„Lechts und rinks“

„manche meinen/lechts und rinks/ kann man nicht velwechsern/werch ein illtum“ schrieb der Sympathisant der Wiener Gruppe Ernst Jandl 1966 in seinem Gedichtband „Laut und Luise“ und betitelte die vierzeilige vorausschauende Weisheit „lichtung“. Diese Jandlsche „lichtung“ passt 54 Jahre später wie ein maßgeschneiderter Handschuh auf die rumänischen politischen Realverhältnisse des Wahljahrs 2020.

Bekanntlich kommt das heute gern verwendete politische Rechts-Links-Schema von der Sitzverteilung in der französischen Nationalversammlung am Vorabend der 1789er Revolution. Alle Vertreter des Status quo nahmen auf der rechten Seite des Plenarsaals Platz, die „Erneuerer“ und ihre Anhänger auf der linken. Rechts saßen die „Konservativen“, die Bewahrer, die das Bestehende „konservieren“/erhalten wollten, links die Erneuerer, diejenigen mit dem Willen zur Veränderung. Diese Übersichtlichkeit, die dem einfachen Bürger wie dem gesellschaftlich und politisch Implizierten entgegenkommt, fehlt in unserer heutigen postfaktualen Welt. Leider. In Rumänien hat die „Linke“, die PSD und ihre Kleinverbündeten, nach den peinlichen Wahlniederlagen von 2019 wieder zu ihrer monolithischen Einheit zurückgefunden und begonnen – trotz nur 20 Prozent in den Umfragen, aber gestützt auf eine solide parlamentarische Mehrheit –, die in den Umfragen hochgeschaukelten rechten und Mitterechts-Parteien PNL, USR, PLUS nach Belieben vor sich herzutreiben, was höchstwahrscheinlich unserem Staatspräsidenten Klaus Johannis Schweißausbrüche verursacht. Die „Rechte“ Rumäniens ist von so tiefen Rissen durchzogen und von so wenig Willen zur Einheit beherrscht, dass – nach gegenwärtigem Stand – zumindest in der Hauptstadt Bukarest ihre Niederlage vorprogrammiert ist. Dabei wissen sowohl Johannis – der das einige Mal auch öffentlich gesagt hat – als auch die Gelegenheitsführer des „rechten“ Spektrums, dass die einzige Chance, die „linke“ PSD bei einer Wahl in die Schranken zu weisen, EINHEIT heißt. Aber entweder sind die zu dumm, um Allianzen einzugehen, oder zu egoistisch – oder beides!

Leider zeigt auch die jüngste Geschichte Rumäniens, dass die „Rechte“, die sich ein einziges Mal, als „Demokratische Konvention“ (unter Führung der Christdemokraten aus der Bauernpartei PNȚCD), 1995 vereinigt durchsetzen konnte, danach an ihren inneren Streitigkeiten und dem eifrigen Stühlewegziehen unterm Hintern der Alliierten sich bis zur Selbstauflösung zerfleischte und die Christdemokraten sich auf peinlichste Weise aus der Geschichte verabschiedeten. Diese Lektion über die Folgen fehlender Einheit – die natürlich auch gegenseitige Toleranz voraussetzt – haben die politischen Nachfahren bis heute nicht verinnerlicht und beweisen das, sich redlich abmühend, Tag für Tag.
Momentan sieht es so aus, als ob die gehässige und giftschlangenartige – aber wohl die Erwartungen eines Teils der Bukarester routinemäßigen Urnengänger erfüllende – amtierende Oberbürgermeisterin von Bukarest das Rennen machen wird, wenn sich PNL, PLUS und USR nicht auf einen einzigen Kandidaten einigen (können). Und danach sieht es überhaupt nicht aus, zumal USR/PLUS das ihnen gewogene Stimmungshoch von 2019 nicht zu einem Zusammenschluss und einer Fokussierung der rechten Mitte auf sich nutzten. Denn die Hoffnungen, die die PNL einmal weckte, sind verflogen, und zwar spätestens seit ihr Ex-Vorsitzender Crin Antonescu (aber auch die PNL-Vorsitzenden Theodor Stolojan und Călin Popescu-Tăriceanu waren einem solchen Schritt nicht fern) jene fatale Allianz mit der PSD (genannt USL, 2011) eingegangen war, was die Spitzen der PNL bis heute verwechselbar mit den PSD-Spitzen machte.

Uns erwartet bis zu den Wahlen im Juni eine Periode der blockierten Regierungspartei PNL, der blockierenden PSD, der lavierenden Kleinparteien.
Und Stillstand.