Ghiorghioni geht’s an den Kragen

Generalversammlung entthront ihn von der Leitung der Vermögensgemeinschaft Bucova

Die satzungsgemäß einberufene Generalversammlung der Mitglieder der Gemeinschaft der Waldbesitzer Bucova, an der Nordgrenze des Verwaltungskreises Karasch-Severin und an den Südwesthängen des Cuntu-Massivs gelegen, tagte am Sonntag, dem 14. Juni. Ihr konnte wegen der Abwesenheit ihres zum Zeitpunkt der Zusammenkunft noch amtierenden Präsidenten, des in Untersuchungshaft einsitzenden und seinen Prozess vor dem Kreisgericht in Reschitza abwartenden Ionesie Ghiorghioni, weder ein Jahresbericht noch eine Wirtschaftsbilanz vorgelegt werden. Aber sie wählte sich in Anwesenheit eines eigens dazu geladenen Notars einen neuen Aufsichtsrat und setzte damit den straffällig gewordenen Ex-Kreisrats-Vize und Ex-Abgeordneten Ghiorghioni ab.

Vermögensgemeinschaft zum Eigennutz

Viereinhalb Jahre lang hatte es in der Waldeigentümergemeinschaft Bucova Querelen und Kleinkriege gegeben zwischen Ghiorghioni und seinen Parteigängern, die er genauso dominierte wie seine eigene Familie, und denjenigen, die seine Unternehmensführung kritisierten und anprangerten, bis hin zu Anzeigen bei der Polizei und vor Gericht. Was zum Tenor seiner Opponenten wurde: die fehlende Transparenz gegenüber den Waldbesitzern, die ihr Vermögen zwecks effizienterer Verwaltung zusammengelegt hatten. Daher: Kon-Possesorat oder Vermögensgemeinschaft, ein Begriff, den in der Zwischenkriegszeit ein Karansebescher Rechtsanwalt, Antoniu Marchescu, eingeführt und in die Praxis einer Unternehmensführung umgesetzt hatte. Marchescu fasste seine Erfahrungen und Theorien in dem Buch „Grănicerii bănăţeni şi Comunitatea de Avere“ (Die Banater Grenzer und die Vermögensgemeinschaft) zusammen.
Ghiorghioni wurde auch das rücksichtslose Zugreifen auf das Vermögen der Mitbesitzer und die Kreditnahmen aufgrund von Garantien mit Forsten, die dem Vorsitzenden gar nicht gehörten, sowie die fehlende Transparenz bei der Nutzung dieser Kredite, mit Verdacht auf Unterschlagungen, vorgeworfen. Diejenigen, die mit Ghiorghionis weitgehend eigenmächtigem Vorgehen nicht einverstanden waren, hatten sich zuletzt mit einer Eingabe auch an die Nationale Antikorruptionsbehörde DNA gewandt – die allerdings Ghiorghioni bereits als „Zehn-Prozent-Mann“ und Abzocker bei der Vergabe von Kreisratsaufträgen im Visier hatte.

Karriere mit Forst und Holz

Ironie des Schicksals oder auch nicht: Ghiorghionis „Todfeind“, sein Bucovaer Landsmann Romeo Răduţă, wurde am Sonntag in den elfköpfigen Aufsichtsrat der Vermögensgemeinschaft Bucova und als Nachfolger Ghiorghionis zu dessen neuem Vorsitzenden gewählt. Die drei neuen Vizepräsidenten und der neue Sekretär der Eigentümergemeinschaft Bucova werden auf der folgenden Aufsichtsratstagung bestimmt, die für kommende Woche angesetzt wurde. Ghiorghioni hatte seine Berufslaufbahn als Handlanger in einem Holzdepot begonnen und die Wende 1989 als Generaldirektor des Karansebescher Holzverarbeitungs- und -handelsunternehmens „Fagex“ erlebt. Unter diversen Vorwänden hatte er sich seit drei Jahren erfolgreich geweigert, eine Generalversammlung der Vermögensgemeinschaft Bucova einzuberufen, da er sehr wohl ahnte, dass gut 60 Prozent der Mitglieder ihn ob seiner zweifelhaften Geschäftsführung abwählen würden.

Alles kam vom „Guten Kaiser“

Die Vermögensgemeinschaften des Banater Berglands sind Zusammenschlüsse der Waldbesitzer, die auf Schenkungen Kaiser Franz Josephs I. aus den endsiebziger Jahren des 19. Jahrhunderts zurückgehen. Heute noch erzählt man sich in den Gebieten der Vermögensgemeinschaften Geschichten vom „Guten Kaiser“, „Bunul Împărat“. Als das Budapester Parlament 1872 die Auflösung der dem Kaiser von Österreich und König von Ungarn viel zu loyal ergebenen Grenzregimenter beschloss – sie hatten sich vor allem in der Niederschlagung der ungarischen Revolution von 1848-49 als sehr kaisertreu erwiesen und ihre Auflösung war bestimmt auch eine Art „Strafe“ dafür seitens der Ungarn – entschied Franz Joseph I., die ehemaligen Wehrbauern der Grenzregimenter „für treue Dienste“ mit der Zueignung von Wäldern, Wiesen und Feldern aus kaiserlichem Besitz (des Wiener Schatzamtes) zu danken. Die zuerst individuell bearbeiteten Besitztümer „in der Grenze“ wurden nach dem Ersten Weltkrieg auf Betreiben des Rechtsanwalts Antoniu Marchescu zu „Kon-Possesoraten“, zu Vermögensgemeinschaften, zwecks zentral gelenkter Bewirtschaftung zusammengeschlossen, die den „Konpossesorats-Mitgliedern“, wie in einem Konzern mit Aktionären, alljährlich sowohl Sachwerte als auch Anteile am erwirtschafteten finanziellen Gewinn zukommen ließen.

Selbstversorgung als Abgeordneter

Die Vermögensgemeinschaften wurden 1947 – trotz der Argumentation, dass das eigentlich Genossenschaften sind – verstaatlicht. Im Rahmen der Rückerstattungsgesetzgebung tauchte dann nach 1989 die Möglichkeit ihrer Wiedergründung auf. Diese Gelegenheit ergriff Ghiorghioni in seiner Eigenschaft als Abgeordneter zu Beginn des neuen Jahrtausends (und mit der Handhabe des „Lupu“-Rückerstattungsgesetzes) und bereiste mit Mitteln des Abgeordnetenhauses alle fast hundert Ortschaften, die einmal in Vermögensgemeinschaften mit Zentrum Karansebesch zusammengeschlossen waren. Er wollte die Nachkommen der früheren Forstbesitzer nicht nur zur Forderung nach Rückerstattung der Wälder vom Staat animieren – oft mit von ihm organisierter juristischer Unterstützung –, sondern auch zur Neugründung von Eigentümergemeinschaften, für die er sich vielerorts als Chef anbot. Die zentrale Leitung dieses Prozesses – der bis heute noch nicht abgeschlossen ist – übernahm einmal mehr der ehemalige Regimentssitz Karansebesch (des „Rumänen-Banater Grenzregiments Nr.14“). Ghiorghioni selber gelang die Übernahme der Leitung einer Vermögensgemeinschaft bloß in Bucova, seiner Herkunftsgegend. Und da benahm er sich  nicht zur ungeteilten Freude und Zustimmung der Gemeinschaftsmitglieder. Die Folgen spürt er jetzt, indem er vorerst mal abgesetzt wurde.

Strafrechtliche Folgen erwogen

Ob es auch noch weitere Folgen für ihn geben wird, etwa strafrechtlicher Natur, wird wohl erst die Rechnungsprüfung zeigen, die vom neuen Aufsichtsrat angefordert wurde – der übrigens vorsorglich zur Generalversammlung einen Notar bestellt hatte, da noch nachträgliche Querelen mit Ghiorghioni und seinem Clan sowie seinen Parteigängern nicht ausgeschlossen werden, weil in der Buchführung der Vermögensgemeinschaft Bucova allzu viele Ungereimtheiten vermutet werden. Nach der Generalversammlung erklärte der neue Vorsitzende, Romeo Răduţă: „Die Generalversammlung verlief unter sehr guten Voraussetzungen. Die Anwesenheit lag bei 60 Prozent. Unter den Angereisten waren auch bisherige Parteigänger Ghiorghionis. Da der Vermögensgemeinschaft kein Wirtschaftsbericht geboten werden konnte, haben wir nun eine Rechnungsprüfung angefordert. Wir sind vor allem neugierig, wie es um die Kredite steht, um die so viel gemunkelt wird, sowie um Ausgaben, die im Namen einiger Mitglieder der Vermögensgemeinschaft getätigt wurden, ohne dass Herr Ghiorghioni oder sonst jemand die Generalversammlung um Zustimmung gebeten hätte. Wir möchten den Mitgliedern – und auch uns selber – nun Klarheit verschaffen. Sollten Unregelmäßigkeiten entdeckt werden, werden die Schuldigen dafür bezahlen müssen.“