Graffiti werden zum Problem

Sprayer verunstalten historische Gebäude in Kronstadt - hat die Erziehung versagt?

Mit offizieller Genehmigung entstand hinter der Graft dieses Wandgemälde des als „Pisica pătrată“ bekannten Autoren.

Manche Kronstädter Graffitisprayer verfügen auch über deutsche Sprachkenntnisse und Inspirationsquellen.
Fotos: Ralf Sudrigian

Noch vor den in Kronstadt/Braşov zu erwartenden Wahlkampf-Exzessen (beschmierte und zerfetzte Poster, überdimensionierte Banner und sonstiges Wahlwerbematerial, Werbung an unerlaubten Stellen usw.) hat man bereits jetzt Grund genug, über eine aggressive Verschmutzung in den Straßen der Inneren Stadt zu klagen. Es sind die unübersehbaren Kritzeleien an Mauern, Toren, Zäunen, Garagen, Stromkästen und anderen Stellen, deren Zahl in den letzten Monaten stark zugenommen hat, so dass sie  einfach nicht mehr zu übersehen sind.
Die in grellen Farben dick gesprühten Zeichnungen, Symbole und Texte beinhalten keine klare „Botschaft“. Es geht unter anderem um Sprüche, Lebensweisheiten, die entweder witzig oder provokant erscheinen wollen, auf Rumänisch, Englisch, einige wenige sogar auf Deutsch. Oder um skurrile bis vulgäre Zeichnungen und verschiedene Symbole und Unterschriften der „Künstler“.

Sie verschandeln Hauswände, die in manchen Fällen gerade erst frisch angestrichen wurden. Es ist, wie auch in anderen Städten des Landes und der ganzen Welt, eher eine sogenannte Mutprobe Jugendlicher, eine Herausforderung an die Gesellschaft und die Ordnungskräfte als eine klar gestaltete urbane Protestform. Wenn dabei aber selbst  historische Baudenkmäler (wie z.B. die Schwarze Kirche) nicht verschont werden, dürfte eine Schmerzensgrenze erreicht sein. Und wo ein Graffitisprayer seine Spur hinterlassen hat, dürften sich dessen Genossen oder Rivalen aus der Szene aufgefordert fühlen, ebenfalls mit eigenen „Kunstwerken“ in Erscheinung zu treten.

Die Streifen der Stadtpolizei scheinen in dem nächtlichen Versteckspiel mit den Graffiti-Autoren, die wohl auch nicht einzeln in Aktion treten dürften, überfordert zu sein. Sie auf frischer Tat zu ertappen und dann entsprechend zu ahnden, um ein Exempel zu statuieren – das ist zur Zeit scheinbar zu viel von den Ordnungshütern des Kronstädter Bürgermeisteramtes verlangt. Zu sanierungsbedürftigen Häusern im historischen Stadtzentrum kommen nun auch mit Kritzeleien beschmierte Fassaden hinzu. Für Touristen und Kronstädter kein schöner Anblick, für Kinder ein schlechtes Beispiel, für Eltern und Lehrkräfte ein gewichtiger Grund nachzudenken, wo sie versagt haben.

Es geht auch anders. Die Underground-Szene und Street-Art könnten jene Graffiti-Autoren, die auch künstlerische Ansprüche erheben, für sich gewinnen. In Kronstadt fand im vorigen Herbst das Amural-Festival statt, auf dem es auch eine Wandmalerei-Sektion gab. Hinter der Graft, ungefähr am früheren Ausgang des Popular-Kinos, ist ein großes Wandgemälde von „Pisica pătrată“ geblieben. Am anderen Ufer der Graft stellt ein ansonsten hässlicher Betonwürfel des Kronstädter Gaswerkes ein weiteres, ziemlich  unkonventionelles Wandgemälde zur Schau. Auch über diese Lösungen dürfte man geteilter Meinung sein. Aber da, am Stadtrand oder auf aufgelassenen und brachliegenden Industriegeländen dürften solche Versuche eher geduldet werden als in den Straßen der Kronstädter Innenstadt, wo sie generell nichts zu suchen haben.