Junger Kronstädter mit Benzin im Blut

Der Kommentator und Rennfahrer Ștefan Raita gibt einen Einblick in den rumänischen Motorsport

Ștefan „Ștef“ Raita, Rennfahrer und Renn-Kommentator Fotos: privat

Ștefan Raita bei Winter Rally Covasna 2020. Eine der ganz wenigen osteuropäischen Rallyes auf Schnee und Eis, bei der auch WRC-Fahrer teilnehmen – am kommenden Wochenende ist es wieder so weit.

Ștefan „Ștef“ Raita ist aktiver Rennfahrer und Motorsport-Enthusiast. Die Formel-1-Rennfahrer Michael Schumacher, Martin Brundle sowie Jim Clark und die Rallye-Piloten Colin Mc Rae und Richard Burns haben ihn schon als Kind begeistert. Seit 2019 ist der 24-jährige Kronstädter für den Rumänischen Sportwagenverband (Federația Română de Automobilism Sportiv – FRAS) tätig und verantwortet dort unter anderem den Video-Kommentar der Live-Übertragungen von Bergrennen, Rallye und Super Rallye. Nach dem Abschluss der letztjährigen Motorsport-Saison sprach Jan Stößer für die ADZ mit ihm.

Herr Raita, erklären Sie uns doch bitte erst einmal den Rumänischen Sportwagenverband und seine Aufgaben.
Der FRAS – der Rumänische Sportwagenverband – vereint alle Kategorien des rumänischen Motorsports unter einem Dach. Darunter fallen beispielsweise die in Rumänien populären Bergrennen, die Rallye und die Super Rallye, aber auch Kart, Drift oder Off Road. Grundlage hierfür sind der rechtliche Rahmen und die Regularien, welche der FRAS in Übereinstimmung mit den FIA-Regularien – dem Internationalen Dachverband des Automobils – ausarbeitet. Dessen Anwendung garantiert die legale Durchführung der Motorsport-Veranstaltungen auch auf öffentlichen gesperrten Straßen. Der FRAS ist auch an der Organisation und Durchführung der Rennen beteiligt, was unter anderem die Bereitstellung von Streckenposten und technischer Ausrüstung sowie die Erstellung von Sicherheits-Konzepten und die Einhaltung der Regularien umfasst. Denn die Sicherheit der Fahrer, Zuschauer und Streckenarbeiter steht für den FRAS an oberster Stelle, und hier werden auch keine Kompromisse gemacht.

Des Weiteren wird das Fahrer-Training in enger Abstimmung mit der FRAS durchgeführt und evaluiert, sodass diese bei der Teilnahme an europäischen oder internationalen Rennen auf einem Standard ist, was die fahrerische Ausbildung anbelangt. Da die FIA-Regularien weitaus dynamischer sind als etwa im Fußball und sich zudem in einem ständigen Wandel befinden, stellt der FRAS als national übergeordnete Organisation sicher, dass man sich selbst diesbezüglich jederzeit auf dem aktuellen Stand befindet.

Welches Erlebnis hat ihr Interesse für den Motorsport geweckt und wie sind Sie schließlich zum FRAS gekommen?
2002, damals war ich sechs Jahre alt, haben mich meine Eltern zur traditionellen Parade Junii Brașovului mitgenommen, um mir die dort teilnehmenden Pferde zu zeigen. Am gleichen Wochenende fand auch das Bergrennen von Kronstadt zur Schulerau (Poiana Brașovului) statt, was ich durch Zufall mitbekam und mir anschaute. Diese Art von „Pferden“ sagten mir weitaus mehr zu und meine Leidenschaft für den Motorsport war erwacht. Nachdem ich über viele Jahre als gewöhnlicher Zuschauer zu den Rennen ging, begann ich 2012 mit ein paar Freunden Fotos und Videos von den Autos zu machen und diese im Internet zu veröffentlichen. Daraufhin fingen wir 2017 an, einige Veranstaltungen live und per Video in sozialen Medien zu übertragen und auch zu kommentieren. Und dann ging eigentlich alles ganz schnell. Bereits beim nächsten Rennen arbeiteten wir mit dem Team von „M1 Sport“ zusammen und befanden uns plötzlich in einem professionellen Umfeld, worauf auch der FRAS aufmerksam wurde. Dieser entschied 2019, die komplette Saison der Bergrennen live bei Facebook und YouTube zu übertragen. Hier wurde ich dann quasi zum offiziellen Kommentator, nachdem mich der FRAS-Präsident Norris Marcu M²geanu angeschrieben und mir diese Gelegenheit angeboten hatte. 2020 nahmen wir dann noch die Rallye und die Super Rallye in den Großstädten zu den Übertragungen hinzu.


Als Rennfahrer und Kommentator haben Sie bestimmt einen guten Überblick: Was zeichnet die rumänischen Motorsport-Zuschauer aus?
Natürlich gibt es verschiedene Arten von Zuschauern. Darunter befindet sich ein kleiner Anteil von Experten, die ein technisches Verständnis von den Autos haben, gut informiert sind und sich die meisten Rennen vor Ort anschauen. Dann gibt es noch den großen Anteil an lokalen Fans, die sich Motorsport im Fernsehen anschauen und zu den Rennen kommen, die in ihrer Nähe stattfinden. Mit meiner Arbeit und im persönlichen Gespräch versuche ich aber auch diejenigen zu begeistern und zu informieren, die nichts über den Sport wissen und eher zufällig damit in Berührung gekommen sind. Sehr erfreulich ist, dass die Anzahl derer, die sich unsere Übertragungen anschauen und zu den Veranstaltungen gehen, stetig steigt. 2019 etwa hatten wir beim Bergrennen von Rosenau/Râșnov die Situation, dass ein derart großer Andrang herrschte, dass der Veranstalter nicht alle Zuschauer auf die Strecke lassen konnte. Für die Rennen, die 2020 ausgetragen wurden, gab es ein ungebrochen großes Interesse. Ich denke, dass die Leute hungrig nach Motorsport sind und es unsere Aufgabe ist, diesen Bedarf durch unser Angebot zu decken und auszubauen.

An welches Ereignis im rumänischen Motorsport erinnern Sie sich gerne zurück?
Meine emotionalste Erfahrung war mit Sicherheit die Premiere der Live-Übertragung in Zusammenarbeit mit dem FRAS. Ich befand mich das erste Mal in diesem professionellen Umfeld und war im Vorfeld des Rennens relativ nervös, da der Anspruch nun hoch war und ich eine gute Arbeit leisten wollte. Was mir auch recht anständig gelang. Gerne blicke ich auch auf meinen ersten Sieg als Rennfahrer zurück, den ich auf einer lokalen Rallye erringen konnte.

Wie lässt sich die abgelaufene Saison 2020 zusammenfassen?
Ich meine, dass wir trotz der aktuellen Umstände das Beste aus dem Jahr gemacht haben. In Zeiten von sozialer Isolation und Lockdown hat der FRAS innovativ reagiert und eine Online-Meisterschaft ins Leben gerufen. Hier konnten sich alle Interessierten am Computer in einer Motorsport-Simulation messen. Sie benötigten dazu lediglich einen Computer sowie Lenkrad und Pedale. Was das reale Leben an der Rennstrecke anbelangt, hat der FRAS aus meiner Sicht hart gearbeitet sowie sehr professionell agiert und das Maximum aus dieser Saison herausgeholt. Man hat sich durchgehend in enger Absprache mit den zuständigen Behörden befunden und die Planungen stets an die vorherrschende Situation angepasst. Die meisten Veranstaltungen konnten austragen werden, wenn auch einige aufgrund der aktuellen Umstände abgesagt werden mussten und es Restriktionen hinsichtlich der Zuschauer gab. Sehr beeindruckt bin ich von den Teams und den Fahrern, die in finanziell unsicheren Zeiten, mit einem tendenziell geringeren Interesse von Sponsoren, ihrer Passion nachgegangen sind und sich bereits in der Vorbereitung für die kommende Saison befinden.

Bei der in Rumänien bedeutendsten Kategorie, den Bergrennen, gab es zudem eine sehr starke und positive Entwicklung, was die Fahrer und die Leistungsfähigkeit der Autos anbelangt. Die Zeiten, die gefahren wurden, haben sich kontinuierlich verbessert und Emil Nestor konnte mit dem Norma M20FC alle Streckenrekorde brechen. Darunter auch den bisherigen Rekord zur Schulerau, welchen Michele Esposito 2017 im Radical SR4 aufgestellt hatte und der vielen Experten für unantastbar galt. Hinsichtlich der Leistung haben wir die bisher stärkste Saison erlebt, was auch daran lag, dass mehr Prototypen gefahren wurden.

Sie haben erwähnt, dass ins-besondere Bergrennen in Rumänien beliebt sind. Wo lässt sich denn in dieser Disziplin die Wettbewerbsfähigkeit der rumänischen Fahrer einordnen?
Im europäischen Kontext kommen wir Jahr für Jahr näher an die westeuropäischen Länder heran, die das Maß aller Dinge sind, was Technik und Leistung anbelangt. Bei den Tourenwagen gibt es hierzulande einige verrückte und leistungsstarke Projekte, in die auch umfangreich investiert wird. Ich denke, wir sind mit dieser Kategorie ziemlich nahe am Niveau des Westens dran. Leider gibt es keine Vergleichsmöglichkeiten, was die Strecken beziehungsweise die Zeiten anbelangt, denn es wäre interessant zu sehen, wie sich etwa Bogdan Cuzma vom Team CB Rally Vest mit seinem Mitsu-bishi Lancer Evo 9 schlägt.

Hinsichtlich der Prototypen gibt es Bewegung nach vorne, aber es besteht noch Aufholbedarf. Das liegt hauptsächlich daran, dass diese Fahrzeug-Kategorie in Rumänien noch recht jung beziehungsweise wenig verbreitet ist und man hier zusätzlich noch auf spezialisierte Mechaniker angewiesen ist. Bis vor wenigen Jahren war Lucien Hora mit dem Lola F3000 beinahe ein Einzelkämpfer. Bekannter und populärer wurde die Kategorie, nachdem Silviu Dumitrescu in seinem Osella PA2000 Evo und Emil Nestor in diesen Wettbewerb eintraten und für Konkurrenz sorgten. Die Autos werden jedenfalls schneller, das sagen nicht nur die gefahrenen Zeiten, sondern zeigen auch die Leistungsdaten vom Prüfstand.

Welche Ziele und Vorstellungen hat der FRAS für die kommende Saison 2021?
Ein breit gefächerter Veranstaltungskalender ist bereits ausgearbeitet und wird zeitnah veröffentlicht. Hinter den Kulissen sollen die Bereiche Öffentlichkeitsarbeit, Kommunikation und Medienpräsentation gestärkt und ausgebaut werden.

 Der FRAS sowie die Organisation der Rennen befinden sich auf einem guten Weg und werden sich weiter professionalisieren. Auch der Motorsport selbst ist in Rumänien auf einem guten Niveau und wird sich weiter in eine positive Richtung entwickeln. Vielleicht wird es in Zukunft auch einige neue Wettbewerbe geben. Ich bin sehr gespannt, wie sich die Fahrzeuge in der Saisonpause weiterentwickelt haben und hoffe, dass die Zuschauer wieder ohne Restriktionen an die Strecken kommen können, denn ohne Besucher ist es nur halb so schön.