Großes Potenzial der Internationalisierung

ADZ-Gespräch mit Prof. Dr. Rudolf Gräf, Vizerektor der „Babeş-Bólyai“-Universität Klausenburg

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In den jüngsten Rankings der Universitäten der Welt taucht keine einzige Hochschule aus Rumänien unter den ersten 500 auf. Auf der erweiterten Liste – es gibt eine Art „Warteliste“ – rangiert allerdings die Klausenburger „Babeş-Bólyai“-Universität (UBB) als Erste unter den rumänischen Hochschulen. Das heißt, sie hat sich beharrlich hochgearbeitet und klopft an die Pforten der weltweiten Anerkennung. Dazu trägt entscheidend die hier gepflegte Vielsprachigkeit bei und die konsequente Förderung der internationalen Beziehungen. Über aktuelle Fragen und Probleme dieser Hochschule sprach Werner Kremm mit dem Vizerektor und Leiter der deutschen Studiengänge, dem Historiker Prof. Dr. Rudolf Gräf.

Inwiefern ist der deutsche Studiengang an der UBB ein Gleichgewichtsfaktor – auch politisch gesehen – zwischen dem rumänischen und dem ungarischen Studiengang?
Alle Dreierkonstruktionen sind auch ein Gleichgewichtsfaktor, denn durch das Fehlen der Symmetrie steht man auf festeren Beinen. Im Falle der UBB führt diese Art von Konstruktion zu einem gegenseitigen Entgegenkommen, zu Kooperation und gemeinsamer Entscheidungsfindung, was sich nur gut auswirken kann.

Welches sind die Überlebenschancen der deutschen Studienrichtung in der sich abzeichnenden Ära Post-Andrei-Marga, angesichts der Tatsache, dass es auch an der Klausenburger Universität starke nationalistische Strömungen gibt und dass das Unterrichtsministerium bisher nicht unbedingt Deutschfreundlichkeit hat erkennen lassen? Rektor Prof. Dr. Andrei Marga hat nie ein Hehl aus seiner Deutschfreundlichkeit gemacht und stand immer fest hinter dem deutschen Studiengang. Sein Mandat läuft leider im Frühling 2012 aus.
Ich würde heute nicht von nationalistischen Strömungen sprechen. Es gibt, wie überall, etwas ausgeprägtere nationale Stellungnahmen, die ich nicht als nationalistisch einstufen würde. Und im Ministerium würde man gut beraten sein, wenn man dem Unterricht der deutschen Sprache eine größere Aufmerksamkeit schenken würde. Es gibt übrigens eine gemischte Kommission zur Förderung der deutschen Sprache, die die Realität aus Klausenburg zum Vorbild nehmen könnte.

Andererseits verankert das neue Unterrichtsgesetz unsere Uni als dreisprachige und multikulturelle Universität. Übrigens wird dieser multikulturelle und multilinguale Charakter unserer Universität, mit ausdrücklicher Nennung der deutschen Unterrichtssprache, neben der rumänischen und ungarischen, durch das neue rumänische Bildungsgesetz (Nr. 1/2011, Art. 363) festgeschrieben.

Professor Marga, der in Deutschland bei den namhaftesten Philosophen seiner Zeit studiert hat und Träger des Bundesverdienstkreuzes ist,  und sein damaliges Team (Prof. Nicolae Bocşan, Prof. Wolfgang Breckner, Prof. Wilfried Schreiber) hat – sowohl als langjähriger Rektor wie auch als Bildungsminister – ein Konstrukt geschaffen, das einzigartig in Europa ist, lange bevor in Mittel-Osteuropa überhaupt der Gedanke an ähnliche Einrichtungen aufkam. Das geschah alles in einer Zeit, in der in Rumänien und auch in Klausenburg, aber auch in der Nachbarschaft, alte, unruhige Geister noch sehr aktiv waren, und ein solcher Geist, wie Marga ihn förderte, hat eben dazu beigetragen, radikale Tendenzen abzuschwächen, gegenseitiges Kennenlernen und Zusammenarbeiten zu ermöglichen. Man sollte nicht die Glanzperioden und Riesenauflagen von gewissen nationalistischen Zeitungen und Gruppierungen vergessen, die alle mit „Groß…“ begannen. 

Dieses Konstrukt – das eigentlich einer historischen Tradition aus Siebenbürgen und dem Banat entspricht – wurde in den letzten Jahren massiv ausgebaut und qualitativ neugestaltet. Es bleibt in der Verantwortung der neuen Universitätsleitung ab 2012 – und ich hoffe, dass wir hier keinen Bruch erleben werden, sondern eine Kontinuität – das, was aufgebaut ist, weiterzuführen und zu entwickeln. Es war eine enorme Herausforderung für die damalige siebenbürgische Gesellschaft, dieses Modell zu akzeptieren. Es ist ein unverrückbares Verdienst von Professor Marga, dass er die Vision und die Durchsetzungskraft gehabt hat und immer noch hat, dieses Modell aufzubauen und lebensfähig zu machen. Sodass ich eigentlich fest hoffe, dass das Modell lebensfähig ist, denn – sehr wichtig! – die jungen Menschen aus der Uni, Studierende und Lehrende, haben (unabhängig von ihrer eigenen Nationalität) die Idee angenommen und sind aktiv impliziert in ihre zukünftige Gestaltung.

Wenn man auf lange Sicht plant und denkt, so haben wir gute Vorzeichen, dass in den nächsten vier bis fünf Jahren die Anzahl derjenigen, die auf Deutsch studieren wollen, steigen wird, weil die Nachfrage in den Schulen mit deutscher Unterrichtssprache in den letzten Jahren rumänienweit zugenommen hat.

Der deutsche Studiengang zeichnet sich durch starke Bindungen zum deutschen und österreichischen Raum aus – weniger zum schweizerischen. Gibt es unter den Studenten ausreichend Interessenten für die Unzahl von Studienangeboten – bis hin zu Doppeldiplomen – im deutschen Sprachraum? Und umgekehrt: Gibt es aus dem deutschen Sprachraum genügend Interessenten für eine Wahrnahme von Angeboten in Richtung Klausenburg? Wie viele Deutsche und Österreicher haben bisher ihren Master und den Doktor in Klausenburg gemacht? In welchen Bereichen?
Ja, wir sind etappenweise vorgegangen, beziehungsweise haben mit Deutschland und Österreich begonnen, haben aber auch sehr gute Beziehungen mit der Universität Bern oder Zürich. Prof. Dr. Norbert Thom, Leiter des Instituts für Organisation und Personal an der Universität Bern, lehrt seit einigen Jahren in Klausenburg und ist fester Bestandteil unseres Gastprofessorenteams. Sicher ist es aber, dass wir in der Schweiz noch viel auszubauen haben.

Die Beziehungen in Deutschland und in Österreich sind aber bereits sehr gut gestaltet und ausgebaut. Und zwar von Regensburg bis Rostock, und von Tübingen und München bis Karlsruhe, Magdeburg und Leipzig oder Münster und in Österreich von Graz bis Innsbruck und von Wien bis Klagenfurt gibt es die verschiedensten Formen der Kooperationen (von institutionellen Partnerschaften zu individuellen Kooperationen, von der Durchführung gemeinsamer wissenschaftlicher Projekte zum Studentenaustausch, vom Doppeldiplom zum gemeinsamen Master oder zur Cotutelle im Bereich des Doktoratsstudiums, zu gemeinsamen wissenschaftlichen Veranstaltungen, Tagungen, Konferenzen usw.

Sicher gibt es eine allgemeine Tendenz der Studierenden, eher Richtung Westen zu ziehen. Also wollen auch die Deutschen und Österreicher eher in die USA als nach Rumänien. Völlig normal. Aber es zeichnet sich ein Trend unter den deutschen und österreichischen Studierenden ab, zunehmend auch hierherzuziehen. Es sind Biologen, Ökonomen, Historiker (die auch bei uns promovieren), Chemiker, auch mit Doktoraten, usw.

Welches sind Ihre Genugtuungen als verantwortlicher Leiter beim Ausbau des deutschen Studiengangs an der Universität Babeş-Bolyai Klausenburg, der gegenwärtig einen Entwicklungshöhepunkt erreicht hat? Wie gedenken Sie – vorausgesetzt sie verantworten ab 2012 weiterhin dafür – diesen Studiengang zu festigen?
Man kann sehen, dass die Studierenden aus den Anfangsjahren des deutschen Studiengangs jetzt aktiv mitmachen an der Gestaltung dieser Studienrichtung, jetzt aber als Lehrende oder als Angestellte in führenden Positionen in der Wirtschaft, in der Wissenschaft oder in der Lehre (z. B. bei EBS oder bei EON Gas, mit denen wir auch sehr gute Kontakte pflegen, wie auch mit dem Klub der deutschsprachigen Unternehmer aus Nordsiebenbürgen, die sehr aktiv sind). Ebenso kann man mit Zufriedenheit sehen, dass ehemalige Studierende jetzt profilierte Wissenschaftler sind, die schon internationale Resonanz haben und eben in diesem Raum, in dem man ihnen die ersten Schritte ermöglicht hat, auf eigenen Füßen eine Karriere machen.

Dabei muss ich sagen, dass von österreichischer und deutscher Seite (durch die Botschaft der Republik Österreich, die Kulturpolitische Sektion des österreichischen Außenministeriums, beziehungsweise durch das Hermannstädter Generalkonsulat und die Bukarester Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, nicht zuletzt durch den DAAD) enorm viel in dieser Richtung getan worden ist. Man darf nur nicht vergessen, welch ein Zeichen, ja einen Schub der Besuch der deutschen Bundeskanzlerin, Dr. Angela Merkel, in unserer Uni und die Verleihung des Ehrendoktors bedeutet hat.

Für die Zukunft kann ich mir gut vorstellen, dass infolge der Neuorganisierung der deutschen Studienrichtung in Departements, die einerseits mehr Selbstbestimmung im Rahmen der Uni, andererseits eine größere finanzielle – und nicht nur finanzielle – Verantwortung mit sich bringt, sich diese Studienrichtung als fester Bestandteil der UBB und des rumänischen Hochschulwesens ins Bewusstsein der Studierenden einprägt, und zwar nicht nur bei Angehörigen der deutschen Minderheit – da setze ich das als selbstverständlich voraus – sondern auch für die jungen Rumänen und Ungarn aus Rumänien, die die Gelegenheit wahrnehmen, hier bei uns die akademische Einführung in den deutschsprachigen Kulturraum zu erleben, sodass wir unsere Studierenden nicht nur aus Siebenbürgen, dem Sathmarer Raum und dem Banat haben, sondern auch aus anderen Regionen Rumäniens.

Das gilt ebenso für Studierende aus Deutschland und Österreich, für die die Möglichkeit besteht, in Rumänien auf Deutsch zu studieren und gleichzeitig in eine romanische Kultur und in einen romanischen Lebensraum eingeführt zu werden, und es gilt auch für Studierende aus Ungarn und den anderen Nachbarländern. Dafür muss aber noch hart gearbeitet werden, sodass wir intern und extern besser sichtbar, konkurrenzfähig sind und die bereits errungene Position als Topuniversität Rumäniens auch in unserer Studienrichtung bewahren und verteidigen können. Dies auch mit Hilfe unserer jetzigen Studenten. Dabei möchte ich den Gutenberg-Verein der deutschsprachigen Studenten erwähnen, der sehr aktiv und kreativ ist. Aber eine Universität lebt vom Wissen sowohl der jungen wie auch der „reiferen“ Generationen. Leider werden wir jetzt einen großen Verlust an Lehrkräften verkraften müssen infolge gesetzlicher Bestimmungen über das Rentenalter, das noch sehr kreative und tatkräftige Menschen dem Betrieb verlustig macht. Das wird für unseren Studiengang besonders schwer zu verkraften sein.

Die Universität Regensburg hat durch ihren Rektor Prof. Dr. Thomas Strothotte das internationale Secondos-Programm initiiert, eines der breitgefächertesten internationalen Programme der Zusammenarbeit zwischen Universitäten. Wer nimmt alles daran teil, warum, und wie ist die UBB da impliziert?
Prof. Strothotte hat schon als Rektor der Universität Rostock das Doppeldiplomprogramm initiiert, das bei uns funktioniert. Wir haben zur Stunde über 25 Studierende aus Rostock im Fach Biologie, wir haben mehr als 10 an den Wirtschaftswissenschaften. Es ist ein Trend, der sich jetzt festigt, der der Autobahn zwei Fahrtrichtungen gibt.

Das Secondos-Programm, das Rektor Strothotte nun in Regensburg durchgesetzt hat, ist aber besonders interessant, weil es eben diejenigen Studierenden anspricht, die einen biografischen Hintergrund in Rumänien haben, und es will diesen Leuten das Land ihrer Väter und Großväter näher bringen. Andererseits geschieht das auch in der Ukraine, in Ungarn, in Weißrussland und in Russland. Darum kommen sie auch zu uns. Und der große Vorteil ist, dass die Studierenden mit zwei Diplomen ihr Studium abschließen, dem rumänischen und dem deutschen.

Andererseits ist die Internationalisierung ohnehin bereits ein Hauptanliegen unserer Universität. Wir haben in den letzten Jahren sicher mehr als 20 Doktoren aus dem Ausland „produziert“ und haben jährlich in den Masterprogrammen an der deutschen Studienrichtung Studierende aus dem deutschsprachigen Raum, deren Zahl unterschiedlich ist. Zur Stunde sind von den über 200 ausländischen Doktoranden unserer Uni mehr als 10 aus dem deutschsprachigen Raum.
Leider hält bei uns die Gesetzgebung nicht Schritt mit den Umwälzungen auf europäischer Ebene. Sie baut eher Schwierigkeiten auf gegenüber den internationalen Trends.

Diese Universitäten sind unsere Partner auch in den Doktoratsprogrammen und ich kann sagen, dass nur in einem von diesen mehr als zweihundert unserer Doktoranden (ich meine jetzt Doktoranden der ganzen Universität) an deutschen und österreichischen Universitäten ihren Auslandsaufenthalt verbracht haben, wo sie eben infolge dieser Partnerschaften an den Universitäten Wien oder Regensburg, Graz oder München, Karlsruhe (FZK-KIT) von deutschen oder österreichischen Professoren und Wissenschaftlern betreut worden sind.

Es liegt ein enormes Potenzial in dieser dreisprachigen Universität und es liegt an uns, dass dieses Potenzial einerseits von der rumänischen Gesellschaft, andrerseits aber auch von den Studierenden aus den deutschsprachigen wie auch aus unseren Nachbarländern wahrgenommen und genutzt wird.
Sowohl das Doppeldiplomprogramm wie auch das Joint-Degree-Programm konnten nur mit viel Mühe durchgesetzt werden und das Haupthindernis liegt an der fehlenden Autonomie der rumänischen Universitäten, an der Überzentralisierung, die das Unterrichtsministerium praktiziert und an der unzureichenden europäischen Modellorientierung in der Gestaltung des Unterrichtswesens in unserem Lande.
Übrigens ist die strenge Einschränkung der Universitätsautonomie das größte Hindernis auf dem Wege einer freien, kreativen und zwanglosen Entwicklung des rumänischen Hochschulwesens.
Das ist aber ein anderes Thema.

Herzlichen Dank für ihre Ausführungen.