„Laetare“ – Eintreten in die Rhythmen des Lebens

Wort zum Sonntag

Nach der Sintflut wurde Noah mit dem Wort getröstet: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Tatsächlich bergen
natürliche Rhythmen und Abläufe einen geradezu metaphysischen Trost, und zwar gerade deshalb, weil wir sehr genau wissen, dass es auch anders sein könnte. Ich erinnere mich noch an die Zeit meines Vikariates in Heltau, als immer um 19.30 Uhr eine Kuh vor meinem Fenster vorüberging, die vom Weideplatz nach Hause strebte. Dieses täglich wiederkehrende Erlebnis hatte etwas erstaunlich Tröstendes an sich. Man kann ja auch die Frage stellen, woher wir die Gewissheit nehmen wollen, dass z.B. der Apfel nicht nach oben, sondern nach unten fällt?

Selbstverständlich geht der Mensch seine eigenen Wege. Die alljährlich wiederkehrende Zeitumstellung zum Frühlingsbeginn ist das beste Beispiel dafür. Natürlich ist es viel effektiver, eine Stunde früher aufzustehen und eine Stunde später schlafen zu gehen. Auf diese Weise hat der Tag zwei Stunden mehr und die Zeit wird potenziell nachhaltig genutzt. Und trotzdem bewirkt gerade dieses seit etlichen Jahren regelmäßig wiederholte Ereignis, dass ich immer nach der nun schon traditionellen Zeitumstellung eine zeitlang müde bin, was der Effektivität der Abläufe dann doch irgendwie abträglich ist.

Schauen wir freilich auf das große Ganze, dann sprudeln in unserm Herzen doch Gedanken, wie sie das von Mozart vertonte Lied „Komm, lieber Mai und mache” bereithält, und groß ist die Freude Noahs über das Ölblatt im Schnabel der Taube. Der Sonntag „Laetare” ist im evangelischen Kalender eine Art kleines, vorweggenommenes Ostern. Ein wenig sehnsuchtsvoll denken wir an den Osterspaziergang Goethes im Faust: „Vom Eise befreit sind Strom und Bäche durch des Frühlings holden, belebenden Blick… “, auch wenn sich Frühlingsgefühle jetzt bisweilen so gar nicht einstellen wollen und der Gedanke an die Schönheit des Universums sich für normal-sterbliche Menschen in schier unerreichbare Ferne verliert.

Und trotzdem bricht sich die Erinnerung Bahn, wie wir in der 11. Klasse für den Astronomieunterricht einmal gegen Mitternacht am Rande der Großstadt mit Hilfe einfacher Karten die Sterne beobachteten und auf diese Weise einen Eindruck von der Ordnung der Dinge im Ganzen erlangten. Das ist ein Eindruck, der ohne Zweifel durch zig Beispiele aus der lebenden Natur ergänzt werden kann, denken wir nur an einen Ameisenhaufen irgendwo im Wald oder den Kaktus in der Wüste.

Allein der Mensch ist es, der sich nicht ohne Weiteres in diese Ordnung einfügt und das hat mit der Würde und dem Abenteuer der Liebe zu tun. Gott, der den Himmel, die Erde und den Menschen erschaffen hat, möchte, dass wir ihn aus freien Stücken, mit ganzer Seele, ganzem Herzen und ganzer Kraft wieder lieben. Und wir müssen verstehen, dass damit kein verbissen-verknöcherter Fanatismus gemeint ist, sondern dass da ein unendlich kostbarer Schatz Dein Herz ergreift. Der heilige Apostel Paulus hat das erlebt, als er auf dem Weg nach Damaskus war, um dort Christen, Männer und Frauen, gefangen zu nehmen und gefesselt nach Jerusalem zu bringen. Damals ist ihm der HERR des Lebens begegnet, Jesus Christus. Und wir können schon sagen, dass sich sein Leben da neu geordnet hat. Ihm ist sozusagen aufgegangen, was wichtig ist und wofür es sich lohnt, sein Leben hinzugeben. Genauso, wie auch Maria ihr ‚Ja’ zu Gott und seinem Wort gesprochen hat: „Siehe, ich bin des HERRN Magd, mir geschehe, wie Du gesagt hast.“

Gottes ureigene Ordnung wiederzuentdecken, sein Gesetz der Freiheit, sein lebendiges Wort, einzutauchen in die Rhythmen des echten Lebens, wer wollte sich darüber nicht freuen?!
Manchmal sind diese Zeichen des Lebens schwer verborgen und kaum zu erkennen. Dennoch hat Noah dem HERRN des Lebens einen Altar errichtet, weil er und die Seinen sehr genau wussten, was sie diesem Gott verdanken, trotz aller Bosheit der Menschen. Bedingungslos hat Noah an dem Gott des Lebens festgehalten. Sein Lebenswerk ist ein Vorbild für die Arbeit der Kirche.

Amen.