Mal neue Töne im Parlament

Stark beachtete Rede Mihai I. zu seinem 90. Geburtstag

Der am 25. Oktober 1921 als Sohn von Carol II. und Prinzessin Elena von Griechenland und Dänemark geborene Mihai I. wurde diese Woche 90 Jahre alt. Zweimal war der Ur-Urenkel der Königin Victoria von Großbritannien Rumäniens König gewesen: vom 20. Juli 1927 zum 8. Juni 1930 und vom 6. September 1940 zum 30. Dezember 1947, als er zu Abdankung und Exil gezwungen wurde. Auch nach der Wende konfrontierte sich der ehemalige Monarch mit zahlreichen Schikanen seitens der damaligen rumänischen Regierungen, sein Einreiseverbot wurde erst 1997 aufgehoben. Heute lebt er zusammen mit seiner Gattin Ana in Bukarest.

Anno 2011, im 22. Lebensjahr der jungen rumänischen Demokratie, weckte die von den Nationalliberalen vorgeschlagene Einberufung einer feierlichen Sitzung, die Seiner Majestät die Möglichkeit bieten soll, anlässlich des Geburtstags eine Rede zu halten vor den beiden vereinten Parlamentskammern, immer noch zahlreiche Emotionen, Erklärungen, Kommentare, nicht minder geschmacklose Attacken (zur Abwechslung mal nun meist seitens der PDL, eine Partei die sich übrigens öffentlich immer wieder für Werte einsetzt).

Auf diese gänzlich unbegründete Aufregung antwortete der ehemalige König Mihai I. in seiner ersten Rede nach 65 Jahren vor dem Parlament einfach majestätisch. Er richtete sich an die Rumänen und ihre auserwählten Vertreter und verlangte von ihnen allen Respekt für die Vergangenheit, Vertrauen in die Demokratie, in die Institutionen und die Zukunft des Landes; lobte die Fortschritte der letzten zwei Jahrzehnte; sprach von Moral, Glauben und Gedächtnis als Hauptpfeiler eines morgigen florierenden und weltweit anerkannten Rumänien, regiert von nationalem Interesse, Beständigkeit und Würde. Sah souverän über die deplatzierten und peinlichen protokollarischen Fauxpas des einen und des anderen direkt Beteiligten hinweg.

Knappe 20 Minuten dauerten die Festlichkeiten im  Parlament insgesamt, acht Minuten davon die schlichte, ausgeglichene, eindeutig vertrauenserweckende Ansprache  Mihai I. Keine Spur von Ambitionen, Eitelkeit, Verbissenheit oder Groll. Keine einzige (von einigen Spielern auf der innenpolitischen Bühne erwartete manipulierte) Kritik an der jetzigen Macht. Auch keine Anspielung auf eine eventuelle Wiedereinführung der Monarchie hierzulande.

Von den 471 Abgeordneten und Senatoren nahmen 350 an der Feier aus Anlass des 90. Geburtstags des früheren Monarchen teil. Staatschef Traian Băsescu, Ministerpräsident Emil Boc, die Vorsitzende der Abgeordnetenkammer Roberta Anastase und seine Seligkeit Daniel waren nicht dabei. Der Staatschef traf den EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso in Brüssel, der Premier und die Parlamentspräsidentin machten einen Arbeitsbesuch in Carei (anlässlich des Armeetags) beziehungsweise in Georgien, der Patriarch der Rumänisch Orthodoxen Kirche bereitete sich für das große Fest des Heiligen Dumitru vor. Es ist bestimmt nicht Zweck der Sache an dieser Stelle über (unbestreitbare) Bedeutung und (vielleicht doch modelierfähiges) Timing oben genannter Termine zu debattieren, der einzige Kommentar dazu ist: schade. Anwesend dafür waren die Altpräsidenten Emil Constantinescu und – ein Witz, nicht wahr – Ion Iliescu (derselbe Staatsmann, der Mihai I. Anfang der 90er Jahre die Einreise verweigert, ja ihn sogar in besonders demütigender Art und Weise des Landes verwiesen hatte) und sein Gefolge.

Am königlichen Geburtstag in Bukarest beteiligten sich die Königin Sofia von Spanien, König Carl XVI. Gustaf und Königin Silvia von Schweden, Großherzog Henri von Luxemburg, Prinzessin Muna al-Hussein von Jordanien, der ehemalige bulgarische König Simeon, Vertreter mehrerer Königshäuser und -familien aus Liechtenstein, Montenegro, Serbien, Griechenland, Österreich, Belgien, Frankreich, Portugal.

Am 25. Oktober, es war der Tag der parlamentarischen Debatte in London über einen eventuellen Rückzug Großbritanniens aus der EU, der Tag an dem der libysche Übergangsrat das Land nach 42 Jahren Diktatur von Muammar al-Gaddafi für befreit erklärte und Tunesien die Ergebnisse der ersten demokratischen Wahlen nach dem „arabischen Frühling“ bekannt gab, eröffnete die bekannte Zeitung The Times ihre Tagesausgabe mit einem Bericht über Mihai I. von Rumänien und seinem 90. Geburtstag. Am selben 25. Oktober 2011 berichteten sämtliche rumänische Medien, zum ersten Mal nach langer Zeit in einem Ton und einer Sprache, über ein hierzulande leider selten anzutreffendes Ereignis: die souveräne Rede einer starken, destotrotz bescheidenen Persönlichkeit dieses Landes.