Landwirtschaft bleibt die Hauptbeschäftigung

ADZ-Gespräch mit Gheorghe Călburean, Bürgermeister der Gemeinde Wolkendorf

Gheorghe Călburean ist seit 2008 Bürgermeister von Wolkendorf.

Der Neugraben (rum. Vulcăniţa) fließt entlang der Wolkendorfer Hauptgasse.
Fotos: Ralf Sudrigian

Wolkendorf/Vulcan, die Burzenländer Gemeinde mit heute rund 4700 Einwohnern, hat seit knapp sechs Jahren Gheorghe Călburean (60) zum Bürgermeister. Der gebürtige Wolkendorfer ist studierter Mechanik-Ingenieur und gehört der Nationalliberalen Partei (PNL) an. Die PNL stellt im Gemeinderat mit acht Gemeinderäten vor der PSD (3) der PC und der Bauernpartei (je 1) die Mehrheit. Über das Wolkendorf von heute, in dem auch rund hundert Sachsen leben, sprach ADZ-Redakteur Ralf Sudrigian mit Bürgermeister Călburean in dessen Amtsbüro.

Wolkendorf war früher eine von den Sachsen geprägte Gemeinde. Ist dieser Wesenszug erhalten geblieben?

Kurz vor der Wende stellten die Siebenbürger Sachsen rund ein Drittel der Bevölkerung. Die Mehrheit bildeten und bilden die Rumänen; hinzu kommen die Roma. Sie leben in einem eigenen Viertel unter ärmlichen Bedingungen, wobei, wie auch landesweit, die Geburtenrate dieser Bevölkerungsgruppe deutlich den Durchschnittswert überschreitet. Rund 70 Roma erhalten Sozialhilfe und leisten dafür gemeinnützige Arbeit, z. B. bei der Reinigung der Wasserläufe, Erdarbeiten.

Heute leben nur noch wenige Sachsen in der Gemeinde. Wir, als politische Gemeinde, sind daran interessiert, dass wichtige von der sächsischen Bevölkerung errichtete Bauten (z. B. die deutsche Schule oder die alte Mühle) erhalten bleiben und auch gefördert werden. Die evangelische Kirchengemeinde, die diese Immobilien rückerstattet bekommen hat, hat in diesem Sinne in uns einen offenen, gesprächsbereiten Partner.

Ist die Landwirtschaft weiterhin die Hauptbeschäftigung der Wolkendorfer?

Ich würde das ohne zu zögern bejahen. So gibt es zum Beispiel auf der Gemarkung der Gemeinde keine Flächen, die nicht bebaut werden. Wir verzeichnen nach wie vor gute Erträge, vor allem beim Anbau von Getreide und Kartoffeln. Es gibt auch vier landwirtschaftliche Vereine, Familienbetriebe und Flächen im Einzelbesitz, letztere stellen rund ein Viertel des Grundes dar. Es gibt noch die Hutweide, aber die Wolkendorfer Herde ist etwa auf 80-90 Stück Vieh geschrumpft. Hinzu kommen noch zwei-drei Bauernwirtschaften, wo Kühe gezüchtet werden, sowie Besitzer von Schafherden.

Wie steht es bezüglich der Bodenrückgabe?

Noch gibt es von den über 800 Urkunden, die laut Gesetz Nr. 18 ausgehändigt wurden, vier-fünf zu vergeben. Es gab da eine rund zweijährige Unterbrechung, zurückzuführen auf die Bestimmungen des Gesetztes Nr. 165. Rückerstattet wurden rund 600 Hektar Grund; da es aber auch um Rückgaben an sächsische Landwirte ging, laut den Regelungen des Gesetztes Nr. 247, verdoppelte sich diese Fläche. In Wolkendorf selber kann kein weiterer Grund rückerstattet werden. Jene, die auf eine Entschädigung nicht eingehen, sondern auf Bodenrückgabe bestehen, erhalten Grund außerhalb der Gemeinde, von der Agentur der Staatsdomäne (ADS).

Noch gibt es keine Kanalisation in der Gemeinde …

Es wird gerade daran gearbeitet, dank eines Projekts, das von der Agentur für Umweltfonds finanziert wird. Mit Sicherheit wird dieses bis November erfolgreich abgeschlossen. Die Gasversorgung ist für die Mehrheit der Haushalte gesichert, mit Ausnahme des Roma-Viertels und dem Weiler „Mina 1 Mai“, wo rund 700 Personen leben.

Wie  ist es um den  Unterricht und die gesundheitliche Versorgung bestellt?

Rund 430 Schüler lernen in der Allgemeinschule; im Kindergarten sind 120 Kinder eingeschrieben. In der „1 Mai“-Siedlung gibt es Grundschule und Kindergarten, die Schüler der Klassen V-VIII pendeln nach Wolkendorf. Es gibt vier Arztpraxen: zwei Zahnärzte und zwei Hausärzte.

Beschreiben Sie uns bitte das in der Hauptgasse eingerichtete Gemeindezentrum.

Es wurde im Februar dieses Jahres nach Neugestaltung des ehemaligen Kulturheimes eröffnet und es bietet gute Bedingungen für kulturelle und erzieherische Tätigkeiten, z. B. Räumlichkeiten mit Computer, Multimedia-Geräte, Probesaal für die Wolkendorfer Blaskapelle, für Volkstheater, Malkurse. Da können auch Fortbildungskurse angeboten werden. Das Projekt wurde gemeinsam mit dem Bürgermeisteramt Kronstadt abgewickelt, Wolkendorf gehört bekanntlich der Metropolagentur Kronstadt an.

Auch für Touristen kann Wolkendorf interessant sein...

Es gibt zurzeit drei Pensionen, weitere sind im Bau. Die Perspektiven sind nicht schlecht, da ja die Gegend Potenzial aufweist – der Königstein ist in der Nähe, der bekannte Bärenpark „Libearty“ in Zărneşti ist auch nicht weit entfernt. Leider kann das früher so beliebte Strandbad nicht mehr genutzt werden – es ist verwahrlost und kann unter den früheren Bedingungen mit Wasserzufuhr aus dem nahen Bach bei den heutigen Hygiene-Aufla-gen,nicht mehr geöffnet werden.

Es gibt noch die Fischteiche, zwei davon werden von der Gemeinde verwaltet. Ein dritter ist seit bald 15 Jahren an den Fernsehsender „Pro TV“ verpachtet, der ihn ausschließlich für seinen Kundenkreis, also nicht öffentlich, nutzt. Fremdenverkehr und Erholung sind uns wichtig, weil dadurch eventuell auch Arbeitsplätze und Einkünfte für die Gemeinde entstehen. Denn außer einigen kleinen Sägewerken, Läden und bescheidenen Werkstätten verfügt Wolkendorf über keine Unternehmen oder Werke. Deshalb können wir sehr wenig in Sachen Eigenfinanzierung vorweisen.

Früher gehörte das Dorf Holbav zur Gemeinde Wolkendorf. Heute ist es eine eigenständige Gemeinde. Sehen Sie das als einen Verlust oder, im Gegenteil, als Erleichterung an?

Finanziell ist es für uns kein Verlust. Eher für den Staat, denn für rund 1000 Personen eine eigenständige Gemeinde zu gründen, bringt Kosten mit sich. Aber vor 10-11 Jahren gab es ja so einen Trend zur Gründung neuer Gemeinden. Einige Holbaver Persönlichkeiten wollten das, die Wolkendorfer haben sich beim Referendum nicht widersetzt. Landschaftlich steht Holbav sehr gut da; wirtschaftlich aber nicht – selbst in der Landwirtschaft kann dort nur Viehzucht betrieben werden.

Wie sieht die Zukunft für den Weiler „1 Mai“ aus?

Diese Siedlung wurde bekanntlich vor rund 90 Jahren gegründet, im Zusammenhang mit dem Beginn des Bergbaus in dieser Gegend. Anfang der 1960-er Jahre wurde die Kohleförderung aufgegeben, da diese vom wirtschaftlichen Standpunkt nicht mehr tragbar war. Ein Teil der ehemaligen, für den Bergbau da angesiedelten Bergarbeiter, deren Familien und Nachkommen, sind dageblieben. Heute gibt es keine anderen Unternehmen, sodass die Erwerbstätigen in anderen Ortschaften arbeiten. Die Gegend ist ruhig und anziehend – es gibt Leute, die sich da Grundstücke gekauft und Ferienhäuser eingerichtet haben.

Abschließend: Sind Sie noch in Verbindung mit den ausgewanderten Wolkendorfer Sachsen?

Selbstverständlich. Ich habe auch ehemalige Schulkameraden unter ihnen, die hier geblieben sind oder auch aus Deutschland zurückgekehrt sind und nun mit Erfolg zum Beispiel ein Gästehaus eröffnen und betreiben konnten. Jährlich gibt es hier Treffen der Wolkendorfer Sachsen – aufgrund meiner Begegnungen und Gespräche zu diesen Anlässen bin ich mir sicher: Die älteren Generationen haben ihre Heimat in ihrer Seele aufbewahrt. Rumänien ist ihnen nicht gleichgültig. Bei den in Deutschland Geborenen mag das wohl nicht unbedingt so sein.

Herr Bürgermeister, danke schön für dieses Gespräch!