„In Kronstadt verdient man als Künstler wie in München“

Aussage des Bürgermeisters George Scripcaru wird von Kulturschaffenden bestritten

Die Kronstädter Philharmonie Foto: musica-coronensis.ro

Für den Kronstädter Bürgermeister George Scripcaru ist Kultur teuer, aber nicht viel wert. Dass die öffentlichen Lokalbehörden nur wenig daran interessiert sind, die Kulturszene zu fördern, ist den meisten bekannt. Das kulturelle Leben ist ein großer Minuspunkt der Stadt unter der Zinne: Während man in anderen Großstädten, wo sich ein Event an das andere reiht, die Qual der Wahl hat, wenn man ins Theater, ins Kino oder zu einem Konzert will, hat man in Kronstadt eher ein armseliges Angebot an Veranstaltungen. Doch auch diese wenigen Angebote scheinen den Bürgermeister eher zu stören, denn seiner Meinung nach verdient man in dieser Branche zu viel.

„Zu 150 Prozent finanziert“

Ende Februar, während der öffentlichen Debatte betreffend das Lokalbudget, äußerte sich Scripcaru kritisch zu den Gehältern der Künstler, die an den staatlichen Institutionen angestellt sind. Gemeint waren die Angestellten der Philharmonie, des Sică-Alexandrescu-Theaters und der Oper: „Zum Beispiel gibt die Stadt für die Gehälter der Philharmonie sehr viel Geld aus. Dasselbe gilt für die Oper und das Theater. Es ist zu Fällen gekommen, dass ein Angestellter einer Kulturinstitution aus Kronstadt genauso viel wie ein Künstler aus München verdient. Das Arbeitsministerium hat eine Lohn- und Gehaltsabrechnung vorbereitet. Dann kamen die Gehaltserhöhungen und die Gerichtsbeschlüsse. Es kam dazu, dass wir Gehälter zahlen mussten, die man laut Gesetz erst im Jahr 2022 zahlen muss. Es ist gut zu wissen, dass wir einige Kulturinstitutionen, die dem Bürgermeisteramt untergeordnet sind, zu 150 Prozent finanzieren“, erklärte Scripcaru. Laut Kronstädter Bürgermeister müsste man eine neue Strategie anwenden: Eine Lösung wäre, seiner Ansicht nach, Partnerschaften mit NGOs einzugehen, die ihre Aktivitäten in den Räumen der Kulturinstitutionen ausüben könnten. Das würde bedeuten, die Theater-, Oper- und Musiksäle immer öfter für nicht-kulturelle Veranstaltungen zu vermieten.

Aussage diskreditierend für Kulturschaffende

Eine Woche nach den Aussagen des Bürgermeisters meldeten sich die Vertreter der Landesgewerkschaft für Kultur (FAIR) zu Wort. Die Aussagen des Kronstädter Bürgermeisters würden „aufgrund ihres fehlerhaften und diskreditierenden Inhalts“ das Image der Angestellten und der Kulturinstitutionen von Kronstadt ernsthaft schädigen.

Auch die Gewerkschaft der Kronstädter Philharmonie widersprach den Aussagen von Scripcaru in einem offenen Brief, der an den Kronstädter Lokalrat und an den Bürgermeister adressiert wurde. Dieser Standpunkt wurde auch vom DFDR-Lokalrat Christian Macedonschi unterstützt: „Wir distanzieren uns stark von den jüngsten Aussagen des Bürgermeisters George Scripcaru. Unserer Meinung nach kann sich eine Gesellschaft nur durch Kultur entwickeln. Deshalb empfehlen wir dem Bürgermeister nachdrücklich, sich ein Beispiel an den Städten Hermannstadt/Sibiu und Klausenburg/Cluj-Napoca zu nehmen, wo wirklich Wert auf Kultur gelegt wird. Damit sich eine Gesellschaft gesund entwickelt, sollten Kulturschaffende nicht kritisiert, sondern unterstützt werden“, steht im offenen Brief.

Auch die FAIR-Gewerkschaft ist der Ansicht, dass die Aussagen des Bürgermeisters in Widerspruch zur nationalen Kulturstrategie, zu den europäischen Prinzipien sowie zur Bestimmung der rumänischen Verfassung stehen. „Was die Aussage betrifft, dass die Gehälter der Kulturschaffenden der Kronstädter Philharmonie so hoch sind wie bei der Münchner Philharmonie, hätte Bürgermeister Scripcaru diese Gehälter vergleichen sollen, die auf den Webseiten der Institutionen veröffentlicht sind“. Laut gehalt.de verdient ein Orchestermusiker in Deutschland im Durchschnitt ein Bruttogehalt von 3698 Euro pro Monat, während ein Orchestermusiker, der bei der Kronstädter Philharmonie angestellt ist, laut www.filarmonicabrasov.ro im Durchschnitt etwas mehr als ein Drittel dieser Summe verdient.

Und selbst das erst seit wenigen Jahren: Schauspieler, Sänger und andere künstlerisch Beschäftigte an den Kronstädter Kulturinstitutionen verdienen erst seit 2017 etwas mehr Geld, nachdem sie viele Jahre lang in einer sozial prekären Lage waren.

Der offene Brief endet mit der Aussage, dass Investitionen in die Kultur keine Geldverschwendung, sondern vital für die Gesellschaft seien. Bürgermeister Scripcaru äußerte sich bisher nicht bezüglich dieser Gegendarstellung.

Interessant ist, dass die Leitung des Kronstädter Theaters überhaupt keine Stellungnahme zu den Aussagen des Bürgermeisters publik machte. In dieser Kulturinstitution scheint man ein eher unterwürfiges Verhältnis zu den Lokalbehörden zu pflegen. Im November 2019 hatte die Leitung des Theaters den Namen der Gastvorstellung „Der Fiedler auf dem Dach“ (rumänisch: Scripcarul pe acoperiș) des Jüdischen Staatstheaters Bukarest, die im Rahmen des Festivals für zeitgenössische Dramatik gezeigt wurde, in „Der Geiger auf dem Dach“ (rumänisch: Violonistul pe acoperiș) umbenannt, um den Bürgermeister nicht zu ärgern.