Hinterfragt: Der Kaufpreis einer Kirchenburg

Wäre Friedrich Dürrenmatt ein Siebenbürger Sachse gewesen, so fände „Der Besuch der alten Dame“ vermutlich in einer verarmten Gemeinde Siebenbürgens statt, aus deren sächsischer Gemeinschaft sie in jungen Jahren verstoßen worden ist, weil sie, bereits schwanger, einen orthodoxen Rumänen heiraten wollte. Nach mehreren Ehen im Westen kam sie zu Reichtum und kaufte insgeheim Äcker und Werkstätten in ihrem Heimatort auf, um ihn allmählich zu ruinieren, was etliche Einwohner zur Auswanderung nach Deutschland zwang. Betagt kehrt sie zurück, um das letzte, noch unveräußerte Gemeingut des Ortes zu kaufen und um jene evangelische Kirchenburg der orthodoxen Gemeinschaft zu stiften. Bliebe nur eines noch zu klären: Welches ist der Kaufpreis einer Kirchenburg?

Selbst fiktive literarische Narrative haben bekanntlich einen wahren Kern. Neben der Frage nach Moral und Kultur ist die Veräußerung von Kirchen(burgen) schon lange Realität, wenn auch nicht prägnant. Beispielsweise wurde die gotische Hallenkirche in Treppen/Târpiu der orthodoxen Kirche übereignet, die sie denkmalgerecht saniert hat. Der Kirchenbau in Donnersmarkt/M²n²rade wird von der griechisch-katholischen Religionsgemeinschaft genutzt, jener in Minarken/Monariu von einer Pfingstgemeinde und die Synagoge in Bistritz/Bistri]a wurde von der Stadt zur Nutzung als Konzertsaal saniert. Doch nicht bei allen übereigneten Sakralbauten blieb deren ursprünglicher Charakter erhalten. Ändert sich nun die Kirchenburgenlandschaft?

Die Kirchenburgenlandschaft Siebenbürgens unterlag von je her Veränderungen. Nachdem die Ringmauern der Kirchenburgen ihre Schutzfunktion verloren haben, wurden sie in manchen Dörfern ganz oder teilweise abgetragen, um aus dem Baumaterial Schulgebäude zu errichten. Bewehrte Stadttore wurden des wachsenden Verkehrs wegen abgerissen. Man war pragmatisch. Und heute?

Initiativen und Projekte gab es einige. Alljährlich berichtete die ADZ mehrmals über Bemühungen und Maßnahmen. Auch dieses Jahr hat mit einer prominent besetzten Podiumsdiskussion in München begonnen, auch diesen Sommer wurde in einem online übertragenen Gespräch zwischen einem Dekan und einem Kunsthistoriker über Veräußerung und Übertragung in eine Denkmalstiftung sinniert, auch diesen Herbst wird eine Fachtagung in Hermannstadt organisiert um nachhaltige Nutzungsmöglichkeiten zu erörtern (Anmerkung Red.: und am Freitag können Sie in der großen Reportage zum 33. Sachsentreffen, das am vergangenen Wochenende stattfand, von ebensolchen Ideen und Projekten lesen). Anders rinnt hier die Zeit, hört man Meschendörfer sagen - aber als Mahnung.

Egal wie man das Blatt dreht und wendet: Dürrenmatts Gedankenspiel über moralische Verantwortung und finanzielle Möglichkeiten bleibt aktuell: In beinahe menschenleeren Kirchengemeinden sind Kirchenburgen Vandalismus, Wetterschäden und Verfall derart ausgesetzt, dass der Preis ihres Erhaltes mit eigenen Möglichkeiten nicht gedeckt werden kann.

Hoffnung kommt auf bei ergebnisoffenen  Fachgesprächen, die interdisziplinär geführt werden. Neben Kunsthistorikern, Denkmalschutzfachleuten, Theologen und Vertretern von Kulturverbänden ist die Expertise aus der Immobilienwirtschaft erforderlich. Bisher gescheute Modellvarianten müssen mitberücksichtigt werden, die bei den Heimatortsgemeinschaften in der Ferne vermutlich Unbehagen auslösen, aber die verbliebenen Pfarrämter entlasten. Der Preis für den Erhalt der Kirchenburgen ist hoch, manchen Orts eben zu hoch. Der Preis für den Verfall von Kirchenburgen ist mit ihrem Totalverlust jetzt bereits zu hoch. Bleibt in Teilen über den Kaufpreis zu sprechen. Ein symbolischer Leu oder Euro wäre denkbar, falls die Übereignung an eine Denkmalschutzstiftung erfolgt, die den ursprünglichen Charakter der Bauten erhält und einer Nutzungsform zuführt, die deren Fortbestand langfristig sichert.