Ist Musik ein Medikament?

Erster Platz unter den deutschen Auslandsschulen beim bundesdeutschen Präsentationswettbewerb „Jugend präsentiert“

Hallo, ich bin Ana Duguleanu vom deutschen Goethe-Kolleg in Bukarest und heute geht es mir nicht so gut. Ich glaube ich werde bei meiner Ärztin anrufen. Vielleicht kann sie mir etwas raten. „Guten Tag, Frau Doktor. Ich fühle mich in letzter Zeit  so schlecht. Könnten Sie mir etwas empfehlen?“
„Na klar. Sie müssen jeden Abend Mozart hören und nach einer Woche wird es Ihnen wieder besser gehen.“

Quatsch. So etwas glaub ich nicht. Ich glaube, dass Musik uns einfach nur durch unseren Alltag begleitet. Wir hören sie ja, wenn wir in der U-Bahn sind, wenn wir Sport treiben, wenn wir in die Schule kommen oder wenn wir uns einfach mal nach einem langen Tag entspannen wollen. Aber ist das wirklich alles, was man über Musik sagen kann? Hat die Frau Doktor vielleicht recht? Kann Musik denn wie ein Medikament wirken?

Lasst uns einen genaueren Blick darauf werfen. Wann wir Musik hören, wird unser ganzer Körper davon beeinflusst. Aber es gibt ein bestimmtes Organ, das alles dirigiert – und zwar das Gehirn. Hier wird über die Synthese vieler Substanzen entschieden. Das wären zum Beispiel Serotonin und Cortisol. Beide beeinflussen unter anderem unsere Stimmung. Aber ihre Wirkung darauf ist fast gegensätzlich. Wenn unser Serotoningehalt höher ist, dann sind wir emotional stabiler und glücklicher. 

Wollt ihr, dass euer Körper mehr Serotonin produziert? Lasst uns etwas klassische Musik hören. 

(Darbietung: klassische Musik)

Ich glaube jetzt ist euer Lächeln um einige Millimeter breiter, nicht wahr? 

Hört euch aber auch das an.

(Darbietung: Tick-Tack einer Uhr)

Das war keine Musik. Deshalb war das auch stressig. Und wenn wir gestresst sind, produziert unser Körper mehr Cortisol. Das führt zu Angst oder zu Reizbarkeit. 

Wenn wir Musik hören, produzieren wir mehr Serotonin, aber weniger Cortisol. Das heißt, wir sind glücklicher und nicht so gereizt. Wir können bereits bemerken, dass wir so etwas wie eine Win-Win-Situation haben. 

Jetzt könnt ihr euch wirklich fragen: Heißt das wirklich, dass Musik wie ein Medikament wirkt? Ich meine, ein einfacher Witz könnte unsere Stimmung beeinflussen. Ihr werdet aber sehen, dass Musik um einiges mehr als ein Witz kann. 

Experiment

Lasst mich euch bitte über ein Experiment berichten. Die Patienten in einem Krankenhaus, die bald operiert werden sollten, mussten sich vor der Operation entspannen. Sie wurden in drei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe bekam Valium, ein Beruhigungsmittel. Der zweiten Gruppe wurden einige Musikstücke vorgeschrieben, während die Personen der dritten Gruppe ihre Lieder frei wählen durften. Und jetzt möchte ich euch fragen: Welche der drei Gruppen hat sich am meisten entspannt? Natürlich, die dritte Gruppe.  Dass sich die dritte Gruppe besser entspannte als die zweite ist irgendwie schon leicht zu verstehen. Aber die Tatsache, dass Musik einen Menschen besser beruhigt hat als Valium, ein Medikament, ist schon etwas unerwartet, nicht wahr? 

Unser Körper produziert aber noch ein Hormon, und zwar Dopamin. Lebenswichtige Gehirnfunktionen wie Gedächtnis, Lernen, Konzentration und Stimmung werden vom Dopamingehalt im Gehirn einer Person beeinflusst. Dasselbe gilt auch für Bewegung. Hören wir mehr Musik, produziert unser Körper mehr Dopamin. Es gibt Studien, die zeigen, dass eine Person beim Musikhören einen Anstieg von sogar 20 Prozent des Dopaminspiegels erleben kann. Deshalb ist das Hören von Musik besonders hilfreich für Patienten, die an Depression leiden, weil deren Dopamingehalt niedrig ist. 
Eine andere Krankheit, bei der das Hören von Musik hilfreich sein kann, ist Parkinson. Patienten mit Parkinson leiden an einem Verlust von Neuronen in einigen Teilen ihres Gehirns und somit ist der Dopamingehalt in diesen Teilen niedrig. Aber mit Musik kann er erhöht werden. 

Noch was…?

Musik kann aber noch etwas tun. Und zwar: sie kann uns dabei helfen, das Sprechen wieder zu erlernen. Unglaublich, nicht wahr? Lasst mich mal erklären, wie und warum das geht. 

Das Broca-Areal, das für die Sprachproduktion und -artikulation verantwortlich ist, befindet sich in unserer linken Gehirnhemisphäre. Aber welche Teile unseres Gehirns sind denn für die Musik verantwortlich? Kurz gesagt: alle. Damit ihr mir auch glaubt, möchte ich, dass ihr die Scans des Gehirns beim Musikhören anseht. Die Gehirnaktivität ist in den roten Arealen über dem Durchschnitt und in den blauen unter dem Durchschnitt. Aber wir können sehen: Alles verändert sich ständig und zu einem gewissen Zeitpunkt werden alle Areale rot sein. Schlussfolgerung: Musik ist überall in unserem Gehirn. Also haben wir das Sprechen in einem bestimmten Teil unserer linken Gehirnhemispäre und die Musik überall. Wenn der linke Gehirnteil beschädigt wird, beispielsweise durch einen Schuss oder durch einen Schlaganfall, dann verliert der Mensch die Fähigkeit, richtig zu reden. Er kann Wörter nicht mehr aussprechen. Er kann sie aber singen, weil sich das Singen nicht nur in einem Teil des Gehirns befindet, sondern im ganzen! Und durch konstante Musiktherapie kann der Mensch letztend-lich ein Wort nicht nur singen, sondern auch aussprechen. 

Fazit

Wahnsinn, nicht wahr? Das alles kann Musik tun. Sie kann unsere Stimmung beeinflussen, als Beruhigungsmittel dienen, Symptome bei Parkinson oder Depression lindern und sogar jemandem dabei helfen, das Sprechen wieder zu erlernen. Also hatte die Frau Doktor doch recht, nicht wahr? Musik ist fast ein Medikament. Und wenn wir den alltäglichen Stress berücksichtigen, glaube ich, dass wir in Zukunft immer öfter Musik hören werden. 

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit. 


„Jugend präsentiert“ ist ein deutschlandweiter Wettbewerb für Schüler ab der 7. Klasse, bei dem es um die Erweiterung und Verbesserung der Präsentationsfähigkeiten geht. In diesem außerschulischen Kontext können Schüler komplizierte Sachverhalte, insbesondere im naturwissenschaftlichen Bereich, anschaulich und gleichzeitig altersgemäß präsentieren und es dabei schaffen, ihre Mitschüler für das jeweilige Thema zu begeistern, wobei sie selbst sowohl etwas über das Thema als auch die Kunst des Präsentierens lernen. Der Wettbewerb wird von der Klaus Tschira Stiftung gefördert und richtet sich an bundesdeutsche Schulen, wobei Schüler deutscher Auslandsschulen auch teilnehmen dürfen. Das Team von „Jugend präsentiert“ setzt sich zusammen aus Mitarbeitern des Seminars für Allgemeine Rhetorik der Universität Tübingen, von „Wissenschaft im Dialog“ Berlin und der Klaus Tschira Stiftung. Beim letzten Präsentationswettbewerb, im April 2022, wurde Ana Duguleanu vom Goethe-Kolleg Bukarest (damals 10. Klasse) mit dem ersten Platz im Länderfinale der Deutschen Auslandsschulen geehrt. Ihr Thema: „Ist Musik ein Medikament?“