Gegenwartskunst in der Debatte

Für und Wider neu aufgestellte Plastiken in Temeswar

Virgil Scripcarius „Supermam“ ist eine der Arbeiten, die für Unzufriedenheit unter der Bevölkerung Temeswars sorgten. Fachleute hingegen sind der Meinung, die Arbeit trete in einen Dialog mit den historischen Bauten in ihrer Nähe.
Foto: Zoltán Pázmány

Es war ein siegessicheres Lächeln, das das Präsidium einer Gesprächsrunde aufgesetzt hatte – so als bedürfe es gar keiner Bestätigung aus dem Saal oder von den Massen draußen auf den Straßen, die sich gar nicht mit einem „Totem“, einem „Supermam“ und einer „Eva“ und nur mit viel Humor mit dem „Telefonisten“ als Kunst in der Temeswarer Altstadt anfreunden können. Die Veranstalter der Debatte, die Temeswarer Stadtverwaltung zusammen mit dem für den Umbau des Stadtkerns beauftragten Architekten Şerban Sturdza, hatten keine Mühe und wohl auch keine Kosten gescheut, um Kunsthistoriker und Kunstkritiker aus der Hauptstadt Bukarest anreisen zu lassen, um zu bestätigen, dass die Kritik an den Plastiken unbegründet sei. Wenn trotzdem jemand Gegenargumente im Ärmel hatte, gab es nicht nur radikalen Widerspruch, sondern mit störendem Gemurmel aus dem Saal wurde ihm schon mal gleich auch der Wind aus den Segeln genommen.

Aus Bukarest: „Ja und Amen“

Mehrere Skulpturen im unmittelbaren Stadtzentrum von Temeswar, auf dem Freiheits- und dem Domplatz sowie in den Fußgängerzonen zwischen den beiden Plätzen der Altstadt haben in den letzten Monaten für Kontroversen gesorgt. Eine öffentliche Debatte dazu sollte nun die Aspekte klären. Wer der Veranstaltung jedoch beiwohnte, wurde eines Besseren belehrt – im Grunde genommen war es eine Rechtfertigung, die äußerst tendenziös anmutete. Die Kunstwerke an und für sich zu evaluieren, dürfte für den Laien recht schwierig sein, doch um die Diskrepanz zwischen den Werken und der Architektur der Altstadt zu erkennen, ist kein einschlägiges Kunststudium notwendig. Um nicht in Erklärungsnot zu geraten, hatten die Veranstalter die Bukarester Kunsthistoriker und Hochschullehrer Ruxandra Demetrescu und Adrian Guţă sowie die Kunstwissenschaftlerin Ioana Vlasiu, aber auch die bekannte Temeswarer Kunsthistorikerin Ileana Pintilie auf den Plan gerufen.

Laien das Schweigen geboten

Der Temeswarer Bürgermeister Nicoale Robu sagte, er sei offen für Beratungen, aber bei den Entscheidungen werde er sich nicht unbedingt nach der Mehrheit richten. Robu zeigte sich überzeugt von seinem Vorgehen. Er wies wiederholt auf die bedeutenden Namen der Künstler hin. Noch mehr, in seiner spezifischen Art ließ er erkennen, dass die Masse nicht das notwendige Wissen habe, um stichhaltige Gegenargumente zu liefern. „Leute, die kein Fachwissen haben, können der Elite der Kunst nicht widersprechen“, so der Bürgermeister. Mehrmals wurde an diesem Abend der geschätzte Mircea Roman erwähnt. Grundsätzlich geht es jedoch nicht um den Stellenwert eines gewissen Künstlers in Gesellschaft und Kunstszene, sondern um die Art, wie die Skulpturen aufgenommen werden.

Die Experten sprechen

Die Debatten rund um die Höhe der Sockel der einzelnen Werke gehört wohl für die meisten Bürger an den Rand dieses Hickhacks. Die Kunsthistorikerin Ioana Vlasiu pochte auf die Tatsache, dass es sinnvoll sei, die Architektur des Stadtkerns mit der modernen Bildhauerei zu verbinden. Die Hochschullehrerin und Schriftstellerin Adriana Babeţi hob hervor, dass man Aufklärungsarbeit unter den Bürgern betreiben müsse. Stadtführungen seien notwendig, um die Bürger mit den Plastiken vertraut zu machen. Erziehung des Publikums ist zwar gut, doch ob man Geschmäcker in Sachen Kunst beeinflussen kann? Die Temeswarer Kunsthistorikerin Ileana Pintilie ließ durchblicken – ähnlich einiger ihrer Vorredner – dass man sich in der Stadt daran gewöhnt habe, Skulpturen aufzustellen, die ein geschichtliches Ereignis wiedergeben. „Es bleibt Platz für Diversität“, so Pintilie, die der Meinung ist, man habe Modernität in einen geschichtlichen Rahmen gestellt. Die Bevölkerung muss zu Wort kommen, sagte die Journalistin und ehemalige Direktorin des Temeswarer öffentlich-rechtlichen Fernsehens, Brânduşa Armanca. Sie war nicht zuletzt die einzige, deren kritischen – aber in moderaten Tönen vorgebrachten – Bemerkungen nicht sofort gekontert wurden.

Gegner auf Abstellgleis

Es ist nur allzu verständlich, dass Bürgermeister Robu oder Architekt Sturdza Befürworter ihres Projektes einluden, um ihrer Initiative den Segen der Kenner zu erteilen. Die Tatsache jedoch, dass aus dem Saal kaum eine Gegenstimme kam, überraschte schon. Auch wenn mal einer aus dem Saal den Mut aufbrachte, sich kritisch zu den Skulpturen zu äußern, hatten die Befürworter eine adäquate Taktik parat: Sie begannen zu murmeln und ihren Unmut dem vermeintlichen Opponenten gegenüber zu zeigen. So ließen sie nicht einmal den Vorsitzenden des Temeswarer Künstlerverbandes, János Szekernyés, oder den bekannten Bildhauer Adrian Ioniţă so richtig zu Wort kommen. Der Versuch einer Kunststudentin, sich zu äußern, wurde bereits im Keim erstickt. Übereilt sei das Projekt mit den Plastiken durchgezogen worden, sagte der lange im Ausland lebende Ioniţă. Szekernyés sprach auch die Standorte der Plastiken an, was nicht zuletzt im Extremfall ein Hindernis für Feuerwehrwagen sei. Beim Projektgegner Szekernyés fiel zwischendurch das Mikrofon aus. Symbolträchtig für den Abend.