Mehr Corona-Erfahrung als gewünscht

Ein Aufenthalt im Zwischengebiet zwischen Corona-Universum und Außenwelt

Symbolbild: pixabay.com

Ich gehöre zu jenen, die an die Gefahren und Heimtücken des neuen Corona-Virus glauben und sich gegen eine Infektion zu schützen versuchen. Mir ist unverständlich, dass manche sich willentlich der schweren Krankheit aussetzen und Menschenmengen nicht meiden. Oder den Mundschutz als Unsinn betrachten. Bewusst ist mir, dass es einen hundertprozentigen Schutz gegen die Infektion nicht gibt, weil das Virus und seine Wirkungsweise noch zu neu und unbekannt sind. Deswegen meinte ich, es eingefangen zu haben, als ich vergangene Tage Verdauungsprobleme, leicht erhöhte Temperatur, Schlappheit und Müdigkeit bei nicht sinken wollendem Bluthochdruck verzeichnete.

In normalen Zeiten hätte ich all die Symptome auf eine Anspannung zurückgeführt, nicht so in der Corona-Zeit. Nachdem ich dann noch einen Beitrag eines jungen SARS-CoV-2-infizierten Mannes auf einer seriösen Online-Plattform las, dessen Krankheit mit denselben Symptomen begonnen hatte, rief ich eine Freundin mit Erfahrung im Gesundheitsbereich an und fragte, was tun. Pack dir die nötigen Sachen und fahr zur Notaufnahme, die müssen dich aufnehmen und machen dir am raschesten den Test, lautete die Antwort. Wissend, dass eine Infektion, früh erkannt und behandelt, gute Chancen hat, nicht auf die Intensivstation zu führen, packte ich in Eile den Rucksack und stellte mich in der Notaufnahme des Kreiskrankenhauses mit Verdacht auf Corona ein. Eine Stunde später waren Elektrokardiogramm, Radiografie der Lunge, Blutabnahme und Proben aus der Nasenschleimhaut und aus dem Rachen entnommen. Für Hermannstadt/Sibiu treffen die Horror-Meldungen über stunden- und tagelanges Warten bis zur Aufnahme also nicht zu.

Warten allerdings muss – verständlicherweise – jeder auf das Testergebnis. Hierfür gibt es die in einem Container eingerichtete Zwischenstation hinter dem Gebäude der Notaufnahme mit 10 „Boxen“. Aus Schnellbau-Material zusammengestellt, befindet sich in jeder ein Bett mit Einweg-Plastik-Laken aber ohne weiteres Bettzeug und ein Nachtkästchen. Schritte kann man im Raum drei machen, die Tür darf nicht offen bleiben und auf den Korridor darf man nur gehen, wenn man zur Toilette will, weil draußen ja potentielle Infizierte ebenfalls unterwegs sind. Aber man muss nicht auf Bänken in Wartesälen auf das Ergebnis warten. Meine Box lag neben dem Behandlungszimmer und so bekam ich nicht nur das ständige Zählen der leeren Boxen mit, die bald wieder belegt wurden, sondern auch, dass fünf Personen mit positivem Ergebnis zur Abteilung für Infektionskrankheiten überführt worden sind. Zunächst hieß es, das Ergebnis komme in ca. 10 Stunden, dann in 15, ich verbrachte insgesamt 20 in der gefährlichen Zone. Mit welch mulmigem Gefühl, muss ich nicht extra beschreiben.

Etwas Entwarnung erhielt ich am Abend – ich war seit etwa 15 Uhr in der Box – als eine Ärztin meine Anamnese aufnahm und mir mitteilte, weder die Blutanalysen noch die Lungen-Radiografie deuten auf eine akute Infektion hin. Während der Nacht – an Schlafen war kaum zu denken – hörte ich, wie die Krankenschwestern über die Infektion einer weiteren Kollegin sprachen. Das Krankenhauspersonal, das bei 30 Grad Hitze in den Marsanzügen herumschwirren muss, stets mit der Gefahr im Nacken, das Virus doch einzufangen, verdient allen Respekt. Alle waren freundlich und hilfsbereit und geduldig. In der Nacht wurde eine Frau mit positivem Ergebnis zu den Infektionskrankheiten gebracht, zwei junge Frauen verließen die Zwischenstation, nachdem sie unterzeichnet hatten, es auf eigene Verantwortung zu tun und sich verpflichteten, sich von der Familie zu isolieren, das Ergebnis telefonisch zu erfragen und bei positivem Bescheid für die im Gesetz vorgesehenen 48 Stunden ins Krankenhaus zurückzukehren. Ich hege Zweifel, dass sie das aus eigenen Stücken tun werden und hoffe, dass die Gesundheitsbehörde sie im Fall eines positiven Ergebnisses rechtzeitig ausfindig macht, um die Verbreitung des Virus durch sie etwas zu stoppen.

Für mein banges Warten schien es kein Ende zu geben. Am Morgen wurde ich gegen 7 Uhr auf den um 8 Uhr erfolgenden Schichtwechsel vertröstet. Und dann kam eine Krankenschwester, hing mich an den Tropf – der Arzt habe das angeordnet, um mich zu hydrieren – und entnahm eine weitere Blutprobe für einen „PCR“-Test. Ich verstand Bahnhof und war verzweifelt. Eine Freundin, die viel über Corona recherchiert hat und mit der ich per Whatsapp kommunizierte, deutete sofort, das Testergebnis sei negativ und nun würde ich auf Antikörper getestet in dem landesweit durchgeführten Projekt. Das bestätigte auch die andere Freundin, die ergänzte, dass man dafür mein Einverständnis hätte erfragen müssen. Bald darauf erschien dann aber auch eine Ärztin und teilte mir das negative Ergebnis mit. Mir fielen viele schwere Steine vom Herzen! Noch etwas warten musste ich auf ein Rezept – die Radiografie deutete auf eine verschleppte Lungenentzündung hin – dann erhielt ich sämtliche Unterlagen und machte mich erleichtert auf den Heimweg.

Die Erleichterung dauerte nicht lang. Nach und nach begann ich zu begreifen, dass ich 20 Stunden in der Gefahrenzone verbracht hatte. Zwar war ich nur mit Mundschutz aus der Box raus und jedes Mal, wenn eine Krankenschwester oder Ärztin die Türe öffnete, legte ich ihn sofort an, aber ich musste die Toilette nutzen, die auch die infizierten Frauen genutzt haben, und das Krankenhauspersonal kam in derselben Schutzkleidung zu mir, in der es bei den Infizierten gewesen war. Die Möglichkeit, dass sich Viren an der Schutzkleidung oder in der Luft der Toilette oder des Korridors befanden, ist sehr groß. Die einfachen Masken bieten ungenügend Schutz. Mein Bangen, mich nun infiziert zu haben, ist riesengroß. Im Krankenhaus wurde ich nicht darauf hingewiesen, die nächsten 14 Tage in Isolation zu verbringen, um niemanden anzustecken, sollte ich infiziert worden sein, meine Freundinnen machten mir klar, dass das unbedingt notwendig ist.

War es richtig, mich in die Corona-Hölle zu begeben, statt abzuwarten, ob die Symptome nicht von selbst abklingen? Ich hätte keine ruhige Nacht mehr gehabt, mich ständig beobachtet, ob die Symptome sich verschlechtern – und die wären vermutlich aus dieser Furcht heraus auch tatsächlich ärger geworden. Nun hab ich die Gewissheit, nicht infiziert gewesen zu sein, das Bangen aber wird erst in etwa zehn Tagen enden. Dann werde ich Gewissheit haben, ob es bei der – hoffentlich! – ersten und einzigen Erfahrung in der Notaufnahme und Corona-Zwischenstation bleibt. Über eine Fortsetzung der Erfahrung in der Abteilung für Infektionskrankheiten möchte ich nicht erzählen können.