„Intellektueller Trumpismus“ und die Nato

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„To keep the Russians out“; „To keep the Americans in“; „To keep the Germans down“ – diese drei Prinzipien standen, grob zusammengefasst, vor 70 Jahren bei der Gründung der Nato Pate. Von diesen sind die ersten zwei auch heute gültig und funktionieren (schlecht und recht), während das dritte durch ein „Gleichheitsprinzip“ ersetzt wurde, das sich die Deutschen erarbeitet haben – bis auf die Sticheleien von Trump: Sie sollen ihre Rüstungsausgaben auf zwei Prozent des Haushaltsvolumens hochschrauben.

Man spricht von der Nato als „Wertegemeinschaft“, und das viel lauter als von einem militärischen „Abschreckungsbündnis“, der Verpflichtung zum gegenseitigen Beistand, wenn eines der Mitglieder angegriffen wird – trotz diplomatischer Schönrederei von „Werten“.
Nun hat Mitte November Frankreichs Präsident Macron in einem (seiner wiederkehrenden) Moment(e) des „intellektuellen Trumpismus“ (Macron genießt es, seine Verbündeten vor den Kopf zu stoßen und pflegt dies, wobei er – zum Unterschied vom unsteten Egozentriker aus Washington – auf Folgen abzielt: Diskussionen anstoßen und als Macher im Zentrum stehen. Der „Hirntod“ der Nato (Macron) hat heftige Diskussionen ausgelöst. Macron setzte noch eins drauf: Ob Art. 5 des Nato-Vertrags, die Beistandspflicht und Sicherheitsgarantie der Allianz, noch funktioniere, wisse er nicht. Der Blick wurde auf die Entscheidungen Trumps in Syrien und die Rücksichtslosigkeit des Nato-Mitglieds Türkei gerichtet, die dort einmarschiert war – und dabei die französischen Spezialeinheiten, die in Syrien zusammen mit den amerikanischen (die Trump eigenwillig zurückzog) operierten, zum Rückzug zwang. Die Türkei steigerte damit den IS-Druck auf Europa. Dass zwei Mitglieder der Allianz ohne Rücksprache und -sicht Frankreich militärisch düpierten, verärgerte die Franzosen.

Die von Macron ausgelösten Diskussionen sind kontrovers. Es gibt aber auch Lösungsvorschläge. Einen will der deutsche Außenminister Heiko Maas zur Jubiläumstagung der Nato Anfang Dezember vorlegen: Es geht um das Anstoßen einer „Diskussion um die großen strategischen Linien“, die „akut“ fehlten, die sich „nicht auf die militärischen Kapazitäten beschränken“ dürften und die Nato zurückführen sollten auf das, was sie „immer“ gewesen sei: „ein politischer Ort“. Das sei „eine Leerstelle in der politischen Diskussion“, die in London „zu schließen“ sei. Eine „Expertenkommission zur Zukunft der Allianz“ soll ihren Bericht nach den US-Präsidentschaftswahlen 2020 vorlegen. Wohl um so die kommenden Jahre mit oder auch ohne den Nato-Verächter Trump zu planen.

Jürgen Trittin, Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, hält nicht viel vom Maas-Vorstoß. Der verwechsle „Wollen“ und „Wirklichkeit“ – das sei „urdeutscher Idealismus“. Das Bündnis sei zerrüttet, wenn das stärkste Nato-Mitglied die Auto-Importe aus dem zweitstärksten, Deutschland, als Bedrohung seiner „nationalen Sicherheit“ sehe; wenn das Militär der Türkei das Völkerrecht mit Füßen trete; wenn die Türkei ethnische Säuberungen durchführe und Zwangsumsiedlungen vornehme. Ist das noch eine Wertegemeinschaft? - fragt Jürgen Trittin.

„Die Europäische Union kann Europa nicht verteidigen!“, so Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Vor wem? Vor Russland. Doch gerade Russland öffnet Weltenherr Trump Tür und Tor, während er im Baltikum und in Rumänien Truppen stationiert. Politik mit Militär zu ersetzen ist Unsinn. Eine klug aufgestellte Berufsarmee der EU wäre hingegen so großer Unsinn nicht. Künftig drittes Grundprinzip also: To keep Europe always together.

PS. Der Wahlsieg von Klaus Johannis ist für die Rumäniendeutschen ein Grund zur Freude. Hoffen wir, dass der Staatspräsident Lehren aus seinem ersten Mandat gezogen hat. Es wäre begrüßenswert, recht bald eine Grundsatzrede und danach regelmäßige Berichte an die Nation von ihm zu vernehmen.