Grenzgänger in Rumänien und Wien

Interview mit dem deutschen Schriftsteller Jan Koneffke

Fühlt sich gut im Land der Legenden, Gerüchte und Mythen: Jan Koneffke
Foto: Jürgen Henkel

Jan Koneffke, Jahrgang 1960, stammt aus Darmstadt. Er studierte Philosophie und Germanistik in Berlin und verbrachte nach einem Stipendium in der Villa Massimo sieben Jahre in Rom. Er lebt als Schriftsteller, Publizist und Übersetzer in Wien, Bukarest und Măneciu in den Karpaten. Er erhielt unter anderem den Leonce-und-Lena-Preis, den Friedrich-Hölderlin-Förderpreis und den Offenbacher Literaturpreis. Bekannte Werke sind die Romane „Eine Liebe am Tiber“ (2004), „Abschiedsnovelle“ (2006) und „Eine nie vergessene Geschichte“ (2008). Jan Koneffke sprach mit Jürgen Henkel über sein Leben als deutscher Schriftsteller in Rumänien.

Herr Koneffke, was zieht einen deutschen Schriftsteller nach Rumänien?
Ich bin außerordentlich fasziniert von dem Land hier, seiner Geschichte und Mentalität, die der unsrigen so völlig fremd ist. Ich habe das schon in Italien erlebt, dass durch den fremden Spiegel der eigene Charakter, die eigene Kultur, die eigenen Traditionen sich so besonders schön in Frage stellen lassen.
Natürlich vermittelt sich das für mich als Schriftsteller erst einmal über die Sprache. Die rumänische Sprache ist voller wunderschöner Bilder und Redewendungen. Das ist für einen Schriftsteller unglaublich bereichernd, wenn man eine solche Sprache lernt und damit auch für die eigene Sprache sehr viel dazugewinnen kann. Rumänien ist ein Land der Legenden, Gerüchte und Mythen. Das kann sehr spannend sein.

Ihr neues Buch handelt mit viel Detailwissen und historischen Bezügen im Rumänien der 30er- und 40er-Jahre. Wie haben Sie dieses Buch recherchiert?
Für „Die sieben Leben des Felix Kannmacher“ habe ich etwa zehn Jahre lang recherchiert. Ich brauchte dafür nicht nur historisches Wissen, weil das Buch ja in den 30er- und 40er-Jahren spielt, sondern auch alltagsgeschichtliches Wissen. Da muss ich als Autor sehr genau wissen, wie man damals gelebt hat. Das war eine außerordentlich spannende Zeit für Rumänien, eine Zeit der Modernisierung. Das sieht man auch an der Architektur, die hier in Bukarest in den 30er-Jahren entstanden ist. Bukarest war eine Stadt, die flirrte und eine Menge von Westeuropa gelernt hat, aber auf ganz eigene Weise umgesetzt hat.

Was für Material verwenden Sie?
Ich habe Bildbände und historische Stadtpläne eingesehen, auch richtige Stadtführer von Bukarest aus den 30er-Jahren, darunter einen deutschsprachigen, der in Siebenbürgen gedruckt wurde und König Carol II. gewidmet war. Außerdem wichtige Bücher wie etwa die „Tagebücher“ von Mihail Sebastian, die ja sehr viel Aufschluss geben sowohl über die Alltagsgeschichte, als auch über die Umbrüche der 30er und frühen 40er-Jahre.

Hat sich der rumänische Kulturbetrieb nach der Wende von 1989 eine gewisse Authentizität und eigene Note bewahrt oder gab es eine starke Anpassung an den Westen?
Es gibt auf der einen Seite einen sehr starken angloamerikanischen Buchmarkt. Auch findet man hier von Paulo Coelho bis Dan Brown die gleichen Bestseller wie in Deutschland. Das sind Bücher, die massenhaft gekauft werden. Die autochthone Kulturszene – und vor allem die Literaturszene, die ich am besten beurteilen kann –, hat sich trotzdem schon ihr Eigenes bewahrt. Da gibt es auch ganz spannende Diskussionen zwischen den Autorengenerationen. Die stehen in einem polemischen, aber sehr gewissenhaften Austausch. Insgesamt hat sich eine ganz eigene Kultur bewahrt, aber diese ist immer marginaler geworden, was die Gesellschaft betrifft, weil die Literatur in ganz Osteuropa nicht mehr die gleiche Bedeutung hat, die sie zu kommunistischer Zeit hatte.

Viele Menschen sind aus Rumänien emigriert. Wie werden Sie hier als deutscher Schriftsteller wahrgenommen, der aus Deutschland stammt und in Rumänien lebt?
Ich habe Kontakte zu vielen rumänischen Autorenkollegen wie Cărtărescu oder Gabriela Adameşteanu. Die sind sehr offen für Leute, die wie ich von außen kommen und ihre Literatur hier hereintragen, nachdem die rumäniendeutsche Literatur in Rumänien ja fast verschwunden ist bis auf wenige Ausnahmen wie Joachim Wittstock und Eginald Schlattner.
Dass jetzt wieder einmal ein deutscher Schriftsteller nach Rumänien und Bukarest kommt und mit ihnen über ihre Literatur diskutiert, an ihrer Literatur interessiert ist, der gleichzeitig eigene Literatur schreibt, die sich dann auch noch wie im letzten Buch mit ihrem Land beschäftigt, das erzeugt eine enorme Aufmerksamkeit und eine große Sympathie.

Gibt es negative Erfahrungen?
Ich habe einmal einen kritischen Beitrag zur Korruption in Rumänien in der „Neuen Zürcher Zeitung“ publiziert, der auch in Rumänien zitiert und veröffentlicht wurde. Das hat mir viele Beschimpfungen in Internetforen eingebracht. Ich wurde als Hitlerjunge beschimpft. Das macht mich nachdenklich, auch wenn ich an Kollegen wie Mircea Cărtărescu denke, die regelmäßig politische Kommentare schreiben. Es gibt auf der einen Seite dieses sehr schöne, gastfreundliche und angenehme Rumänien, wo die Gefühle überschwappen im positiven Sinne, dann gibt es auch das Rumänien, wo die Gefühle im negativen Sinne überschwappen und jene Mentalität, die in kommunistischer Zeit verbogen wurde, immer noch sehr stark ist.

Vielen Dank für das Gespräch.