maßnahmen in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre oder des unmoralischen Charakters des sogenannten „Freikaufs“ früher und fast problemlos statt.

In Rumänien ist die Deportation als Unrecht und als ein Fall ethnischer Verfolgung ein Bestandteil des öffentlichen Narrativs über die Rumäniendeutschen in den Darstellungen mit historischem Charakter und in der rumänischen Presse. Im Kontext der Präsidentschaftswahlen in Rumänien spielte die Deportation eine Rolle in der Argumentation einiger Unterstützer von Klaus Johannis, wie zum Beispiel Radu Carp, Dozent für Politikwissenschaften an der Universität Bukarest, in dem Blogbeitrag „De ce trebuie votat Klaus Iohannis“. Auch der Film von Florin Iepans über Klaus Johannis bezog sich auch auf die Deportation, doch sagte er fast nichts über das, was vor der Deportation innerhalb der rumäniendeutschen Gemeinschaft passierte.