Kulturelle Jugendarbeit – Sache der Jugendreferenten?

Die Schulzeit und die Gedichte des Kanons, wie Rilkes „Panther“, sind eng miteinander verknüpft. Unwillkürlich fühlte ich mich als Hosmok – d.h. süffisant als Hermannstädter – unlängst daran an einem kulturellen Abend in Deutschland erinnert, als die Siebenbürger Sachsen über die Schulzeit und Schulen von einst referierten. Jener Vortrag endete 1990. Die Gäste – deutlich Ü50 – hatten auch keine weiteren Fragen. 

Aber wie sehen Schulbücher heute aus? Wer finanziert sie? Und: wer lernt daraus? Jene Runde betrachtete das Wendejahr 1990 mit Rilkes Pantherblick auf Gitterstäbe, der sei

„so müd geworden, dass er nichts mehr hält.Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt.“

Jene heimatliche Welt nach 1990 gibt es aber. Doch wird der müde Blick lebhafter im Rahmen von Erinnerungskultur? Die Erinnerung an eine vergangene Welt wach zu halten, auch für die Jugend – ist das lebendige Kultur? Was meint die Jugend dazu? Klar, anders als die Erlebnisgeneration hat sie ja weniger Bezug zur alten Heimat und frühere Zeiten. Aber: Wer weckt das jugendliche Interesse an heutigen Verhältnissen und Kultur in und aus Rumänien, mit unzensierten Printmedien und kostenfreien Internetinfos, in einem grenzenlosen Europa der Autobahnen, Interrail und Billigflügen?

Der Jugendreferent? Während in den 90ern ein 40-jähriger Jugendreferent eines anderen Verbandes noch für ein mitleidvolles Lächeln sorgte, sollte einige Jahre später der Bundesjugendleiter der Siebenbürger Sachsen in Deutschland in seiner dritten Amtszeit im gleichen Alter sein. Jener Jugendreferent hat sich als solcher überlebt und steht stellvertretend für einen strukturellen Alterungsprozess in der kulturellen Breitenarbeit.

Die neue Lösung: festangestellte Jugendreferenten in Rumänien. Diese beachtliche Entscheidung des DFDR-Präsidiums verdient alle Unterstützung! Aber: Jugendreferenten sind Bindeglied zwischen jugendlichen Interessen und den Vorständen. Die Umsetzung obliegt noch immer allen.

Die gepflasterte Erinnerungskultur wird niedergeschrieben und verlegt. Banater Autoren und Gäste veranstalten z.B. ein Literaturwochenende in Bad Kissingen und später auch in Reschitza und Temeswar. Auf dem Teilnehmerfoto kann man nach Personen unter 50 suchen. Es gibt sie. Auch kann man nach Personen über 80 suchen. Auch die gibt es. Autoren der jüngeren Generation gibt es auch – aber nicht auf jenen Fotos.

Der Temeswarer Literaturkreis für junge Autoren „Stafette“ feierte im Vorjahr sein 30-jähriges Jubiläum mit inzwischen zahlreichen Publikationen. Auch gibt es insgesamt sehr geschätzte Jugendarbeit im Bereich der Volkskunst und Freizeitevents, Eigeninitiativen mit Podcasts, Radio, geförderte Künstler- und Übersetzungsworkshops für Literatur. Doch wa-rum kein Zeltevent am Neckarufer bei Gundelsheim, wie zum Heimattag in Dinkelsbühl, jedoch für junge Familien mit Kindern? Warum auf Schloss Horneck oder der EAS keine Schreibwerkstatt unter Leitung von Experten, wie Iris Wolff oder Alexandru Bulucz? Warum kein Sommercamp zur Teilrenovierung einer Kirchenburg, z.B. unter der Fachanleitung der „Asocia]ia Monumentum“? Ein jugendgerechteres Musikwochenende wäre eines mit verjazzter/gerapter Volksmusik. Wo bleibt die Fotoausstellung inkl. Preisausschreiben mit Heimatmotiven als Alternative zum Hauskalender der langzeitbekannten Fotografen? Wieso bietet eine Mitgliedschaft der ausländischen Kulturverbände nicht auch ein Digitalabo der ADZ an? 

Zukunftsfähige kulturelle Jugendarbeit bedeutet partizipative Kulturarbeit ohne Grenzen, ohne zeitliche Begrenzung, ohne Rilkes Gitterstäbe im Geiste.