Lenau-Schüler aus Temeswar sprayte für Blumberg in Deutschland

Kunst ist undefinierbar, geht neue Wege und liegt im Auge des Betrachters

Das Endergebnis des Blumberg-Projektes kann sich sehen lassen...

Stefan Krebs präsentiert stolz sein Ergebnis. Seine Motivation? Den Menschen in der grauen Stadt eine Freude machen.

Das ist die Skizze, die Stefan zu Hause angefertigt hat. Fotos: privat

Graffiti sieht man überall. Täglich begegnet man ihnen an Straßenbahnen, Häusern und Mauern. Das Konzept ist umstritten: Geht es um Kunst oder um Schmiererei, fragt man sich oft. Einige Gemeinden aus Westeuropa bezahlen heutzutage Graffiti-Künstler dafür, graue, farblose oder verschmutze Betonwände in kunstvolle Meistergemälde umzugestalten. Viele Leute sehen darin Werke, die neues Leben in die Stadt bringen. Es gibt aber auch militante Gegner der Bewegung, die Graffiti als Verschmutzung betrachten.

Schüler findet Gefallen an moderner Kunst

Stefan Krebs (18) weiß Graffiti mit voller Leidenschaft zu schätzen. Er besucht das Nikolaus-Lenau-Lyzeum in Temeswar/Timişoara und hat sehr viel Gefallen an der Stadt mit den Malereien gefunden. Bereits das erste Mal, als er die kunstvollen Gemälde, die aus der Dose kommen, entdeckt hat, wusste er, dass das sein persönliches Ziel im Leben ist. Für ihn ist es eine lebhaftere Welt, wenn es anstatt von grauen Fassaden bunte, leidenschaftliche Bilder zu sehen gibt. „Auch die Straßenbahnen, die oftmals sehr alt und dreckig aussehen, bekommen mit den Farben eine eigene Persönlichkeit“, sagt Stefan.

Er weiß, dass Kunst ein unfragliches Wort ist und dass andere Mitmenschen Graffiti als geschmacklos und ungepflegt bezeichnen. Er lässt sich jedoch von solchen Personen nicht einschüchtern: „Jeder macht im Leben das, was ihm gefällt, also ziehe ich mein Ding durch.“ Stefan Krebs ist sich bewusst, dass das Verschmutzen von Denkmälern, Privateigentum und anderen illegalen Orten Sachbeschädigung ist. Dort, wo sein Auge aber ein legales Plätzchen zum Austoben sieht, ist es für ihn eine Fläche für pure Kunst. Fast jede freie Minute verbringt er mit leeren Seiten, die noch bemalt werden müssen, und Stiften, farbenprächtig, leuchtend und kräftig. „Tag für Tag will ich mich bessern und weiterentwickeln, damit ich auch auftragsmäßig aktiv werden kann“, bekennt er.

Illegal hat Stefan jedoch noch nie seine moderne Kunst an Wände aufgetragen. Diesen Weg hat er bis jetzt immer wieder umgangen, auch wenn andere davon überzeugt waren, dass er illegal Wände bekritzelt. Oft genug haben ihn Mitmenschen für Schmiererei, die nicht von ihm stammte, bestraft. Dies war aber kein Grund für ihn, mit der Kunst aufzuhören. Stefan liebt, was er tut und will damit weitermachen. „Wie die meisten Graffiti-Sprayer möchte ich meine Werke der Öffentlichkeit präsentieren. Die Betrachter sollen aber auch Gefallen an meiner Arbeit finden“, hofft der Sprayer.

Einstieg in die Graffiti- Malerei

Graffiti ist der Mehrzahlbegriff für die italienische Bezeichnung „Graffito“ und das bezeichnet eine in Stein geritzte Inschrift oder Zeichnung. Diese gab es schon bei den Alten Ägyptern, denn schon diese schmückten ihre Wände mit Kritzeleien, Gebeten oder schlicht mit Namen aus. Bei dieser Aktivität darf man aber auch die Römer und Griechen nicht vergessen, die ihren Wänden ebenfalls eine eigene Persönlichkeit verliehen. Deswegen steckt in dem Wort „Graffiti“ auch das altgriechische Wort „graphein“- das Schreiben.

Die moderne Form von Graffiti aber hat ihren Ursprung im vergangenen Jahrhundert in Amerika. Dort brachten Gangs ihre Zeichnungen an Wände, um ihr Gebiet zu markieren und um andere zu warnen, sich von dem markierten Ort ferzuhalten. Richtig in Schwung kam Graffiti dann in den 60er Jahren in New York, durch einen Fahrradboten, der überall in der Stadt sein Namenskürzel auf Wände schrieb. Weil ein Zeitungsartikel damals über ihn berichtete, wurde der Fahrradbote so berühmt, dass er Nachahmer unter den Jugendlichen fand. Vor allem unter denen, die in ärmlicheren Stadtteilen lebten und keine Zukunftschancen hatten. Sie begannen dann auch, überall in der Stadt ihre Namenszeichen zu hinterlassen, um aufzufallen und sich von der Masse der Leute abzuheben. Diese nannte man „Writer“– englisch für Schreiber. Weil es jedoch sehr viele Writer gab und vor allem immer mehr, musste man sich Tag für Tag Mühe geben, um aufzufallen. Deswegen wurden die Kritzeleien mit der Zeit immer aufwendiger, bunter und größer und es bildeten sich viele verschiedene Stile und Techniken heraus.

Viele Leute waren über die große Schmiererei auf Wänden und Häusern der Stadt ziemlich verärgert und versuchten, den Writern das Handwerk zu legen: erst mit Verboten und Strafen, später bot man ihnen extra Flächen zum Bemalen an oder man beauftragte sie sogar mit einem Werk. Dadurch näherten sich die Writer der Kunstszene an. Diese Form von Graffiti nennt sich „Street Art“ und bedeutet so viel wie Straßenkunst. In Europa machte sich dann das Beschreiben und Bemalen von Wänden breit. Auch hier ist es verboten, öffentliche Flächen zu verzieren, auch wenn man es noch so gut kann. „In manchen Städten gibt es aber breitflächige Wände, auf denen sich die Graffiti-Künstler austoben dürfen und darüber bin ich sehr froh“, gibt Stefan bekannt.

Stefans erster Auftrag: In Blumberg vor allen Leuten sprayen

Alles hat damit angefangen, als er in diesem Sommer seinen Pass neu machen lassen wollte. Gelangweilt blickte er in dem fremden Büro durch die Gegend. An einer Pinnwand entdeckte er dann ein Schild mit einem Street-Art-Festival-Thema. Begeistert und voller Hoffnung bewarb er sich noch am selben Tag für das Ereignis und träumte davon, dort mitmachen zu können. „Das ist meine Chance, den Menschen zu zeigen, was ich kann“, dachte sich Stefan. Ein paar Tage später meldete sich der Veranstalter des Festivals bei Stefan und bat ihn darum, für die Stadt Blumberg, bei Konstanz in Deutschland, ein Werk zu meistern. Voller Glücksgefühle und mit einem guten Gewissen sagte er diesem Auftrag zu und bestellte sich einige Tage später 30 Dosen. Zu Hause probierte er verschiedene Skizzen auf weißem Papier aus: „Ich habe mir die Zeit genommen, etwas Hervorragendes zu zaubern und zu entwickeln.“

Am 22. Juli war es endlich soweit und die Aufregung ließ ihn fast durchdrehen. Als er dann auch noch sah, dass immer mehr Menschen näher kamen, seine Aufmerksamkeit erheischen wollten und ihm Fragen stellten, wurde er immer nervöser. Die vielen Foto-Kameras, das Geschwätz und die zahlreichen Gesichter brachten ihn zum Schwitzen. Er versuchte aber, sich trotz des Drucks zu konzentrieren und sein Bestes zu geben. Er nahm die grüne Spraydose in die Hand und begann, die Skizze zu sprühen. Als er mit dem Endergebnis zufrieden war, machte er sich an die restlichen Farbdosen, um die Füllung zu meistern. Danach beschäftigte er sich mit der schwarzen Sprühdose, um die Umrisse zu konturieren. „Die Aufregung ist immer mehr aufgestiegen und ich bin nicht mehr mit meinen Gefühlen zurechtgekommen“, gibt Stefan offen zu, „ich hatte nicht mehr gewusst, wohin ich meine Gedanken lenken soll, denn in mir sind über tausend Stimmen herumgeschwirrt, die sich gefragt haben, was die Menschen wohl von mir und meiner Arbeit halten würden.“

Als das Schwerste von dem Projekt jedoch geschafft war, war alles nur noch ein Kinderspiel und eine Frage der Zeit. Er beruhigte sich und setzte seine Arbeit fort. Bis zuletzt versuchte er, mit den Effekten, Lichtern und den einzelnen Kleinigkeiten etwas Großes zu meistern. „Zwei Tage lang habe ich mir die Mühe gemacht, mit den vielen Farbdosen ein Meisterwerk zu zaubern, um danach den Bürgern eins meiner Werke zu präsentieren“, sagt Stefan. Nach dem Endergebnis schossen viele Passanten Fotos. „Selbst von mir wollten viele Bürger ein Porträt haben. Das war wirklich aufregend“, gibt Stefan preis.

Die Passanten fanden an der modernen Kunst Gefallen. Alle hatten einen angenehmen Ausdruck in ihren Gesichtern und strahlten mit einem warmen Lächeln, als sie das fertige Bild vor sich hatten. „Vielen Menschen hat man die Freude in den Augen angesehen, sie strahlten mit einem gewissen Diamanten-Effekt“, lächelt Stefan gerührt. Er war stolz darauf, Menschen mit seiner modernen Kunst Freude bereiten zu können.

Auch wenn viele das Kunstwerk zu schätzen wissen – vor allem die zweitägige Arbeit, die dahinter steckt – sieht Stefan persönlich so einige Flächen auf dem Bild, die ihm nicht sehr gefallen. „Ich habe mir manches anders vorgestellt und mir auch einige Fehler erlaubt“, gibt er offen zu. Beim nächsten Mal will er es besser machen und weiß, dass es ihm gelingen wird. Deswegen übt er Tag für Tag, probiert neue Ideen aus und versucht ständig dazuzulernen. Sein persönlicher Wunsch ist, noch mehr Aufträge zu bekommen, um den Menschen Freude und der Stadt eine neue, fröhlichere Persönlichkeit zu schenken.