Lernerlebnisse mitten in der Natur

Paul Dărășteanu zeigt, wie man Bildung auch anders vermitteln kann

Der lila Kinderbus soll mobilen Deutschunterricht auch in abgelegene Dörfer bringen.

In seinen „einweihenden Ferienlagern“ vermittelt Paul Dărășteanu Lernerlebnisse mitten in der Natur. | Fotos: privat

Was könnten ein lila Kleinbus am Karlsburger Stadtrand, gleich neben dem Waldhügel, eine restaurierte Scheune im abgelegenen Întregalde (Kreis Alba) und ein Deutschsprachclub in einem Roma-Dorf gemeinsam haben? Das alles sind Projekte, die der Bukarester Erzieher und Pädagoge Paul Dărășteanu ins Leben gerufen hat, um Kindern,  auch  aus benachteiligten Familien, eine andere Art Schule anzubieten: anders als in den Schulbänken, nachhaltig, in enger Verbindung mit der Natur, mit viel Freiraum zum Selbsterforschen, für Spiel und Spaß. 

Paul findet man selten in der Stadt – vielleicht noch eher im Schwimmbad, seine größte Leidenschaft, aber sicherlich nicht im Einkaufszentrum oder auf einer Party in der Altstadt. Denn der gebürtige Bukarester liebt die Natur und alles was sie mit sich bringt, auch wenn das des Öfteren mehr Schwierigkeiten bereitet als das Leben im Wohnblock, wie er mit einem warmen Lächeln zugibt. Berge und Natur haben ihn von klein auf fasziniert, doch konnte er sie nur als „Bukarester Tourist“ kennenlernen. Zu seinem 25. Geburtstag war es dann soweit: mit dem kleinen Erbe von seinem Großvater konnte er einen seiner Träume verwirklichen und kaufte sich ein kleines Grundstück in einem völlig abgelegenen Dorf im Apuseni-Gebirge, fast am anderen Ende des Landes. Eine alte, traditionelle Holzscheune ergänzte das malerische Bild des kleinen Dorfes, in dem damals nur acht Einwohner lebten. Seine Freizeit und insbesondere die Ferien verbrachte er ständig dort, denn im selben Jahr wurde ihm eine Stelle als Erzieher in dem Bukarester Kindergarten angeboten, den er auch selbst besucht hatte. Obwohl er eigentlich Geschichte studiert hatte, erwies sich der gutherzige Paul als vorbildlicher Pädagoge: er hatte immer ein offenes Ohr für seine Kinder, ging des Öfteren mit ihnen in den Park und unternahm Ausflüge mit ihnen im Sommer. Das rumänische Bildungssystem hat ihn aber fast zur Strecke gebracht: all die Verbote, die Sicherheitsvorschriften, die zahlreichen Genehmigungen... und all das für ganz kleine Aktivitäten wie einen Wandertag oder einen Spaziergang. Hinzu kamen Eltern mit übertriebenen, unrealistischen Vorstellungen zur Erziehung ihrer Kinder – im Gegensatz zu jenen aus eher bescheidenen Verhältnissen, mit denen Paul bisher zusammen gearbeitet hatte, und die einfach froh waren, dass sich jemand um die Kinder kümmerte. 

„Flucht“ aus der Großstadt

Mit 30 war es dann so weit: er musste aus Bukarest „flüchten“ – näher an die Berge, näher an die Natur, aber... noch ohne einen konkreten Plan, ohne festen Job in Aussicht, nur die Perspektive, vielleicht in Hermannstadt/Sibiu Pädagogik zu studieren. Auch diesmal war das Universum gütig mit Paul, man suchte dort gerade einen Deutschlehrer für die Schule Nr. 2. Ein Wochenende hatte er Zeit, eine Unterkunft in einem nahen Dorf zu finden und umzuziehen. „Es wäre absurd gewesen, eine Großstadt für eine andere zu tauschen“, erklärt er lächelnd. Obwohl er in Hermannstadt auch nur Aushilfslehrer war, eröffnete sich für ihn dort eine komplett andere, deutschsprachige Welt – andere Kinder, andere Eltern, ein anderes Kulturumfeld. Hier konnte er nun seinen beiden Leidenschaften leichter nachgehen: der Pädagogik, als Lehrer und als frischer Student und der Nähe zur Natur und seinem Grundstück.

Deutschkurse für benachteiligte Kinder

Wer in Rășinari oder im Dorf Prislop Pauls Namen nennt, wird augenblicklich zahlreiche herzerwärmende Geschichten erfahren, denn Pauls Verein „Școala trimitoare“ (aussendende Schule) hat dort, insbesondere im vorwiegend von Roma bewohnten Dorf Prislop, jahrelang Deutschkurse für bis zu 80 Kinder aus benachteiligten Familien angeboten. Dass sich sein Verein auch mit Restauration befasst, entstand eher aus einem Zwang: das Strohdach seiner Scheune war vom Einsturz bedroht und musste ersetzt werden. Um dies fachgerecht umzusetzen, nahm Paul als Freiwilliger bei zahlreichen Aktionen des Vereins „Ambulanța pentru Monumente“ teil und lernte dabei die Kunst, alte Bauwerke wiederzubeleben. Danach warb er selbst Freiwillige an, mit deren Unterstützung er die Scheune auf Vordermann brachte. Ebenso konnte er mithilfe Freiwilliger eines der verlassenen Häuser des Dorfes ab- und auf seinem Grundstück wieder aufbauen und sanieren. Hier soll in Zukunft eine Backstube organisiert werden, sowohl für die wenigen Bewohner der Gemeinde, aber insbe-sondere für die Kinder, die sein Feriencamp besuchen und dort die Möglichkeit haben werden, selbstgebackenes Brot oder Brezel zu kosten. Andererseits möchte Paul hier auch einige moderne Unterkünfte für die Freiwilligen aus dem Ausland schaffen, die bei ihm für mehrere Wochen oder Monate arbeiten.

„Einweihende Ferienlager“ 

In Zusammenarbeit mit dem deutschen Verein „KuKuk Kultur“ des DPSG Herrenberg konnte er in der Gemeinde bereits einen Spielplatz aufbauen, welcher sowohl örtlichen Kindern als Pauls kleinen Besuchern offen steht. Über seinen Verein und mit seinem abgelegenen Grundstück konnte Paul nun die Naturferienlager organisieren, die er sich immer gewünscht hatte. Bei seinen mobilen „einweihenden Ferienlagern“ (tabere itinerante) langweilen sich die Kinder nie, sind ständig unterwegs und haben auch keine Zeit, Blödsinn zu machen, wie es oftmals in Hotelunterkünften passiert. Es gibt in der Natur so viel Möglichkeiten, sich auszutoben. Pauls Ferienlager sind überaus aktiv: eine Woche lang wird an verschiedenen Orten gezeltet, durch den Wald gewandert, mit dem Zug oder mit dem Fuhrwerk gefahren, wobei bis zu sechs Erwachsene die maximal 20 Kinder betreuen. Nicht nur, dass die Kinder dabei ständig im Freien sind, sie lernen auch, zu packen, zu organisieren, zusammenzuarbeiten, Zelte auf- und abzubauen, mit Lagerfeuer umzugehen, erfahren vieles über Bäume und Blumen und vieles, vieles mehr, wie Paul enthusiastisch erzählt. Und am Abend liest er ihnen eine Gutenacht-Geschichte vor... deren Ende eher selten noch jemand mitbekommt, längst sind alle eingeschlafen.

Das Hauptquartier für solche Unternehmungen soll in Zukunft die Scheune in der Gemeinde Întregalde werden. Eltern aus Bukarest scheinen hocherfreut, ihre Kinder für eine Woche mitten in die Natur schicken zu können. Auch die Pfadfinder Rumäniens sind des Öfteren dort eingekehrt, auch wenn es nur ein Plumpsklo gibt und die Unterkunftsbedingungen im Zelt rustikal sind.

Der lila Kinderbus…

...ist Pauls jüngstes Projekt, welches dieses Jahr noch eingeweiht werden soll, falls er die nötigen Spenden zusammenbekommt, um den Bus entsprechend einzurichten. Am Stadtrand von Karlsburg/Alba Iulia hat Paul ein Grundstück gleich neben dem Wald gemietet und will dort in seinem lila Kleinbus Deutschstunden in seiner eigenen, etwas anderen Art anbieten. Platz gäbe es dort für zehn bis zwölf Kinder, von denen wenigstens zwei kostenlos teilnehmen sollen – auch dies wird von Spenden finanziert. 

„Derzeit sitzen die meisten Vorschulklässler fast den ganzen Tag im Innenraum. Es sind wenige, die mehr Zeit draußen verbringen, und diese übertreiben es aber und haben dann des öfteren große Anpassungsprobleme im staatlichen Bildungssystem. Ich versuche, einen Ausgleich zu finden: die Kinder sollen frei laufen und im Spiel lernen, gleichzeitig aber langsam, langsam lernen, wie es ist, auf einem Stuhl zu sitzen. Und das alles so nahe wie möglich zur Natur“, beschreibt Paul sein Projekt.

Den Kinderbus möchte er nicht nur in Karlsburg einsetzen, sondern auch an anderen Orten mobilen Deutschunterricht für noch mehr Kinder anbieten.

„Das Bildungssystem muss sich von innen heraus ändern“...

...erklärt Paul wenn er nach seinen Zukunftsplänen gefragt wird. Natürlich möchte er seine Projekte ausbauen, denn er bemerkt, wieviel Spaß die Kinder an seinen pädagogischen Methoden haben und wie viel sie während eines Ferienlagers über die Welt um sich herum, aber auch über sich selbst lernen können. Gleichzeitig sieht er, wie die Bevölkerung der Dörfer im Apuseni-Gebirge immer mehr schrumpft und viele traditionelle Bauten dem Verfall ausgesetzt sind. Jemand muss sie erhalten, damit sich die nächsten Generationen daran erfreuen können, meint Paul. Und auch seine pädagogische Tätigkeit möchte er weiterführen, als Lehrkraft, aber nicht nur in der Privatwirtschaft: er möchte zurück ins staatliche Bildungssystem, um zur Änderung desselben beizutragen. „Ich habe viele Kollegen kennengelernt, die das Bildungssystem modernisieren wollen. Es gibt so viele tolle Ideen, aber niemand führt sie ein.“


Kontodaten: Asociația Școala Trimitoare, Str. Octavian Goga Nr. 1520, Gemeinde Rășinari, Kreis Sibiu
RAF Sibiu: 20/25.03.2019, CIF 40954346, Kontonummer: RO05INGB0000999909054122
Vorsitzender: Paul Dărășteanu