Internett

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Unlängst lobte man auf einer Pressekonferenz die Interaktivität von Online-Medien gegenüber der gedruckten Zeitung: Endlich könne auch der Leser seine Meinung äußern, Argumente oder Informationen beisteuern oder durch Vergabe von Likes Zustimmung signalisieren, selbst die Stimmung lässt sich mit Emoticons mitteilen. Immerhin sind Medien ein wichtiges Demokratieinstrument, das den Bürger einbinden sollte. Direktes Feedback vom Leser – was wünscht man sich als Zeitung mehr?

Theoretisch, zumindest. Denn nicht jeder Leser schreibt. Der Zufriedene hat keinen Grund dazu. Der Begeisterte hat größere Freude daran, einen bei Gelegenheit direkt anzusprechen, anzurufen oder persönlich anzumailen. Auch der sachliche Kritiker wählt erfahrungsgemäß eher diesen Weg.

Nur die Nörgler bevorzugen die anonyme Variante in der Öffentlichkeit, wo sie als „Ion“ oder „Hanswurst“ ungestraft so richtig Dampf ablassen können. Man erkennt sie auf einen Blick, denn sie alle vereint ein Kriterium: Ihre Kritik ist schwammig und wenig sachbezogen, konkrete Argumente fehlen. Einfach nur um sich schlagen ist ihr Ziel. Möglichst lautstark Porzellan zerdeppern! Freilich outen sich notorische Online-Krakeeler schnell selbst als solche und werden bald auch von anderen Kommunikationsteilnehmern ignoriert.

Außer von Gleichgesinnten, die sich dann gegenseitig seitenlang verbal verprügeln. Der Artikel als Auslöser ist längst vergessen, das Schlachtfeld ganz wo anders hin verlegt. Die Streitpartner sparen nicht mit Kraftausdrücken. Was mit „Sie Schlaukopf“ beginnt, rutscht von dort bald ungebremst über Hals und Rumpf bis unter die Gürtellinie. Emotionen kochen in allen Richtungen hoch. Die Streithähne fühlen sich bestätigt, he-rausgefordert – beachtet!

Aufmerksamkeit ist eine Energie, die jeder Mensch braucht. Wer sie zuhause nicht bekommt, sucht die Öffentlichkeit. Riskieren tut man nichts, wenn einen niemand kennt. Und wem es trotzdem zu heftig wird, der kann den Reset-Knopf drücken und sich mit einem neuen Nickname ganz von vorne ins Schlachtfeld werfen, wo er ungesehen genussvoll Ohrfeigen verteilt. Gleich und gleich zieht sich an, auch im Internet. Trotzdem, ein bisschen mehr Internettigkeit wäre manchmal nett.

Auf der Datenautobahn im weltweiten Web geht es zu wie in Bukarest auf der Straße: Ano-nymität zeigt den wahren Charakter – auf gut Deutsch, die Sau wird raus gelassen. Höflichkeit oder gar Empathie hat ohne direkte Konfrontation ihren Zweck verloren. Es wäre mal interessant, das  Fahrverhalten solcher Internetrüpel zu studieren. Wetten, dass es da jede Menge Parallelen gibt?